Deutschlands Untergrund ist reich: an aufgelassenen Bergwerken, Blindgängern aus zwei Weltkriegen, Bodendenkmälern, die zum Beispiel die Römer hinterlassen haben, und an Altlasten in Gestalt von Schadstoffen der mehr oder weniger giftigen Art. All dieses tritt meist erst zutage, wenn die Erde aufgegraben wird, etwa für den Bau eines neuen Hauses oder einen Anbau.
Schlecht für Bauherren, die - Stichwort Pfusch am Bau - häufig schon gut mit oberirdischen Widrigkeiten zu kämpfen haben. Sie tragen das Baugrundrisiko - und somit meist auch alle damit verbundenen Kosten. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, auf Unliebsames zu stoßen, überraschend hoch. Lesen Sie nachfolgend von den häufigsten Gefahren und wie Sie sich gegen sie wappnen können.
Bergwerke - Einsturzgefahr für Kredite
Seit Jahrhunderten graben Menschen nach allem, was sie brauchen können: Erze, Kohle, Salze, Schiefer, Schätze - legal und illegal. Bundesweit verzeichnen Bergbauämter zwei- bis dreimal pro Woche Einstürze früherer Stollen. Diese reißen unterschiedslos Löcher in Wald- und Wohngebiete. Sind entsprechende Schäden eingetreten, hilft der Verband bergbaugeschädigter Haus- und Grundeigentümer weiter. Er unterstützt dabei, Ansprüche zu klären und einzufordern und gibt praktische Tipps zur Schadensregulierung.
Doch Vorsicht: Auf Grundstücken um jüngere Bergwerke ist oft ein Bergschadensverzicht ins Grundbuch eingetragen. Das bedeutet: Selbst wenn sich als Folge des Bergbaus Risse in Mauern und Wänden bilden, sich Wände senken oder das ganze Haus einstürzt - die Eigentümer verzichten darauf, Bergbauunternehmen dafür haftbar zu machen. Die Folge: Bei Aufnahme eines Kredits sind Häuser auf solchen Grundstücken nur schwer zu beleihen. Banken wollen - im Ernstfall - keinen Berg Schutt finanziert haben. Das kann eine Hausfinanzierung bereits bei der Planung zum Einsturz bringen.
Denkmäler gefährden Bauvorhaben
Bauanträge können von den zuständigen Denkmalschutzbehörden geprüft werden. Sie greifen dabei auf Daten zu Verdachtsgebieten zurück, die aufgrund europaweiter Vorgaben gemeldet und öffentlich zugänglich sind. Sind Denkmäler oder Bodendenkmäler im Baugebiet zu vermuten, wird eine Voruntersuchung veranlasst. Treten Funde zutage, steht zu entscheiden: Ist die Fundstelle unter Denk- malschutz zu stellen? Muss das Denkmal ausgegraben werden oder ist es anderweitig zu konservieren? Eventuell muss ein Bauvorhaben entsprechend geändert oder sogar ganz eingestellt werden.
Für die Kosten müssen Veranlasser, wie zum Beispiel Bauantragsteller oder ganz generell die Verursacher der Prüfungen, im Rahmen des Zumutbaren aufkommen. Kommen während des Baus unvermutet Denkmäler zutage, muss der Finder beziehungsweise der Bauherr dies den zuständigen Behörden melden. Bundesweit ergehen jedes Jahr Hunderte von Auflagen denkmalschutzrechtlicher Art.
Haftung nur bei Schweigen mit Vorsatz
Arsen, Benzol, Schwermetalle - derlei Altlasten können überall schlummern, wo industriell gearbeitet wurde oder Abfall entsorgt wurde - ganz gleich ob legal oder illegal. Wissen Verkäufer oder Makler von Verunreinigungen des Bodens, müssen sie Käufer informieren und Preisabschläge hinnehmen. Tun sie dies nicht, können sie haftbar gemacht werden. Dafür müssen Käufer dem Verkäufer jedoch vorsätzliches Verschweigen nachweisen.
