Für die deutschen Lebensversicherer bringt die Zinswende der Notenbanken einschneidende Veränderungen mit sich. So verbessern sich die Solvenzquoten der Branche deutlich, wie die Finanzaufsicht Bafin und die Ratingagentur Assekurata festgestellt haben. Auch müssen die Versicherer nicht weiter die sogenannte Zinszusatzreserve aufstocken - einen Kapitalpuffer von mittlerweile fast 100 Milliarden Euro Umfang, mit dem Zinsgarantien aus Altverträgen bilanziell abgesichert werden.

Vielmehr sind laut Ratingagentur Assekurata schon ab kommendem Jahr milliardenschwere Rückflüsse aus diesem Kapitalpuffer zu erwarten. "Die zuletzt abrupt gestiegenen Zinsen führen zu einer völlig neuen Situation", erläutert Assekurata-Experte Lars Heermann im gerade vorgestellten "Marktausblick zur Lebensversicherung". Dass die Aussichten der Assekuranzen doch nicht so rosig erscheinen, liegt an der konjunkturellen Eintrübung und der Preisteuerung, die bereits zu einem Nachfragerückgang bei Lebensversicherungsprodukten führen. "Die hohe Inflation schränkt die Sparmöglichkeiten vieler Bürger ein und zehrt an der Realverzinsung der Po- licen", sagte Assekurata-Geschäftsführer Reiner Will.

Prämienbestand geht zurück


Gleichzeitig könnten konkurrierende Bankprodukte bei weiter steigenden Zinsen wieder attraktiver werden. Dieser Effekt stelle sich aber typischerweise erst zeitversetzt ein, wenn die Banken die höheren Zinsen auch tatsächlich an ihre Kunden weitergeben, so Will. Assekurata rechnet für 2022 mit einem Rückgang des Prämienbestands in der Lebensversicherung von einem Prozent. Im Vorjahr lag das Minus bei 1,7 Prozent.

Der oberste Versicherungsaufseher der Bafin, Frank Grund, hatte zuvor mit Blick auf die steigenden Zinsen vorsichtige Entwarnung für die Branche gegeben. Die Solvenzquoten hätten stark positiv auf den Zinsanstieg reagiert. Er rechne damit, dass sie sich weiter verbesserten. Die Solvenzquote gibt an, ob die Unternehmen über genug Eigenmittel verfügen, um eine schwere Wirtschaftskrise zu überstehen.

Bei den insgesamt 80 deutschen Lebensversicherern entspannt sich nach Bafin-Angaben die Lage. Standen Anfang des Jahres noch 20 Gesellschaften unter strenger Beobachtung der Bafin, seien es jetzt nur noch 15. Grund äußerte sogar die Erwartung, dass die Lebensversicherer nun auch wieder höhere Überschussbeteiligungen bieten könnten, die seit der Finanzkrise deutlich heruntergefahren wurden. Daran glauben die Assekurata-Experten allerdings nicht. Die frei werdenden Mittel würden wohl eher mit stillen Lasten verrechnet.