Ausgerechnet einer der weltgrößten Lithiumproduzenten setzte dem Höhenflug der Branche Anfang des Jahres ein jähes Ende: Sociedad Quimica y Minera (SQM) kündigte den Ausbau seiner Produktionskapazität von 48 000 auf 70 000 Tonnen in diesem Jahr an, bis 2021 soll sie auf 180 000 Tonnen Lithium jährlich vervierfacht werden. Bislang hatten die Chilenen lediglich eine Verdopplung ihrer Produktion bis Ende 2019 in Aussicht gestellt.

Die US-Investmentbank Morgan Stanley warnte im Zuge dessen ihre Kunden vor einem drohenden Angebotsüberschuss: Neue Projekte und eine Ausweitung bestehender Produktionen wie bei SQM könnten das Lithiumangebot bis zum Jahr 2025 auf 500 000 Tonnen pro Jahr anwachsen lassen, der Lithiumpreis sich im Gegenzug auf rund 7000 US-Dollar je Tonnen halbieren. Viele Investoren brachten daraufhin die über die vergangenen beiden Jahre angelaufenen, zum Teil spektakulären Kursgewinne erst einmal in Sicherheit. Die Kurse der meisten Lithiumaktien haben seither deutlich nachgegeben, einzelne Titel sich mehr als halbiert.

Mehr Kapazitäten erforderlich

Dabei ist eine starke Ausweitung der weltweiten Produktion dringend notwendig, um die sich abzeichnende Nachfrageexplosion abdecken zu können. Das Leichtmetall ist der wichtigste Bestandteil von Lithium-Ionen-Batterien, die aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit seit Jahren zur Standardausrüstung von Smartphones oder Laptops gehören.

Wegen der enormen Fortschritte in der Elektromobilität stehen die Akkus und damit auch das Lithium vor einem gewaltigen Nachfrageboom: Während Smartphones gerade mal drei Gramm Lithium benötigen und ein Laptop-Akku in der Regel mit 30 Gramm auskommt, enthalten die heutigen Standardakkus der Elektrofahrzeuge mehr als zehn Kilogramm Lithium. Im Zuge des E-Mobility-Ausbaus werden einer Auswertung des Beratungsunternehmens Benchmark Minerals zufolge in den kommenden fünf Jahren gleich 36 Megafabriken für Batterien mit einer Kapazität von jährlich 470 Gigawattstunden (GWh) entstehen. Dies würde wohl den Bedarf von bis zu sieben Millionen Elektrofahrzeugen abdecken, aber auch die Lithiumnachfrage bis zum Jahr 2025 auf etwa 900 000 Tonnen pro Jahr erhöhen.

Goldman Sachs bezeichnete die Befürchtung eines Überangebots deshalb als unbegründet und den Ausverkauf des Sektors als überzogen. Die US-Investmentbank verweist vor allem darauf, dass die Entwicklung neuer Lithiumvorkommen schwieriger sein wird, als viele Beobachter erwarten. Bis zu sieben Jahre dauert es den Experten zufolge, bis ein neu entdecktes Lithiumvorkommen in Produktion gehen kann. Diese Zuversicht deckt sich mit der Einschätzung von Guy Bourossa. Der CEO von Nemaska Lithium rechnet auch in den kommenden vier bis fünf Jahren mit einem sehr engen Lithiummarkt und damit verbunden mit zumindest stabilen Preisen. Sein Unternehmen konnte zuletzt eine Abnahmevereinbarung mit LG Chem über jährlich 7000 Tonnen Lithiumhydroxid und einen Zeitraum von fünf Jahren unterzeichnen. Das entspricht etwa 20 Prozent der von Nemaska geplanten Produktionskapazität für die im Bau befindliche Lithiummine in Quebec.

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Viel Bewegung im Lithiumsektor



Der Nemaska-Deal ist kein Einzelfall. Hinter den Kulissen wurden in der Branche zuletzt viele Kooperationen geschlossen. Im Mai sicherte sich etwa die chinesische Tianqi Lithium einen 24-Prozent-Anteil an SQM und legte stolze 4,1 Milliarden US-Dollar auf den Tisch. Im Westen Australiens baut der Konzern aktuell die größte Lithiumverarbeitungsanlage der Welt.

Mineral Resources stellte vor wenigen Wochen eine 49-Prozent-Beteiligung seines Lithium-Vorzeigeprojekts Wodgina ins Schaufenster, nachdem es immer wieder Anfragen gegeben hatte. Künftig will sich der Konzern verstärkt um das florierende Minenservice-Geschäft kümmern. Mit einem KGV um zehn und einer Dividendenrendite von mehr als fünf Prozent gehört Mineral Resources zu den günstigsten Aktien der Branche. Morgan Stanley traut ihr bis zu 44,50 australische Dollar zu - das entspräche einem Anstieg von 160 Prozent. Nach dem Fall unter den Stopp raten wir zum Kauf.



Für Aufsehen sorgte zuletzt auch der Abnahmevertrag des amerikanischen Elektroautobauers Tesla mit Kidman Resources, der deshalb so bemerkenswert ist, weil die Australier wohl erst in drei Jahren zur Produktionsreife gelangen werden - einem Zeitpunkt also, zu dem der Lithiummarkt nach Ansicht der pessimistischen Marktstimmen in einen Angebotsüberhang hineinlaufen soll.

Überhaupt versuchen Kunden aus der Industrie immer häufiger, ihren kalkulierten Bedarf über langfristige Lieferabkommen auf Jahre hinaus zu sichern, berichtet auch Albemarle. Dem US-Produzenten, dessen Aktie seit Ende 2017 rund ein Drittel verloren hat, räumt Goldman Sachs gute Chancen auf eine Kurserholung ein. Für das Auftaktquartal 2018 hatte der Konzern einen Umsatzanstieg um 14 Prozent auf 821,6 Millionen US-Dollar gemeldet, der Nettogewinn legte gegenüber dem Vorjahreszeitraum mit 131,8 Millionen US-Dollar um mehr als das Doppelte zu. Am 7. August kommen die Zahlen für das zweite Quartal. Überzeugen diese und ist der Ausblick gut, könnte die Korrektur endgültig ausgestanden sein. Bis dahin sollten Anleger abwarten.



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