Der Warner-Clan - der Familienname lautete eigentlich Wonsal - stammt ursprünglich aus dem polnischen Dorf Krasnosielc nördlich von Warschau, das Ende des 19. Jahrhunderts noch zum russischen Kaiserreich gehörte. 1888 war erst der Familienvater Benjamin, ein Schuhmacher, nach Amerika emigriert. Der Brief eines ausgewanderten Freundes hatte ihn dazu bewogen: "Du musst nach Baltimore kommen. Alle tragen hier Schuhe. Dies ist das Land des Reichtums, und in den Straßen fließt Gold". Doch in Baltimore erwartete ihn bittere Armut. Er mietete einen kleinen Laden und hängte ein handgeschriebenes Plakat ins Schaufenster: "Ich repariere Ihre Schuhe während Sie warten". Das war neu. Er verdiente zwei, manchmal drei Dollar am Tag. Ein Jahr später ließ Benjamin Wonsal die Familie nachkommen, darunter die drei Söhne Harry, Albert und Samuel. Jack wurde 1892 geboren, als die Wonsals bereit in der "Neuen Welt" angekommen waren.
Die Emigration war eigentlich eine Flucht gewesen. "Nächtliche Angriffe von Kosaken, abgefackelte Häuser und Vergewaltigungen gehören zum Alltag der Juden im Schtetl", beschrieb später der Biograph Bob Thomas das alte Leben der jüdischen Familie in Krasnosielc.
Die Warners, wie sich die Emigranten jetzt nannten, landeten schließlich in Youngstown in Ohio. Die glanzlose, dreckige Stahlstadt war ein hartes Pflaster. Banden und die sizilianische Mafia regierten, es herrschte bittere Not. Doch die Warner-Brüder hatten auf ihrer Flucht gelernt, sich durchzusetzen und zu überleben. Die Familie schlug sich erst mit dem Verkauf von Fahrrädern, Seife und Eiscreme durch und eröffnete später eine Metzgerei. Die Brüder überzeugten schließlich den Vater, seine goldene Uhr und das familieneigene Pferd beim Pfandleiher zu versetzen und für 1000 Dollar einen gebrauchten Edison-Filmprojektor anzuschaffen. Damit zeigten sie auf Jahrmärkten in Youngstown den 1903 gedrehten tonlosen Zwölf-Minuten-Western "Der große Eisenbahnraub".
Die Film-Show kam gut an, und mit dem Gewinn - bereits nach einer Woche waren es 300 Dollar - konnten sich die Brüder bald ihr erstes Kino leisten. Später zogen sie nach Kalifornien und begannen, selbst Filme zu produzieren. 1918 erwarben sie die Rechte an dem Bestseller-Roman "My Four Years in Germany". Darin schilderte der US-Diplomat James Gerard seine Erfahrungen als Botschafter in Berlin in der Zeit von 1913 bis 1917.
Mit diesem patriotischen Stummfilm über angebliche deutsche Kriegsgräuel sollten vor allem die amerikanischen Kriegsanstrengungen verstärkt werden. Er wurde ein Kassenschlager: Der 108-Minuten-Film spielte 1,5 Millionen Dollar ein - für die Warner Brüder blieb ein Nettogewinn von 130 000 Dollar. "Es gibt keinen Film-Clan, der so viele geniale unternehmerische Entscheidungen getroffen hat", schrieb die "Frankfurter Allgemeine".
Start in der Traumfabrik
1923 gründeten die vier Brüder in Hollywood ihr eigenes Studio. Sie hatten einen guten Riecher für familientaugliche Stoffe und schöpften das Potenzial des Tonfilms frühzeitig aus: Das Musical-Drama "The Jazz Singer", das 1927 in die Kinos kam, in dem der Sohn einer orthodoxen jüdischen Familie gegen den Willen des Vaters das Rampenlicht sucht, war der erste abendfüllende Tonfilm. Das Publikum war begeistert, der Stummfilm, der die Warner Brothers groß gemacht hatte, gehörte nun der Vergangenheit an. Aber der Triumph war mit einem bitteren Schicksalsschlag verbunden. Sam, der als erster der Brüder an den Tonfilm geglaubt hatte, starb am Tag vor der Weltpremiere von "The Jazz Singer" an Erschöpfung. Er wurde nur 40 Jahre alt.
In den Dreißigerjahren setzten die Brüder auf ein neues Genre: Gangsterfilme - düstere Billigproduktionen über Gewalt, Sex und Drogen, die den Mythos des Gangsters zelebrierten und Schauspieler wie James Cagney weltberühmt machten.
Der enorme finanzielle Erfolg dieser frühen Tonfilme ermöglichte es den Warner Brothers, eines der ganz großen Filmstudios Amerikas zu werden. Sie galten als die Könige Hollywoods. In den Dreißigerjahren produzierten sie etwa 100 Kinofilme pro Jahr und kontrollierten 360 Kinos in den USA und zudem mehr als 400 Kinos im Ausland.
Vor und während des Zweiten Weltkriegs drehten die Warners so viele Anti-Nazi-Filme, dass man, wie sich die Presse mokierte, ihr Studio am Sunset Boulevard in Los Angeles als verlängerten PR-Arm der Regierung in Washington bezeichnen konnte. Die Warners waren lange Zeit auch das einzige der fünf großen Hollywood-Studios, das gegen die Nazis Stellung bezogen hatte.
Erfolge und Zerwürfnis
Höhepunkt war im Jahr 1942 die Romanze "Casablanca" mit Ingrid Bergman und Humphrey Bogart in den Hauptrollen. Der mit drei Oscars ausgezeichnete Kultfilm handelt von politisch Verfolgten, die vor den Nazis aus Europa über die von den Franzosen besetzte marokkanische Stadt Casablanca nach Amerika fliehen wollen, und von einer Dreiecks-Liebesgeschichte zwischen dem amerikanischen Nachtklubbesitzer Rick, der jungen Norwegerin Ilsa und dem tschechischen Widerstandskämpfer Victor Laszlo. "Casablanca" war als Propagandafilm konzipiert. Die amerikanische Öffentlichkeit, die damals mehrheitlich gegen eine Beteiligung der USA am Zweiten Weltkrieg war, sollte davon überzeugt werden, durch einen Kriegseintritt Eroberungsfeldzüge Großdeutschlands zu stoppen.
Die Erfolgsgeschichte von Warner Brothers endete als Tragödie. In den Fünfzigerjahren trübte sich das Verhältnis zwischen den drei noch lebenden Brüdern ein. Der endgültige Bruch erfolgte 1956. Die Brüder beschlossen, das Studio zu verkaufen. Der Verkaufspreis: 22 Millionen Dollar. Indes beauftragte der jüngste Bruder Jack einen Strohmann, den Bostoner Banker Serge Semenenko, hinter dem Rücken von Albert und Harry für ihn die Aktienmehrheit zu erwerben, und ernannte sich anschließend selbst zum Präsidenten. Die Beziehung zwischen den Brüdern ließ sich nach Jacks Alleingang nicht mehr kitten. Albert und Harry sprachen nie mehr ein Wort mit ihm. Als Harry 1958 starb, erschien Jack nicht einmal zur Beerdigung.
Jack Warner blieb Präsident bis 1969. Dann trat er in den Ruhestand. Er starb 1978. Heute ist das Warner Brothers Studio Teil des Time-Warner-Konzerns.