Die Notenbanken der USA und Europas stehen im September vor entscheidenden Zinssitzungen. Die Märkte haben sich in den vergangenen Tagen auf eine straffe Gangart der Währungshüter eingestellt, wenn die EZB am 8. und insbesondere die Fed am 21. September die geldpolitischen Weichen stellen. Bei der Fed wird mit einer weiteren Anhebung der Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte gerechnet, einige Marktteilnehmer erwarten sogar 0,75 Prozentpunkte. Bei der EZB steht ebenfalls ein erneuter kräftiger Zinsschritt an, nachdem die Notenbank im Juli die Zinswende mit einer Anhebung um einen halben Punkt eingeleitet hatte. Es war die erste Anhebung seit über einem Jahrzehnt.

Aufschluss über das Feintuning der Amerikaner könnte die Rede von Fed-Chef Jerome Powell an diesem Freitag auf dem jährlichen Notenbanker- treffen in Jackson Hole liefern (nach Redaktionsschluss). "Das Treffen in Jackson Hole in Wyoming ist immer wichtig", erläutert Marktstratege Christian Henke vom Handelshaus IG Markets. "Gerade in diesem Jahr dürfte aber jedes Wort vor allem von Fed-Chef Powell auf die Goldwaage gelegt werden. Die Aussagen werden nicht nur penibel analysiert, sondern prägen die Entwicklung an den Märkten für die nächsten Wochen."

Notenbanken stehen vor Dilemma


Zur Wochenmitte haben schwächere Konjunkturdaten aus den USA, insbesondere ein rückläufiger S & P-Einkaufsmanagerindex, bei einigen Marktteilnehmern Hoffnungen beflügelt, die Fed könnte bei ihrem nächsten Zinsschritt im September doch nicht so aggressiv vorgehen. Auf der anderen Seite steht die Sorge von Anlegern und Investoren, die Fed könnte in ihrem Kampf gegen die hohe Inflation überziehen und der Konjunktur massiv schaden.

Vor demselben Dilemma steht die EZB. Die Inflationsaussichten hätten sich seit der Juli-Sit-zung nicht verbessert, sagte Notenbankdirektorin Isabel Schnabel kürzlich. "Im Juli entschie-den wir uns für eine Anhebung um 50Basispunkte angesichts des Inflationsausblicks. Im Moment denke ich nicht, dass sich dieser Ausblick grundlegend geändert hat."

Die EZB sei gefangen zwischen zwei Risiken: dem Verlust der Kontrolle über die Inflationserwartungen und einer noch stärkeren Abschwächung der Wirtschaft, erläuterte DIW- Präsident Marcel Fratzscher gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Importierte Inflation


Dagegen sei die Fed in einer ganz anderen Situation. "Im Euroraum sind 70 Prozent der In-flation importiert, in den USA dagegen 70 Prozent hausgemacht durch starken Konsum und viele Investitionen." Gegen importierte Inflation könne die EZB jedoch wenig ausrichten. "Sie muss aber ihre Glaubwürdigkeit schützen und das Vertrauen in ihr Inflationsziel verankern", sagt Fratzscher.

Auch am Devisenmarkt stellten sich die Anleger unterdessen auf klare Zinssignale von Fed- Chef Powell ein. Bereits zu Wochenbeginn war der Euro mit 0,9899 Dollar auf den niedrigsten Wert seit 20 Jahren gefallen. Im Juli hatten die drohende Rezession in der Eurozone und der wachsende Zinsabstand zu den USA den Kurs des Euro erstmals seit 2002 unter einen Dollar rutschen lassen. Am Donnerstag schaffte es der Euro zwar kurzfristig wieder über die Parität. Experten gehen aber davon aus, dass die europäische Währung weiter unter Druck bleibt und gegenüber dem Dollar sogar noch deutlicher fallen könnte.

Laut Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege von Robomarkets, könnte dies die Konjunktursorgen an den Börsen weiter anfachen. Denn nicht nur Importe dürften sich verteuern, auch die ohnehin steigenden Energiepreise würden durch einen schwachen Euro nochmals erhöht. An den Energie- märkten bleibt die Lage weiter angespannt. Die verschärften Sorgen um die Gasversorgung Westeuropas infolge der von Gazprom angekündigten Lieferunterbrechung über Nord Stream 1 trieben die Gaspreise weiter an.