trotz oder gerade wegen der hohen Skepsis hat unser DAX gestern ein von den Medien viel beachtetes Allzeithoch generiert. Das bisherige Hoch aus dem Februar 2018 wurde für kurze Zeit überboten, bevor die Käufer Respekt vor ihrer eigenen Courage bekamen.
Als kritische Anleger sollten wir uns fragen, wovor wir uns eigentlich fürchten sollten? Es stimmt zwar, dass der DAX in den vergangenen zwölf Monaten um etwa 25 % nach oben geschossen ist. Richtig ist aber auch, dass er sich dadurch nur aus dem tiefen Tal einer total übertriebenen Korrektur befreit hat. Per Saldo treten wir also seit genau zwei Jahren auf der Stelle, obwohl sich die Firmengewinne in den meisten Branchen sehr ordentlich entwickelt haben.
Wenn wir den DAX als Kursindex betrachten, also ohne die einfließenden Dividenden, wodurch er übrigens mit den meisten globalen Indices vergleichbar wird, befinden wir uns sogar heute noch unterhalb des Hochs von 2018. Schlimmer noch, wir notieren sogar unterhalb des Hochs aus dem Frühjahr 2015 und in fast exakt auf dem Hoch der Internet-Blase des Frühjahrs 2000. Es ist also weit und breit keine Übertreibung festzustellen - ganz im Gegenteil sehe ich hier ein echtes Trauerspiel, wenn wir die Performance der meisten deutschen Indizes mit den amerikanischen vergleichen.
Das große Bild: kein Grund für Nervosität
Die folgende Grafik vermittelt Ihnen dazu einen Eindruck und zeigt Ihnen, wie groß die Performance Lücke zwischen dem DAX und dem amerikanischen S & P 500 aktuell ist.
Quelle: comdirectbank
Die schwarze Linie zeigt den S & P 500 in den vergangenen Jahren, die grüne den DAX als Kursindex, also ohne Dividenden und macht dadurch den deutschen Index mit dem amerikanischen überhaupt erst vergleichbar. Wie Sie im linken Bereich der Grafik sehen, konnte der DAX in der ersten Jahreshälfte 2015 noch mit dem S & P 500 Index mitteilten, also vor Bekanntwerden des Diesel-Betrugs und dem Beginn der Autokrise. Besonders deutlich lief die Entwicklung im Jahr 2018 auseinander und auch die Aufholjagd der Börsen seit Neujahr 2019 konnte die auseinanderklaffende Schere nicht verkleinern. Um etwa 50 % liegt die Entwicklung unseres DAX hinter dem S & P 500 Index. Verursacht wurde die schlechte Entwicklung des DAX vor allem von den kriselnden Banken und Autos. Auch der traditionell sehr exportstarke Maschinenbau hat es in den Zeiten von Handelskriegen nicht gerade einfach. Vor allem von der Innovationskraft dieser Branchen wird die Performance der deutschen Indizes in den nächsten Jahren abhängen.
Ob der große Performance-Lücke zwischen DAX und S & P 500 berechtigt ist oder nicht, werden wir erst in der Zukunft erleben. Jedenfalls hören wir die Klage von Analysten, dass deutsche Aktien günstig bewertet seien im Vergleich zu US-Papieren bereits seit vielen Jahren. Dieses Mantra finde ich etwas nervig und überflüssig, da an der Börse die Zukunft und nicht die Vergangenheit gehandelt wird. Wenn man bedenkt, dass wir uns vor allem mit Transferleistungen und weniger mit Innovationen und Technologie beschäftigen, müssen wir leider damit rechnen, dass sich an der schlechteren Performance deutscher Aktien auch zukünftig wenig ändern wird.
Kann der DAX sein Hoch vereidigen?
Doch lassen wir uns die gute Laune nicht verderben und werfen einen Blick auf den gelassenen P & F Chart des DAX. Diese ruhige Darstellung hat nämlich den großen Vorteil, dass die störenden Nebengeräusche aus dem Trend herausgefiltert werden und wir private Anleger uns nicht andauernd den Kopf zerbrechen müssen und schlimmstenfalls von den meist gut informierten Profis sogar aus unseren Positionen gedrängt werden. Dies ist fast immer ein schwerer Fehler, die meisten privaten Anleger tendieren dazu, die Stärke eines Trends zu unterschätzen und sich viel zu früh von guten Aktien zu trennen. Die gelassenen P & F Charts sind ein gutes Mittel, seine Emotionen im Griff zu behalten und ein besserer Anleger zu werden.
Sehr gut erkennen Sie im rechten Bereich den nach dem holperigen Jahresauftakt sehr überraschenden Durchbruch am vermeintlich starken Widerstand bei 13.450 Punkten. Wer hätte dies zum Zeitpunkt des Drohnenangriffs auf den iranischen General und Terroristen Suleimani ernsthaft vermutet? Daran erkennen wir, dass die hohe Skepsis gegenüber Aktien deren wertvollster Verbündeter ist. Nach wie vor sind viele Investoren angesichts der anhaltenden Null-Zins-Phase zu gering investiert und die Kurse können weiterhin an der berüchtigten Mauer der Angst emporklettern. Entsprechend der Philosophie der P & F Technik liegt wegen des starken "Punch" der Bullen das aktuelle Kursziel bei mindestens 14.500 Punkten. Darauf deutet die Anzahl und die Länge der sich im eingezeichneten Seitwärtstrend abwechselnden steigenden X- und fallenden 0-Achsen.
Etwas eintrüben würde sich das positive Bild, falls der DAX bei 13.400 erneut in den Seitwärtstrend eintauchen würde. Richtig unangenehm würde es aber erst, falls bei 12.900 Punkten ein Verkaufssignal ausgelöst würde und dabei auch die seit dem vergangenen August intakte aufsteigende Unterstützungsgerade unterschritten würde.
Aber wie gesagt, bis auf weiteres ist die Charttechnik des DAX sehr positiv und auch ein jetzt völlig normales Atemholen der Kurse wäre wirklich kein Beinbruch. Eine moderate Konsolidierung wäre sogar wünschenswert und würde wahrscheinlich neue Käufer anlocken und den Aufwärtstrend verlängern. Falls Sie sich für die Philosophie der P & F Charts interessieren, beachten Sie bitte auch meinen wöchentlichen sehr informativen Newsletter.
Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Tag und viel Erfolg mit ihren Investitionen,
Ihr Klaus Buhl
Klaus Buhl, Geschäftsführer der Libra Invest GmbH (www.libra-invest.de), bekennender Anhänger von Point and Figure Charts und der Philosophie des "inneren Marktes".