Fondsxpress: Herr Ehrhardt, in den vergangenen 20 Jahren hatten Rohstoffe zunächst zehn gute Jahre, dann Aktien. Nur Anleihen liefen seit dem Jahr 2000 durchgängig gut. Kann der Bullenmarkt für Anleihen in den nächsten zehn Jahren noch weitergehen?
Jens Ehrhardt: Anleihen befinden sich in der größten Blase der Wirtschaftsgeschichte. Besonders hart treffen könnte es Unternehmensanleihen, wo relativ niedrige Zinsen und schlechte Bonitäten zusammenkommen. In den USA und Asien haben sich die Unternehmen noch nie so stark verschuldet wie in den letzten Jahren. Das gilt speziell für China.
Hat dies in China bereits Folgen?
Zuletzt wiesen Anleihen, die von chinesischen Privatunternehmen ausgegeben wurden, eine Ausfallquote von 4,5 Prozent aus. Bei den Staatsunternehmen,
die regelmäßig von der Regierung beziehungsweise den Staatsbanken gerettet werden, betrug die Ausfallquote nur 0,2 Prozent.
Sprechen wir über Aktien. Wie attraktiv sind sie in den nächsten zehn Jahren?
Wahrscheinlich wird die Weltwirtschaft die nächsten zehn Jahre real sehr wenig expandieren - und am Anfang der Dekade vermutlich auch nominal. Die niedrige Inflation macht es Unternehmen zudem schwer, selbst nominal befriedigende Gewinne zu erzielen.
Welche Aktien oder Sektoren könnten dann noch profitieren?
In einem solchen Umfeld sollten defensive Aktien die besten Aussichten haben. Zum Beispiel Versorger, die von der steigenden Nachfrage nach Elektrizität im Zuge des digitalen Zeitalters profitieren dürften. Staatlich regulierte Versorger erscheinen als besonders sicheres Investment und sind wegen der hohen Renditen eine interessante Alternative zu zinslosen Staatsanleihen.
Müssen sich Anleger bei Aktien und Anleihen künftig also auf niedrigere Renditen einstellen?
Ja, bei einem niedrigen realen Wirtschaftswachstum dürften die zu erwartenden realen und nominellen Renditen in den nächsten Jahren sehr niedrig sein. Im Vergleich zu Anleihen erscheinen solide Aktien aber immer noch haltenswert und unterbewertet.
Was halten Sie von US-Aktien? Diese liefen in den vergangenen zehn Jahren weltweit am besten.
Seit 2009 hat sich die US-Börse wesentlich besser als die meisten anderen Aktienmärkte entwickelt, weil die Unternehmen für über fünf Billionen US-Dollar eigene Aktien zurückgekauft haben. Diese erhöhte Nachfrage führte zwangsläufig zu einer Aktienhausse, weil sich das Aktienangebot verknappt hat. Denn in den vergangenen 20 Jahren sank der Aktienanteil um rund ein Drittel.
Welche weiteren Effekte gab es zugunsten von US-Aktien?
Auch wegen der Steuersenkung haben sich die US-Gewinne und US-Aktien besser entwickelt. Ebenso wegen der permanent steigenden Staatsdefizite, die mittlerweile die höchsten in Friedenszeiten sind.
Inwiefern bleiben steigende Gewinne eine Triebfeder für US-Aktien?
Es ist realistisch, dass die Gewinne in den nächsten Jahren fallen werden, sodass weniger Kaufkraftpotenzial für den Aufkauf eigener Aktien besteht.
Wie schätzen sie Technologiewerte ein, die zuletzt enorm haussiert haben?
Der Siegeszug der Technologiewerte könnte selektiv anhalten. Wie die Einkäufe im Internet gezeigt haben, geht dies aber zulasten anderer Branchen.
Was bedeutet dies für einen Vermögensverwalter?
Die Selektion am Aktienmarkt wird noch wichtiger als bisher. Die Indizes haben schon bisher eine zu gute Börse signalisiert. Denn die Titel, die darin hoch gewichtet sind, haben die Indizes künstlich nach oben getrieben. Bei den meisten Aktien ging es schon seit Jahren weniger stark nach oben als bei den großen Indizes.
Wie beurteilen Sie den Konflikt zwischen den USA und China? Sie kennen China ja auch sehr gut.
Die USA werden versuchen, den Aufstieg Chinas mit allen Mitteln zu bremsen. Die USA können China im nuklearen Zeitalter aber nicht mehr durch Kriege bekämpfen, sondern seinen Anstieg nur wirtschaftlich bremsen. Solche Bemühungen können allerdings auch kontraproduktiv wirken.
Inwiefern kontraproduktiv?
China wird dadurch gezwungen, die eigene Entwicklung zu forcieren und sich Staaten außerhalb der USA mehr zu öffnen. Es könnte so zu einer wirtschaftlichen und politischen Spaltung der Welt kommen. Die USA dürften vermehrt Sanktionen gegen Länder verhängen, die den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas fördern. China könnte seinerseits mit einer entsprechend gegenteiligen Taktik gerade Europa und Japan sowie andere asiatische Länder unter Druck setzen.
Was bedeutet Ihr künftiges Szenario für Edelmetalle?
Die wachsende weltweite Unsicherheit sollte Edelmetalle begünstigen, am meisten Gold und Palladium. Auch Edelmetall-Aktien sollten vor einem langfristigen Comeback stehen.