Bisher läuft es für den Konzern in diesem Jahr nicht schlecht: Vor allem in China können die Wolfsburger derzeit mehr Fahrzeuge verkaufen. Das ist bemerkenswert, immerhin ist China der wichtigste Automarkt der Welt. Das unterstützt die Aktie kurzfristig ebenso wie die Absicht des Konzerns, seine Dividende anzuheben. Und schließlich will VW seine Nutzfahrzeugsparte Traton abspalten und an die Börse bringen. In der Regel sorgen solche Abspaltungen für Kursgewinne bei der Aktie des Mutterkonzerns. Insgesamt also sieht auf kurze Sicht nicht schlecht für die VW-Aktie aus.

Aber: Investoren werden auch erwarten, dass sich VW über die zukünftigen Herausforderungen äußert. Gleich mehrere Baustellen hat der Konzern da: Zum einen der Umstieg auf die Elektromobilität, was Volkswagen erst einmal viel Geld kosten wird. Und von dem nicht klar ist, ob das Unternehmen überhaupt zu den Gewinnern dieser Entwicklung zählen wird. Dazu kommt der Trend zu selbstfahrenden Autos. Hier haben sich die deutschen Konkurrenten Daimler und BMW gerade zu einer Allianz verbündet, um die Entwicklung solcher Fahrzeuge gemeinsam voranzutreiben. Auch VW wird in diesem Bereich viel Geld für die Forschung in die Hand nehmen müssen, was sich negativ auf die Profitabilität auswirken wird. Dazu kommt der nach wie vor belastende Dieselabgas-Skandal, der die Wolfsburger einfach nicht loslässt. Neben den reinen finanziellen Belastungen wirkt sich dieser Skandal auch generell auf die Glaubwürdigkeit des gesamten Konzerns negativ aus.

Und das ist in Zeiten, in denen Umweltthemen und Nachhaltigkeit bei Investoren immer wichtiger werden. Wie stark sich das auswirkt, zeigt sich etwa beim norwegischen Staatsfonds, immerhin der größte Staatsfonds der Welt. Der hat sich im vergangenen Jahr von der Hälfte seine VW-Aktien getrennt, wie kürzlich bekannt wurde. Die VW-Anteile wurden von 1,32 Prozent im Jahr 2017 auf 0,77 Prozent Ende 2018 reduziert. Grund sind weniger die VW-Geschäftszahlen als vielmehr seine Geschäftspraktiken.

Seit rund zehn Jahren fordern die Norweger eine verantwortungsvollere Unternehmensführung und reagierten entsetzt auf den Dieselskandal. Der Chef des Fonds, Yngve Slyngstad, bezeichnete 2016 die Führungsstruktur bei VW im Zusammenhang mit dem Abgasskandal gegenüber der "Financial Times" als "komplex und problematisch". Er habe aus Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass VW die Sorgen der Investoren nicht ernst nehme. "Sie hören offensichtlich nicht zu", sagte Slyngstad damals.

Die VW-Aktie bildet dieses Gemisch ab: Wegen der unsicheren Perspektiven ist sie sehr günstig bewertet. Das KGV liegt bei 6, sie kostet gerade mal das 0,7-fache des Buchwerts und pro Euro Umsatz werden an der Börse 0,30 Euro bezahlt. Längerfristig orientierte Anleger sollten dennoch erst einmal abwarten, welche Perspektiven der Konzern für die Zukunft aufzeigt.