Um erfolgreich zu investieren, ist es unserer Meinung nach unerlässlich, vor jeder Transaktion auch zwingend die Bewertung der Aktie zu analysieren. Für diese Bewertungsanalyse kann auf viele Kennzahlen zurückgegriffen werden; am geläufigsten ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Dabei wird der Kurs einer Aktie durch den Gewinn pro Aktie geteilt. Das Ergebnis lässt sich als Anzahl in Jahren verstehen, welche die Aktie gehalten werden muss, bis sich das Investment aus dem Gewinn zurückgezahlt hat. Das KGV hat aber zwei gravierende Nachteile, die es zu einer eher plumpen Kennzahl machen.
Zum einen setzt es im Zähler ausschließlich auf den Kurswert der Aktie, also nur den Marktwert des Eigenkapitals. Fremdkapital bleibt indes unberücksichtigt. Wie hoch verschuldet ein Unternehmen ist, also wie viel Risiko in der Bilanz steckt, spielt hier keine Rolle. Damit stellt das KGV Geschäftsmodelle mit hoher Verschuldung (etwa kapitalintensive Zykliker) besser dar als solche mit geringer Verschuldung (etwa defensive Qualitätsunternehmen). Der zweite Nachteil des KGV zielt auf den Nenner der Formel; dort wird der Gewinn verwendet. Der Gewinn eines Unternehmens wird jedoch unabhängig von den tatsächlichen Geldflüssen ermittelt. Damit ist er beeinflussbar und stellt nicht zwangsläufig die tatsächliche zugrundeliegende operative Geschäftsentwicklung dar. Annahmen des Managements zur Abschreibungsdauer oder die Modalitäten der Umsatzrealisierung können hier eine deutliche Verzerrung auslösen. Darüber hinaus lässt die reine Angabe des Gewinns keine Aussage über die Gewinnqualität des Unternehmens zu. Auch können daraus keine Rückschlüsse gezogen werden, ob eine hohe oder niedrige Verzinsung auf das investierte Kapital vorliegt.
Die Kennzahlen Verhältnis von Unternehmenswert (Enterprise Value EV) zu operativem Ergebnis (Ebit), EV/Ebit, und freie Cashflow-Rendite (Free Cash Flow Yield) haben diese Unzulänglichkeiten nicht, was für uns als Investoren in Qualitätsunternehmen entscheidende Bedeutung hat. Der Unternehmenswert setzt sich zusammen aus der Marktkapitalisierung und der Netto-finanzverschuldung eines Unternehmens. Der Einbezug der Schulden ist wichtig, denn Schulden erhöhen das Investmentrisiko und damit die Schwankungen einer Aktie.
Erst mit dieser Kennzahl ist ein aussagekräftiger Vergleich verschiedenster Unternehmen möglich, beispielsweise eines Stahlunternehmens mit einem Nahrungsmittelhersteller. Bei EV/Ebit gilt: je niedriger die Kennzahl, desto attraktiver die Bewertung.
Die Free Cash Flow Yield ist eine Prozentangabe, die das Verhältnis des freien Cashflow (Free Cash Flow) zum Aktienkurs widerspiegelt. Der Free Cash Flow ist der verfügbare Geldbetrag, wenn vom Umsatz alle cashwirksamen operativen Ausgaben sowie die für den Fortbestand des Unternehmens notwendigen Investitionen abgezogen werden. Dieses Geld kann für Investitionen in Wachstum inklusive Übernahmen, Schuldentilgung oder für Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufe verwendet werden. Firmen mit einem hohen und kontinuierlichen Free Cash Flow sind unabhängiger vom Kapitalmarkt und können volkswirtschaftliche Schwächephasen, in denen Kapital nur eingeschränkt verfügbar ist, besser meistern. Je höher die Free Cash Flow Yield, desto attraktiver die Bewertung.
EV/Ebit und freie Cashflow-Rendite sind dem KGV überlegen, weil sie einen fairen Vergleich ermöglichen. Auch beantworten beide Kennzahlen die zentralen Fragen, die sich ein Investor stellen muss, um die Qualität eines Unternehmens zu erkennen. Wie nachhaltig und in welcher Höhe erwirtschaftet das Unternehmen Überschusskapital, dass für künftiges Wachstum und/oder dem Aktionär zur Verfügung steht? Wie hoch ist das Schuldenniveau? Gerade in Zeiten niedriger Zinsen, wenn sich scheinbar jede Investition rechnet, gilt es hier, die Latte hoch zu legen.