Steuerrecht: Verluste aus Wertpapieren sind schmerzhaft. Sie tun aber nur halb so weh, wenn man den Fiskus an ihnen beteiligen kann. Doch das ist manchmal gar nicht so leicht. Von Michael Schreiber
Banken und Fiskus unterscheiden seit der Einführung der Abgeltungsteuer strikt zwischen Altverlusten, die bis Ende 2008 entstanden sind, und Verlusten, die unter der Abgeltungsteuerpflicht ab 2009 aus Neuanlagen entstehen. Für beide gelten unterschiedliche Regelungen. Depotführende Institute dürfen unterjährig nur Gewinne und Verluste, die aus Neuanlagen seit dem 1. Januar 2009 erzielt wurden, automatisch miteinander verrechnen. Aktiensparer müssen allerdings mit einer Besonderheit leben: Verluste aus ab 2009 getätigten Aktienkäufen dürfen nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnet werden.
Zwei Töpfe
Um diese Spielregeln einhalten zu können, führt die Depotbank für jeden Anleger zwei Verlustverrechnungstöpfe. Im ersten Topf landen realisierte Verluste aus Verkäufen von Aktien, REITs und Vollrisikozertifikaten mit Andienungsrecht, sofern Anleger diese Papiere ab 2009 ins Depot gepackt haben. Seitdem zählen Miese aus Aktiengeschäften zwar in voller Höhe mit, sie werden aber so lange auf Eis gelegt, bis bei derselben Bank ein verrechenbarer Gewinn aus Aktiendeals entsteht. Im zweiten Topf landen alle übrigen realisierten Verluste aus Wertpapieranlagen, die seit 2009 getätigt wurden. Erfasst werden Gewinne und Verluste aus dem Handel mit Anleihen, Zertifikaten, Termingeschäften, Fondsanteilen sowie gezahlte Stückzinsen. Nebenkosten beim An- und Verkauf wie Bankspesen und Maklercourtage zählen mit. Die Institute führen die beiden Töpfe unterjährig fort und erstatten auch im laufenden Jahr Steuern zurück.
Anleger mit mehreren Bankverbindungen können sich ungenutzte Verluste aus beiden "Töpfen" zum Jahresende von der Bank bescheinigen lassen und müssen Verluste aus einem Depot mit Gewinnen aus einem anderen Depot über die Steuererklärung verrechnen. Für 2017 muss die Bescheinigung bis zum 15. Dezember 2017 bei der Depotbank beantragt werden.
Viele offene Fragen
So weit, so klar. Doch es gibt eine Reihe von Streitfällen, bei denen Finanzgerichte entscheiden müssen: Für Anleger, die im vergangenen Jahr mit hoch verzinslichen Mittelstandsanleihen wie KTG Agrar und German Pellets viel Geld verloren haben, gibt es Hoffnung. Die Anleihen sind nach der Insolvenz von Pleitefirmen wertlos - bereits realisierte Kursverluste dürfen die Banken allerdings nicht in den Verlusttopf einstellen. Erst der Bundesfinanzhof (BFH) hat als oberstes Finanzgericht in einem Musterprozess das letzte Wort (Az. VIII R 13/15).
Vorsicht, die Verluste sind weder im Saldo der von der Bank bescheinigten Kapitalerträge enthalten noch im Verlusttopf der Bank eingestellt. Anleger müssen die Verluste bei der Steuererklärung über die Anlage KAP geltend machen, sie anhand von Kontoauszügen, Kauf- und Verkaufsnachweisen belegen. Ist das Finanzamt anderer Meinung, hilft nur noch ein Einspruch gegen den Steuerbescheid und unter Hinweis auf den Musterprozess ein Antrag auf "Ruhen des Verfahrens".
Nach einem Urteil des Finanzgerichts (FG) Köln (Az. 7 K 3387/13) sind die Anschaffungskosten für Knock-out-Zertifikate im Verlustfall als Werbungskosten absetzbar, auch wenn die Papiere eine dem Basispreis vorgelagerte Stop-Loss-Schwelle haben. Der BFH klärt die Frage (Az. VIII R 1/17 und Az. VIII R 37/15).
Um den Wertverlust einer Aktie steuerlich nutzen zu können, muss man das Papier verkaufen. Das Bundesfinanzministerium ist aber der Ansicht, dass ein realisierter Verlust nicht steuerwirksam wird, wenn der Verkaufspreis für die Papiere gerade mal die Bankspesen und die anfallende Maklercourtage abdeckt. Daher werden derartige Verluste nicht im Verlusttopf für Aktien eingestellt. Das Niedersächsische FG hat aber entschieden, das ein Verkaufsverlust auch dann gilt, wenn die Transaktionskosten nicht abgedeckt sind (Az. 2 K 12095/15). Außerdem entschieden die Richter, dass Anleger diese roten Zahlen auch ohne Bankbescheinigung über die Einkommensteuererklärung geltend machen können. Das letzte Wort hat der BFH (Az. VIII R 32/16).
Auch die genaue Reihenfolge der Verlustverrechnung ist rechtlich unklar. Banken sind verpflichtet, pro Depot Gewinne und Verluste auch unterjährig auszugleichen. Fraglich ist, ob das Finanzamt diesen Mechanismus auch bei Anlegern mit mehreren Depots anwenden muss. Das FG Düsseldorf hatte das bejaht und erlaubt, dass zuerst die Altverluste aus der Zeit vor 2009 vor laufenden Verlusten verrechnet werden (Az. 16 K 4467/12 E). Jetzt soll der BFH Klarheit schaffen (Az. VIII R 23/15). Um die Reihenfolge der Verlustverrechnung (Altverluste aus den Jahren vor 2009 zuerst) geht es auch in einem weiteren Verfahren (Az. VIII R 8/16).