Finanzminister Olaf Scholz erntet für seine Pläne einer Aktiensteuer viel Kritik, auch innerhalb der Bundesregierung. Der SPD-Politiker kündigte am Dienstag in Berlin eine baldige Verständigung auf europäischer Ebene an. "Wir sind jetzt am Ende der Kurve und können den Schlussspurt einlegen." Er rechnet mit Einnahmen von anfänglich rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr, die hauptsächlich zur Finanzierung der Grundrente verwendet werden sollen. Es sollen künftig aber nur bestimmte Aktiengeschäfte besteuert werden, Finanzwetten wie Derivate dagegen nicht. Das ist für viele Experten die falsche Lehre aus der Finanzkrise, für Scholz das politisch jetzt Mögliche.
Der Vize-Kanzler hat gerade von seinen Beamten im Finanzministerium einen Rechtsrahmen ausformulieren lassen und an seine europäischen Kollegen verschickt. Neben Deutschland machen auch Belgien, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien und die Slowakei mit. Andere Staaten dürften sich später anschließen, so Scholz. Bei der konkreten Ausgestaltung hätten die Länder individuelle Spielräume. Vorgesehen ist eine Höhe der Steuer von 0,2 Prozent des Geschäftswerts. Das soll aber nur für Papiere von Unternehmen gelten, die mehr als eine Milliarde Euro wert sind. In Deutschland sind das 145 Konzerne, in den zehn EU-Staaten zusammen über 500.
Bei der CDU bremsten mehrere führende Wirtschaftspolitiker. Die Pläne seien "pures Gift für den Investitions- und Finanzstandort", sagte Joachim Pfeiffer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Denn Steuererhöhungen senden ein völlig falsches Signal." Carsten Linnemann ergänzte, die Steuer würde es für viele Sparer schwerer machen, angesichts von Nullzinsen und hohen Immobilienpreisen ihr Vermögen über Aktien zu mehren. "Deswegen darf sie so nicht kommen."
"ETIKETTENSCHWINDEL" UND "SYMBOLPOLITIK"
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach von einem Etikettenschwindel. "Die Lehre aus der Finanzkrise 2008 war, dass man hochgefährlichen Handel besteuert und langfristige Anlagen schützt." Scholz mache aber das Gegenteil: "Großanleger, die viel in kurzer Zeit verschieben, werden verschont. Wer langfristig Aktien anlegt, das sind unter anderem Kleinanleger, wird besteuert." Laut Grünen-Europapolitiker Sven Giegold würde eine "echte Transaktionssteuer" Scholz zwölf Milliarden Euro in die Kasse spülen.
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sprach von reiner Symbolpolitik. "Wer sich gegen die Finanztransaktionssteuer ausspricht, stellt sich zugleich gegen die Grundrente", kritisierte DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. "Diese Verquickung ist allein taktisch und Herr Scholz spielt damit Bevölkerungsgruppen unfair gegeneinander aus." Mit der Grundrente will die große Koalition ab 2021 Menschen besserstellen, die mindestens 35 Jahre gearbeitet haben, aber trotzdem nur eine Mini-Rente bekommen. Bisherigen Angaben zufolge wird dafür mit Kosten von bis zu 1,5 Milliarden Euro pro Jahr gerechnet, mindestens eine Milliarde davon soll durch die Transaktionssteuer finanziert werden.
Kritik kam auch aus der FDP: Die Pläne träfen nicht Spekulanten. "Betroffen sind aber ganz normale Kleinsparer, die Geld etwa für die Altersvorsorge oder ihre Kinder anlegen", sagte FDP-Experte Florian Toncar der Nachrichtenagentur Reuters. "Auch Lebensversicherungen und Versorgungswerke, die sich um die Altersvorsorge von Millionen Menschen kümmern, werden die Steuer zahlen." Die Einnahmen würden zudem auf alle teilnehmenden Länder verteilt. "Das bedeutet, dass die Einnahmen, die diese Steuer in Deutschland bringt, gar nicht alle beim deutschen Finanzminister landen werden."
Seit 2011 gibt es auf EU-Ebene Verhandlungen zur Finanztransaktionssteuer. Ein konkreter Gesetzentwurf von Scholz wird momentan noch erarbeitet.
rtr