Geschlossene Fonds: Bei der Insolvenz einer GmbH & Co. KG haben Fondsanleger keine Mitspracherechte. Warum das so ist und wie 105 engagierte Experten das ändern wollen. Von Bernhard Bomke

Als sich Mitte Oktober 2018 mehr als 4500 Anleger des insolventen Container-Investmentunternehmens P & R auf den Weg in die Münchener Olympiahalle machten, taten sie das aus gutem Grund. Sie nutzten auf den dortigen Anlegerversammlungen die Chance, bei den Insolvenzverfahren mitzureden. Hätten sie das gewollt, wäre es sogar möglich gewesen, Insolvenzverwalter Michael Jaffé abzusetzen. So weit reichen ihre Rechte.

Ganz anders sieht es für Anleger Geschlossener Fonds aus, die als GmbH & Co. KG organisiert sind. Mehr als 700 von ihnen, schätzt der Anwalt Ralph Veil von der Münchener Kanzlei Mattil, sind kriselnd oder insolvent. Hunderttausende Anleger seien betroffen, doch mitreden dürfen sie bei der Insolvenz nicht. Dagegen wenden sich nun 105 Fachleute, darunter Insolvenzverwalter und Richter, mit einer Resolution, die sie unter anderem ans Bundesjustizministerium schickten. Veil erklärt im Interview Details dazu.

BÖRSE ONLINE:

Bei der Insolvenz eines Geschlossenen Fonds (Kommanditgesellschaft, KG) ist es bislang möglich, dass ein Insolvenzverwalter, der für die Gläubiger Geld braucht, nicht von allen Anlegern einen Beitrag verlangt, sondern nur von wenigen. Warum?
RALPH VEIL: Das geht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) im Jahr 1989 zurück. Seinerzeit gaben die Richter dem Insolvenzverwalter das Recht auszusuchen, wen er auf Zahlung für die Masse in Anspruch nimmt. Der Verwalter ist nur dem Grundsatz der Gläubiger-, nicht aber dem der Gesellschaftergleichbehandlung verpflichtet. Mehr noch: Er muss nur die Gläubigerinteressen im Blick haben, nicht die der Anleger, also der Kommanditisten.

Ist das eine deutsche Spezialität - oder gibt es solcherlei auch in anderen Ländern?


In anderen Ländern ist das deutsche KG-Modell nahezu nicht existent. Nicht einmal in Österreich, wo bis vor ein paar Jahren mit dem deutschen Handelsgesetzbuch gearbeitet wurde, sind KGs so prominent im Kapitalmarkt vertreten.

Wie lässt sich die als ungerecht empfundene Praxis ändern - und zugleich sicherstellen, dass Insolvenzverwalter ihrer Verpflichtung nachkommen, masseschonend zu arbeiten?


Eine Änderung hin zu einem gerechteren Verfahren wird es nur geben, wenn KG-Anleger im Insolvenzverfahren vollständig beteiligt sind. Das heißt, wenn über Mitsprache und Akteneinsicht volle Transparenz gewährleistet ist. Bislang können sich Kommanditisten nur dann einigermaßen gerecht behandelt fühlen, wenn ein Insolvenzverwalter versucht, alle Anleger nach einer bestimmten Quote auf Rückzahlung in Anspruch zu nehmen. Das führt allerdings immer wieder zu Kritik, weil sich der Verwalter in solchen Fällen nicht masseschonend verhält, was wiederum andere Gerechtigkeitsfragen aufwirft.

Sie fordern nun vom Gesetzgeber, Insolvenzverwaltern die Aufgabe zu übertragen, für einen Gesellschafter-Innenausgleich, also eine gerechte Verteilung der Lasten auf die Anleger, zu sorgen. Wie soll das funktionieren?


Die Insolvenzordnung müsste geändert werden, und zwar konkret Paragraf 199, in dem es um den sogenannten Innenausgleich geht. Im Gesetz müsste durchgängig von Schuldnern (in diesem Fall also die KG), Gläubigern und an der Schuldnerin beteiligte Personen (Kommanditisten) gesprochen werden. Der Verwalter muss natürlich weiterhin die Möglichkeit haben, Mittel aus der Insolvenzmasse nach den gesetzlichen Erfordernissen zu verteilen. Aber das bitte mit der vollen Kontrolle der Anleger, die bislang faktisch kein Gehör im Verfahren finden.

Warum gibt es denn das Mitspracherecht nicht längst?


Aufgrund einer Besonderheit im deutschen Kommanditistenrecht, das in dieser Hinsicht weit über 100 Jahre alt ist. Der BGH hat bei Publikumsgesellschaften kein "modernes" kapitalmarktrechtliches Verständnis der KG, sondern beurteilt die Publikumsfonds-KG wie eine alte Zwei-Personen-KG, bei welcher der Gesetzgeber ein Mitspracherecht der beiden Beteiligten als selbstverständlich voraussetzt. Das Problem ist: Bei Publikumsfonds-KGs erweitert das Handelsgesetzbuch die Mitspracherechte nicht auf die viel größere Zahl von Kommanditisten.

Welche Mitspracherechte sollten Anleger von Kommanditgesellschaften genau haben?


Dieselben Mitspracherechte, wie Anleger aller anderen Kapitalmarktprodukte sie wie selbstverständlich haben. Da geht es insbesondere um Mitsprache über Mittelherkunft und Mittelverwendung in der Insolvenz.

Hat ein Fondsbeirat, also die Vertretung der Anleger einer Kommanditgesellschaft, bei einer Insolvenz kein Mitspracherecht?


Der Fondsbeirat ist grundsätzlich nicht an einem Insolvenzverfahren beteiligt.