"Mit Covid-19 werden wir in Zukunft leben müssen - genauso wie mit Grippeviren", sagt Colin Graham, Manager beim Vermögensverwalter Robeco. "Mittlerweile reagieren die Märkte weniger heftig auf neue Ausbrüche, so dass das Auftauchen einer neuen Variante nicht zu einem länger anhaltenden Kurseinbruch führen sollte."

Nachfolgend eine Übersicht der wichtigsten Rohstoffklassen und was Analysten für die kommenden Monate erwarten:

EDELMETALLE


Anders als Industriemetalle oder Rohöl hängt die Entwicklung des Goldpreises weniger von der Konjunktur, sondern von der Geldpolitik ab. Denn der Kurs der "Anti-Inflationswährung" atmet mit der Teuerungsrate und der Antwort der Notenbanken darauf.

Pessimistisch beurteilt BayernLB-Chefvolkswirt Jürgen Michels die Aussichten für das gelbe Metall. Da der Preisdruck voraussichtlich nachlasse und dadurch die Realrenditen - Zinsen abzüglich Inflation - anzögen, werde das Edelmetall für Investoren unattraktiver. Dadurch werde sich Gold auf 1650 von derzeit rund 1800 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) verbilligen. Im auslaufenden Jahr droht Gold mit einem Minus von etwa fünf Prozent der größte Jahresverlust seit 2015.

Fondsmanager Benjamin Louvet vom Vermögensverwalter Ofi traut dem Edelmetall dagegen einen Kurs von mehr als 2000 Dollar zu. "Angesichts der massiven Verschuldung der großen Volkswirtschaften werden die Zentralbanken die Nominalzinsen nur in einem Tempo anheben können, das unter dem der Inflation liegt." Dadurch gingen die Realrenditen zurück.

Bei Platin und Palladium, die bei industriellen Produkten eine wichtige Rolle spielen, erwartet Fondsmanager Louvet nach einem verlustreichen 2021 ebenfalls Kurssteigerungen. Platin werde beim Bau von Elektrolyseuren, die zur Herstellung von Wasserstoff benötigt werden, verwendet. Bei Palladium, das unter anderem in Autokatalysatoren zu finden ist, werde die Nachfrage das Angebot 2022 das elfte Jahr in Folge übersteigen.

ERDÖL UND ERDGAS


Entspannung an der Tankstelle ist dagegen nicht in Sicht: Die Opec+ werde ihre Förderquoten nur zögerlich ausweiten, schreiben die Analysten der Bank Wells Fargo. Gleichzeitig werde die US-Produktion langsamer steigen als gedacht und die Nachfrage dank der anhaltenden wirtschaftlichen Erholung anziehen. Die Wells-Fargo-Experten sehen die Preise für die Ölsorte Brent aus der Nordsee und das US-Öl WTI Ende 2022 bei bis zu 95 beziehungsweise 100 Dollar je Barrel (159 Liter). Zu den aktuellen Kursen wären das Zugewinne von 30 beziehungsweise rund 40 Prozent, etwa auf dem Niveau der vergangenen Monate. Ähnliche Hausnummern nennen die Kollegen von der Bank Morgan Stanley. Sie verweisen auf die historisch niedrigen Lagerbestände des "Schwarzen Goldes".

Einen noch spektakuläreren Preissprung von 600 Prozent verbuchte Erdgas. Angesichts der anhaltenden Spannungen des Westens mit Russland rechnen Experten nicht mit einem kräftigen Anstieg der Gas-Lieferungen aus dem Land. Da der Füllstand der Lager in Deutschland zudem unterdurchschnittlich sei, könnte ein langer und harter Winter zu einem ernsthaften Problem werden.

INDUSTRIEMETALLE


Commerzbank-Analyst Daniel Briesemann geht nicht davon aus, dass sich die Rally der Metallpreise im neuen Jahr fortsetzt. Er rechnet eher mit einer "Seitwärtsbewegung unter Schwankungen". Vor allem die anstehende Straffung der US-Geldpolitik und die damit erwartete Aufwertung des Dollar dürften sich negativ auf die Nachfrage und Preise auswirken. Je teurer die Weltleitwährung, desto unattraktiver wird der in Dollar abgerechnete Kauf von Kupfer, Aluminium & Co für Investoren. Er sieht den Kupferpreis Ende 2022 bei 9500 Dollar je Tonne und damit ungefähr so hoch wie derzeit. Gleiches gilt etwa für den Aluminium, das bei 2600 Dollar liegen dürfte. Im auslaufenden Jahr hat sich Kupfer bislang wie 2020 um mehr als 20 Prozent verteuert. Aluminium winkt mit einem Plus von fast 40 Prozent sogar der größte Jahresgewinn seit 2009.

STROM


Für Stromkunden kann vorerst keine Entwarnung gegeben werden. Hohe Preise für Erdöl oder -gas, das zur Produktion von Elektrizität benötigt wird, machen diesen Energieträger teurer. Hinzu kommt die zunehmende Elektrifizierung der Wirtschaft und des Straßenverkehrs, die den Bedarf in die Höhe treibt.

Wie Anleger die Aussichten einschätzten, lasse sich an der jüngsten Rekordjagd des Terminkontrakts zur Lieferung von Elektrizität in einem Jahr ablesen, sagt Ivan Mlinaric, Geschäftsführer des Vermögensverwalters Quant Capital. "Der sehr steile Anstieg spricht dafür, dass die Marktteilnehmer eher einen Anstieg als einen Rückgang der Strompreise erwarten." Der Futures hat seinen Kurs seit Jahresbeginn verfünffacht.

rtr