Return - der Investmentkommentar von Björn Drescher
"Cash-Stop beim Wertgrund Wohnselect D (DE000A1CUAY0)". Bis auf Weiteres werden seit dem 25. März keine neuen Anteile des auf deutsche Wohnimmobilien spezialisierten offenen Immobilienfonds mehr ausgegeben. Was sagt uns diese Maßnahme?
Zunächst einmal, dass Meldungen dieser Art bei offenen Immobilienfonds abseits der Union Investment in den vergangenen Jahren Seltenheitswert hatten. Aussetzung der Anteilrücknahme ja, aber der Ausgabe neuer Anteile? Die letzten, an die ich mich erinnern kann, waren der KanAm und der TMW Pramerica in besseren Zeiten zuzurechnen.
Wegen Reichtum geschlossen? Wohl kaum! Fondsinitiator Thomas Meyer und sein Team verdienen gerne Geld. Das Zielvolumen des Wertgrund Wohnselect D liegt den eigenen Angaben zufolge perspektivisch bei rund 400 Millionen Euro. Derzeit werden netto rund 240 Millionen verwaltet. Es gibt also noch Spielraum bis zur Decke.
Schutzmechanismus im Sinne der Anteilinhaber? Schon eher! Wie der entsprechenden Vertriebspartnerinformation zu entnehmen ist, soll der Verwässerung der Strategie und der Rendite vorgebeugt werden. 7,7% im rollierenden Zwölfmonatszeitraum, diesen Track Record will man verständlicherweise nicht gefährden und die verwöhnten Anleger nicht enttäuschen. Er beruht davon abgesehen auf nicht beliebig wiederholbaren Einmaleffekten wie Verkäufen und Nachbewertungen. Die Kasse, die zuletzt angesichts dynamisch wachsender Mittelzuflüsse seit Jahresbeginn von etwa 20 auf 30% angestiegen war, soll zunächst einmal Sinn stiftend und ohne Zeitdruck auf ihre strategische Größenordnung zurückgeführt werden.
Marketing-Maßnahme? Spekulation und Unterstellung! Dürfte aber mit eine Rolle gespielt haben. Jeder Initiator hat ein Interesse daran, sich im Sinne seiner Kunden umsichtig und verantwortungsvoll zu zeigen. Überdies dürften Initiativen dieser Art ein gewisses "Verknappungsszenario" befeuern, das die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Produkt lenkt und im Falle der Wiederaufnahme der Anteilausgabe die Mittelzuflüsse stimuliert. Die Hamburger Börse hat schon reagiert und handelt den Fonds im Moment mit einem Agio von über 2%.
Auf Seite 2: Wohnimmobilienmarkt läuft heiß - Idee offener Immobilienfonds lebt
"Verknappungsszenario" ist aber ein gutes Stichwort. Die Maßnahme zeigt, dass der deutsche Wohnimmobilienmarkt langsam heißläuft und sich Objekte, die den geforderten Selektionskriterien gerecht werden sollen, nicht mehr wie Sand am Meer finden lassen. Und zwar nicht mehr nur in den Ballungsgebieten und ihren Toplagen, sondern auch schon in den vom Wertgrund Wohnselect D angepeilten Marktbereichen außerhalb des Investoren-Mainstreams, nennen wir sie auch einmal wie Wertgrund "Hidden Champions". Die Inflationierung der Assetklassen schreitet weiter voran.
Die Tatsache, dass der Wertgrund Wohnselect D bis heute der einzige auf deutsche Wohnimmobilien spezialisierte offene Immobilienpublikumsfonds ist (andere Lösungen wenden sich primär an Institutionelle Anleger oder sind direkt als Spezialfonds konzipiert), zeigt, dass das Management dieser Anlageklasse keineswegs trivial ist und sich nicht einfach kopieren oder gar skalieren lässt. Die Begrenzung der Mittel des Wertgrund Wohnselect D zeigt zudem, dass das Management dieser Anlageklasse in jüngster Zeit obendrein nicht einfacher geworden ist und sich die Renditen des Fonds mit einem jetzt erst neu zu errichtenden Portfolio wahrscheinlich auch nicht mehr erzielen ließen. Die Kunst lag, wie es so schön heißt, im preiswerten Einkauf - was in der Vergangenheit möglich war und im aktuellen Marktumfeld schwierig ist.
Schließlich und endlich zeigt sich am Beispiel Wertgrund Wohnselect D aber erfreulicherweise auch, dass die Idee offener Immobilienfonds - nicht wie bisweilen propagiert - tot ist. Sie lebt, im anhaltenden Niedrig- und Negativzinsumfeld mehr denn je und kann sich für den Fall interessanter Konzeptionen auch abseits großer Filialvertriebe Aufmerksamkeit und Nachfrage verschaffen. Anlage- und Verkaufsfristen zum Trotz. Das ist eine gute Nachricht, die Mut macht und andere Initiatoren anspornen sollte. Von daher ist weniger (Mittelzufluss) in diesem Fall für alle Beteiligten mehr.
Björn Drescher ist Gründer des auf Fonds spezialisierten Finanzinformationsdienstleisters Drescher & Cie (www.drescher-cie.de).