Nach Beobachtung des Immobilienvermittlers McMakler wird in Kaufverträgen aber häufig die Gewährleistung komplett ausgeschlossen. Dann können Käufer nicht vom Vertrag zurücktreten, wenn ein Sachmangel offenbar wird, etwa in Form von Altlasten. Interessenten können zwar Altlastenkataster einsehen, typischerweise bei Kommunen oder Landesumweltämtern. Doch diese Verzeichnisse sind nie vollständig und können das auch gar nicht sein. "Einerseits haben sich die rechtlichen Voraussetzungen zur Meldepflicht für Abfälle über die Jahre geändert, andererseits sind wilde Deponien nicht offiziell erfasst", erklärt Matthias Klauser von McMakler.
Ist kein Verursacher haftbar zu machen, bleiben Kosten und Pflichten zur Beseitigung beim Eigentümer hängen. Verseuchtes Erdreich ist teuer auf Sonderdeponien zu entsorgen, Grundwasser eventuell über Jahre zu filtern. Einziger Trost: Entsorgung, Reinigung oder Austausch des Bodens werten das Grundstück auf.
Explosives und Radioaktives im Boden
Bomben, Blindgänger und andere Munitionsreste gelten nicht als Altlast. Nur in einigen Kommunen existieren Karten zur Munitionsbelastung, etwa im schwer belasteten Landau in der Pfalz. Vor dem Kauf eines Grundstücks können sich Interessenten zumindest nach den Beobachtungen des zuständigen Kampfmittelräumdienstes erkundigen.
Im Boden lauern aber auch natürliche Gefahren. So entsteht beim Zerfall von Uran das radioaktive Edelgas Radon. Je nach Untergrund und Abdichtung dringt es bis in Wohnräume. Radon gilt nach Rauchen und Feinstaub als häufigste Ursache für Lungenkrebs. Nach einer Karte des Bundesamtes für Strahlensicherheit zur Radon-Konzentration im Boden sind fast alle Regionen Deutschlands mehr oder minder belastet. Bei privaten Neubauten besteht für Bauherren die Pflicht, ihr Gebäude entsprechend abzudichten. In sogenannten Radon-Vorsorgegebieten, etwa im Schwarzwald, Harz oder Erzgebirge, gelten besonders strenge Auflagen.
Blick auf Karten und ins Grundbuch
Karten sind zwangsläufig unvollständig, kann doch nur verzeichnet werden, was bekannt ist. Doch sie bieten zumindest eine Chance, Risiken vorab zu erkennen und eventuell von einem Kauf oder Bauvorhaben zurückzutreten. In der Regel weiß das Bauamt der Kommune, welche Kataster für eine Region vorliegen und wie sie zugänglich sind. Vor dem Kauf eines Grundstücks sollte ein Blick ins Grundbuch selbstverständlich sein. Dort sind sämtliche Belastungen eingetragen, beispielsweise zu dem erwähnten Bergschadensverzicht, aber auch zu bestehenden Rechten auf Nießbrauch, Vorkauf oder sogenannte Grunddienstbarkeiten. Diese kön- nen Rechte garantieren, etwa zur Nutzung von Wegen, Durchfahrten oder Strom- und Wasserleitungen durch Nachbarn.
Blick in die Tiefe - vor dem Kauf!
Bauantragsteller haben die Pflicht, gegenüber Genehmigungsbehörden die Beschaffenheit des Bodens zu beschreiben, auf dem das gewünschte Gebäude stehen soll. Dafür wird in der Regel ein Gutachten zum Baugrund erstellt. Dies ist auf eigenem Grund Sache des Bauherren. Liegen Gutachten anderer vor, sollten Bauherren diese vor Unterzeichnung eines Kaufvertrags gutachterlich prüfen lassen, rät der Bauherren-Schutzbund (BSB). Geschäftsführer Florian Becker erklärt: "Wird das Gutachten akzeptiert, kann meist kein Ersatz für ‚Schwächen‘ im Baugrund, spätere Schäden oder geringeren Erlös beim Weiterverkauf eingefordert werden." Am besten werden Gutachten vom Bauherren selbst in Auftrag gegeben, idealerweise vor Kauf des Grundstücks. In beliebten Regionen mit mehr Nachfrage als Grundstücken ist eine solche Vorabprüfung allerdings kaum durchsetzbar.
