von Martin Blümel

Vergangene Woche starteten wir hier mit der Aussage: "Das sieht doch gar nicht so schlecht aus." Diese Woche könnten wir das erneut tun. Denn allen Unkenrufen zum Trotz geht es an den Märkten nach oben. Unser seit Wochen wiederholter Rat, an schwächeren Tagen nachzukaufen, war und ist also gültig.

Und das, obwohl - oder eben vielleicht gerade, weil - derzeit noch viele grundlegende politische Entscheidungen getroffen werden, die auch Auswirkungen auf Wirtschaft und Finanzmarkt haben. Am 21. Juni beispielsweise gibt das Bundesverfassungsgericht bekannt, ob denn der Anleiheaufkauf durch die Bundesbank rechtmäßig ist. Wenn nicht, dann hätte die Europäische Zentralbank EZB ein Problem und müsste bei der Unterstützung kriselnder Eurostaaten ohne Deutschland auskommen. Man kann sich kaum vorstellen, dass dies funktioniert. Die Eurokrise würde wohl wieder aufflammen.

Zwei Tage später dann die Abstimmung bei unseren britischen Nachbarn, ob man nun im EU-Klub bleiben will oder nicht. Käme es zum Brexit, wäre wohl -ordentlich was los an den Märkten. Die Folgen sind kaum abzuschätzen und die Kurse dürften heftig schwanken. Und last, not least der Zinsentscheid in den USA, der schon kommende Woche ansteht. Geht es weiter rauf mit dem Leitzins oder nicht? Und wenn ja, wie geht es danach weiter?

Die Börse indes scheint sich darum nicht zu kümmern. Seit Aschermittwoch - wie sinnig - geht es nach oben. Beim DAX wie auch beim Dow. Letzterer ist sogar schon in Reichweite seines Allzeithochs. Auch der VDAX, also der Volatilitätsindex, der die erwarteten Schwankungen der Kurse misst, liegt mit derzeit etwa 20 eher niedrig. Das ist ein positives Signal.

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Doch woran liegt’s? Vermutlich daran, dass all die genannten Sorgen längst bekannt sind und wohl auch verarbeitet. Hinzu kommt, dass eine harte Landung der chinesischen Konjunktur inzwischen unwahrscheinlicher geworden ist. Die Politik in Peking stützt das fragile Gebilde. Dadurch dürften auch die asiatischen Nachbarländer optimistischer in die Zukunft blicken, ebenso die Länder, die Rohstoffe produzieren. Weil ganz schlicht die "Ansteckungsgefahr" abgenommen hat.

Am Rohstoffmarkt ist es inzwischen auch ruhiger, das zeigt exemplarisch der Ölpreis. Obwohl sich die OPEC-Länder nicht auf eine Kappung der Förderung einigen konnten, hat sich der Preis bei 50 US-Dollar stabilisiert.

Dass es am Aktienmarkt nach oben geht, liegt letztlich auch daran, dass die Bewertungen passen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis deutscher Aktien liegt derzeit bei etwa zwölf - was man als angemessen und nicht wirklich teuer bezeichnen kann. Dazu kommt die hohe Dividendenrendite. Die DAX-Aktien beispielsweise bieten im Schnitt eine Dividendenrendite von über drei Prozent. Im Festzinsbereich muss man lange suchen, um eine solch gute Rendite zu finden - bei ungleich höherem Risiko. Da dies zumindest in Europa noch recht lange so bleiben dürfte, könnte es hier also zu weiteren Umschichtungen kommen - raus aus Anleihen, rein in Aktien. Und das stützt die Aktienkurse zusätzlich.

Bleibt die Frage: Wo geht das noch hin mit den Kursen? Optimistisch ist beispielsweise Robert Halver, Chefstratege der Baader Bank. Geht es nach ihm, dann sind am Jahresende "DAX-Indexstände auch über 11 000 Punkte möglich". Es bleibt also beim altbekannten Rat: nachkaufen an schwächeren Tagen. Und einfach mal investiert bleiben.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com