Noch bevor die Frühlingsknospen sprießen, müssen sich die Kreditgläubiger und Griechenland geeinigt haben. Ansonsten ist das Land pleite und an den Finanzmärkten geächtet wie Robin Hood.

Das allerdings scheint die neue griechische Führung nicht wirklich zu irritieren. Sie pokert hoch und verlässt sich offenbar auf drei vermeintliche Trümpfe. Sie vertraut erstens darauf, dass die verantwortlichen Politiker der Gläubigerländer ihren Wählern nicht zumuten wollen, auf richtig viel Steuergeld zu verzichten. Die werden uns schon helfen müssen, so der Tenor in Athen. Zweitens, sollte dies auf Widerstand stoßen, könnte man ja auch in China oder Russland um Geld nachfragen und damit auch die geschlossene Haltung der westlichen Partner gegen Russland hintertreiben.

Und ganz wichtig, drittens steht die Regierung Tsipras nicht allein gegen den Rest der Euro-Welt. Nein, Hellas hat Gesinnungsbrüder, die ein ganz wertvolles Pfund verlören, wenn Hellas den Euro-Familienverbund im Sinne eines GREXIT verließe. Nennen wir sie einfach mal Frankreich und Italien. Denn Athen, Paris und Rom bilden eine Achse der Ablehnung des Stabilitätskurses der Euro-Nordländer. Hier ist vor allem Deutschland gemeint.

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Da geht sie hin, die Stabilitätsunion

Natürlich weiß der Club Med mit seinen Vorturnern Paris und Rom, das jede Unterstützung für Griechenland ein Sargnagel für die Reste der eurozonalen Stabilitätskultur ist. Frankreich, Italien und die EU-Kommission werden daher darauf drängen, sich zügig mit Griechenland zu einigen. Und siehe da, das Tauwetter hat bereits begonnen. Die verbale Abrüstung hat bereits begonnen. Mit der Troika will Athen dann doch ein bisschen sprechen und die Kanzlerin hat auch bereits Kompromissbereitschaft signalisiert. Die Bedingungen für neue Kredite an Griechenland werden liberalisiert. Es dürfte also einen Überbrückungskredit geben und anschließend werden die Laufzeiten bilateraler Hilfskredite bis zum Sanktnimmerleinstag verlängert und der Schuldendienst sehr großzügig ausgesetzt.

Natürlich gefällt der finanzpolitische Kuschelkurs den stabilitätsorientierten Euro-Nordländern nicht. Aber die werden den Rückzug antreten müssen, weil sie hoffen, damit den eurozonalen Wutbürger bei den nächsten Wahlen besänftigen zu können. Und wer will schon einen Bruch quer durch die Eurozone riskieren, deren Zusammenhalt eher dem einer Erbengemeinschaft entspricht. Am Ende steht nicht zuletzt deshalb ein stinkendfauler Kompromiss, weil ansonsten bei einer Pleite von Hellas das Geld der Steuerzahler z.B. aus Deutschland weg ist. Inoffiziell - das ist keine prophetische Aussage - ist es ohnehin futsch. Denn wie will man jemals unter konsequenter Vernachlässigung von Wettbewerbsfähigkeit die griechische Wirtschaft wieder flott, also schuldendienstfähig machen? Aber diese Frage stellt sich erst in späteren Jahren. Da sind die jetzt verantwortlichen Politiker längst in Ruhestand.

Auf Seite 3: Die EZB haftet für ihre Kinder, auch noch wenn sie größer sind



Die EZB haftet für ihre Kinder, auch noch wenn sie größer sind

Aus dieser Nummer, aus diesem Stabilitäts-Strukturbruch kommt Euroland nicht mehr heraus: Die Lex Hellas wird sich über die Eurozone ausbreiten. Bei der Parlamentswahl in Spanien im Herbst wird das Linksbündnis "Podemos" mit den Erfolgen des griechischen Robin Hood gegen den Brüsseler bzw. Berliner Sheriff von Nottingham erfolgreich Wahlkampf machen. Nichts ist so gewaltig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist, oder?. Sparen und Reformieren werden zunehmend abgewählt. Glaubt denn irgendjemand, dass 2017 bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Frankeich bzw. 2018 bei den Parlamentswahlen in Italien der Euro-Stabilitätsgeist wieder aus der Flasche darf? Nein, da bleibt der Stopfen drauf und wird versiegelt.

Und die EZB? Sie wird erfolgreich beweisen, dass sie auch bei großen Kindern - die Eurozone ist ja in der schwierigen Zeit der Pubertät angekommen - ihrer Aufsichtspflicht gerecht wird. Sie finanziert die neue Transferunion, auch wenn aus den Kindern längst Erwachsene geworden sind.

Die Europäische Stabilitätsunion hat schwach begonnen und dann stark nachgelassen. Und jetzt sorgt das kleine Griechenland endgültig dafür, dass das große Euroland wie eine Festung geschleift wird. Wie viele von Ihnen ärgere auch ich mich über diesen instabilen Euro-Makrokosmos. Aber ändern kann ich ihn nicht. Ich kann nur meinen Anleger-Mikrokosmos stabilisieren und auf Sachkapital setzen. Denn Aktien, Immobilien und Gold werden von der Schuldenunion mit geldpolitischem Segen weiter profitieren. Gerade der Aktienmarkt in Deutschland ist der große Krisengewinner. Denn das Geld ist billig, der Euro schwach und die künstliche Befruchtung der Eurozone mit Schuldenmacherei ist auch kein Konjunkturhindernis. Immerhin ein Trost.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.