Aber gerade Biden wird als ausrichtsreicher Bewerber für die Vorwahl seiner Partei gehandelt. Bis zur Entscheidung sind es zwar noch zwei Jahre. Für Beobachter ist aber klar, dass das Rennen um das Präsidentenamt 2020 gleich nach der Kongresswahl am 6. November in den Turbomodus schalten wird.

Biden und Warren sind bei weitem nicht die einzigen Namen, die schon gehandelt werden: Die Statistik-Website FiveThirtyEight stellte Anfang Oktober eine Liste von etwa 20 Politikern zusammen, die faktisch schon in den Wahlkampfmodus geschaltet hätten. Der Spruch "nach der Wahl ist vor der Wahl" mag für andere Länder gelten. In den USA ist vor der Wahl schon vor der Wahl. In gewisser Weise, so FiveThirtyEight, hätten die Vorwahlen der Demokraten am Morgen nach der Präsidentenwahl 2016 begonnen. Daran, dass Trump selbst wieder antritt, gibt es kaum Zweifel: Kurz nach seiner Vereidigung reichte er die notwendigen Formulare ein, um weiter Wahlspenden einsammeln zu dürfen.

BIDEN MIT DEUTLICHER FÜHRUNG - ENTSCHEIDUNG BIS JANUAR



Die demokratischen Wähler haben bereits einen klaren Favoriten. Eine Erhebung von CNN vom 14. Oktober zeigt: Biden führt das Feld der potenziellen Bewerber mit 33 Prozent an. Senator Bernie Sanders, der bei den Vorwahlen 2016 an Hillary Clinton scheiterte, kommt mit 13 Prozent auf Platz 2. Seine Kongress-Kolleginnen Kamala Harris und Warren folgen auf Rang 3 und 4 mit neun und acht Prozent. Cory Booker, ebenfalls Senator, und der frühere Außenminister John Kerry erhalten je fünf Prozent.

Bidens Führung kommt nicht unerwartet. Mehr als drei Jahrzehnte vertrat er den Bundesstaat Delaware im Nordosten der USA im Senat, wo er sich den Ruf als Vertreter der Arbeitnehmer erwarb. Schon in den Jahren 1988 und 2008 warf er seinen Hut für die Nominierung als Präsidentschaftskandidat in den Ring. Dem Präsidenten Barack Obama diente er dann beide Amtszeiten als Vize-Präsident. An der Wahl 2016 nahm er nach dem Tod seines Sohnes nach einer Krebserkrankung nicht teil. Eine Kandidatur 2020 hat er nicht ausgeschlossen. "Ich weiß, dass ich mich entscheiden muss, und ich weiß, dass das bis Januar geschehen muss", sagte er im Juli der Zeitung "USA Today".

An der CNN-Liste sind mehrere Dinge bemerkenswert. Die beiden Führenden und Kerry sind klassische "alte weiße Männer", wie sie in der US-Politik genannt werden: Biden ist 75 Jahre alt, Sanders 77 und Kerry 74. Damit sind sie alle drei älter als Trump (72), der bei Amtsantritt der älteste Präsident der US-Geschichte war. Die drei anderen brechen mit diesem Muster: Booker (49 Jahre) ist Afro-Amerikaner, die Eltern von Harris (54) stammen aus Indien und Jamaika, und Warren (69) beansprucht für sich Ureinwohner unter ihren Vorfahren. Auffällig ist auch, dass sich mit Harris und Warren zwei Frauen in den oberen Rängen wiederfinden. Das passt zu eine der jüngsten Entwicklungen: Die Amerikanerinnen drängen in die Politik.

DEMOKRATEN DROHT DIE SPALTUNG - DRUCK VOM LINKEN FLÜGEL



Insbesondere aber zeigt die Liste, dass auf die Demokraten ein Problem zukommt. Die Partei ist in einen gemäßigten, traditionellen Flügel - vertreten durch Biden und Kerry - und einen linken, "progressiven" Flügel gespalten - etwa Sanders und Warren. Diese zweite, auch "liberal" genannte Strömung sieht sich seit 2016 im Recht: Die Niederlage der Establishment-Demokratin Clinton gegen Trump ist für sie der Beweis, dass man Sanders hätte nach links folgen müssen.

Einige Demokraten wollen weit nach links. Die Vorzeigekandidatin der Progressiven bei der Kongresswahl ist Alexandria Ocasio-Cortez, eine Hispanic, die sich bei den Vorwahlen im Bundesstaat New York im Rennen um die Kandidatur für das Repräsentantenhaus überraschend durchsetzte. Die 29-Jährige dürfte am 6. November einen Sitz gewinnen und wäre damit die jüngste Frau, die jemals im Kongress saß. Als selbsterklärte "demokratische Sozialistin" fordert sie einen kostenlosen Zugang zu Hochschulbildung und eine staatliche Gesundheitsversorgung für alle - aus europäischer Sicht nicht revolutionär, aber in den USA umstritten. "Ich glaube nicht, dass wir verlieren, weil wir nicht moderat genug sind", sagte sie der Zeitschrift "Vogue".

Genau das sehen gemäßigte Demokraten anders. Sie befürchten, dass ein zu großer Linksruck die Partei für die Mehrheit der US-Bürger unwählbar machen könnte. Diese Warnung stieß im September der ehemalige Präsident Jimmy Carter aus. Er wolle zwar nicht, dass die linken Demokraten ihre Ziele aufgäben, sagte der heute 94-Jährige dem Sender NBC zufolge. Ihnen müsse allerdings klar sein, dass man Wahlen auch gewinnen müsse, um seine Ziele auch umsetzen zu können. Unabhängige Wähler müssten wissen, "dass sie ihre Stimme den Demokraten geben können". Diesen Graben zwischen den Flügeln müssen die Demokraten vor der Wahl noch zuschütten - vor der Wahl in zwei Jahren, versteht sich.