Jeden Cent wert - Bodengutachten
Üblicherweise werden Grund und Boden "nur" auf ihre Tragfestigkeit und Wasserverhältnisse hin geprüft, also geologisch und hydrologisch untersucht. Erst mit diesen Ergebnissen lassen sich Fundament, Statik und Abdichtung eines Gebäudes passend zum Untergrund planen. Ohne Gutachten wird dafür entweder zu viel oder zu wenig ausgegeben. Schäden durch Feuchtigkeit oder Absenkung zu beheben ist kostspielig und im Nachhinein eventuell nur teilweise möglich. Dann sind weitere Schäden programmiert. Ein Bodengutachten bewahrt also vor unnötigen Kosten und vermeidbaren Risiken. Darum sollte nicht daran gespart werden. Je nach Tiefe der Analyse reicht der Festpreis von 700 bis 3000 Euro.
Verdacht auf den Grund gehen
Gutachter sind verpflichtet, auf die Grenzen ihrer Fachkenntnisse hinzuweisen. Ein Hydrologe oder Geologe kann keine Aussagen zu Altlasten oder Archäologie treffen. Vermuten Gutachter jedoch weitere Risiken im Boden, müssen sie Bauherren informieren, aus welchen Bereichen sie Sachverständige hinzuziehen sollten. Eine "eingebaute Kontrollinstanz" haben Bauherren über ihr Tiefbauunternehmen. Denn auch diese sind verpflichtet, Risiken im Boden abzuschätzen. Dafür verlangen sie in der Regel die Vorlage des Baugrundgutachtens, müssen aber auch selbst prüfen, wo etwa Leitungen oder Wasseradern verlaufen.
Schlüsselfertig - auf unsicherem Grund!
Die meisten Häuser werden "schlüsselfertig" gebaut. Dabei wird vertraglich festgelegt, welche Leistungen Bauherren selbst erbringen müssen. Eine häufige Umschreibung dafür: "bauseits". Damit kann gemeint sein, dass Grund und Boden den Planungen entsprechen müssen. Hält der Untergrund dem Haus dann nicht stand, sind daraus folgende Schäden das Problem des Eigentümers. "Vor Bebauung müssen die Bodenverhältnisse dem geplanten Haus angepasst werden, etwa mit einem Bodenaustausch", erklärt Florian Becker. Er empfiehlt folgende Reihenfolge: Erst ein Bodengutachten erstellen beziehungsweise überprüfen lassen, danach den Hausbau planen, und zwar inklusive nötiger Bodenverbesserungen oder spezieller Abdichtungen, das Baugrundgutachten in den Bauvertrag aufnehmen lassen und diesen erst dann unterschreiben.
Fertighaus - ohne Boden oder was?
Baugrundstücke sind Mangelware. Lockangebote werben mit einem passenden Grundstück zum Haus. Grund und Boden seien aber erst nach Unterzeichnung des Bauvertrags zu bekommen. Vorsicht Falle, warnt der BSB. Häufig stelle sich danach heraus, dass das Grundstück entweder überhaupt nicht existiert oder nicht wie vorgesehen bebaut werden kann.
Laut BSB wird dies meist erst nach Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist klar. Wollen Bauherren danach vom Vertrag zurücktreten, können Hausbaufirmen eine Vertragsstrafe verlangen: zehn bis 15 Prozent der Bausumme. Damit ist der Traum vom Eigenheim für viele ganz schnell ausgeträumt. BSB-Geschäftsführer Becker empfiehlt: "Erst den Grundstückskaufvertrag abschließen, eine Auflassungsvormerkung zu eigenen Gunsten im Grundbuch eintragen lassen und erst dann einen Bauvertrag unterschreiben."