Das "Öffnungskriterium" könne er nicht ganz nachvollziehen, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dieter Kempf, in Deutschlandfunk. Mehrere Ministerpräsidenten signalisierten Spielräume bei der Umsetzung der mit der Bundesregierung gefassten Beschlüsse, mit denen sie dem Einzelhandel entgegen kommen könnten.

Bund und Länder hatten am Mittwoch erste Lockerungen der Corona-Beschränkungen beschlossen. Dazu gehört die Wiedereröffnung "aller Geschäfte bis zu 800 Quadratmetern Verkaufsfläche" sowie unabhängig davon Kfz- und Fahrradhändler sowie Buchhandlungen. Die meisten Landesregierungen wollen Verordnungen zur Umsetzung in Kabinettssitzungen am Freitag beschließen.

Kempf begrüßt die Einigung zwischen Bund und Ländern, kritisiert aber die Flächen-Regelung bei der Öffnung von Geschäften. Zudem hätte er sich eine "deutlich verbindlichere" Ansage zum Mundschutz gewünscht. Der Handelsverband HDE warnte vor einer Wettbewerbsverzerrung. Abstands- und Hygieneregeln könnten sowohl in kleinen als auch in großen Geschäften eingehalten werden. Die Möbelindustrie wertete das 800-Quadratmeter-Limit als unzureichend und unschlüssig. Hotels und Gaststätten kritisierten, dass sie von der Öffnung gänzlich ausgenommen wurden und warnte vor einer Pleitewelle.

KOMMUNEN FORDERN FLEXIBLE UMSETZUNG DER LOCKERUNGEN


Der Städte- und Gemeindebund und der Landkreistag lobten die Beschlüsse als Signal für eine vorsichtige Wiederbelebung des öffentlichen Lebens. "Flexible Lösungen sollten möglich sein", sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, zu Reuters. Kommunen müssten von den Ländern einen Spielraum für lokale Lösungen erhalten. Der Landskreistag sah die Entscheidung nur als Einstieg in weitere Öffnungen. "Wir können uns überdies vorstellen, dass auch größere Geschäfte auf dem Land mit geringer Bevölkerungsdichte und damit geringerem Infektionsrisiko und leichter einzuhaltenden Abstandsregelungen bald wieder aufmachen könnten", sagte der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager, zu Reuters.

Das Saarland beschloss am Donnerstag, dass Einkaufszentren und Shopping Malls geschlossen bleiben sollten. Bayern will kleine Geschäfte bis auf Gärtnereien und Baumärkte erst ab 27. April öffnen. Auf die Frage, ob große Geschäfte eine Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern freigeben dürften, sagt Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher im ARD-Morgenmagazin: "Das ist jetzt eine Frage der Umsetzung, das wird jede Stadt, jedes Bundesland prüfen müssen." Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hatte bereits am Dienstag angedeutet, dass auch Läden mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 Quadratmetern öffnen könnten, sofern sie die Öffnung auf diese Quadratmeterzahl beschränken.

Dagegen mahnte Kanzleramtschef Helge Braun zur Vorsicht: Es gehe auch darum, Publikumsverkehr in den Innenstädten gering zu halten. "So eine normal gefüllte Fußgängerzone, so wie wir das von früher kennen, das können wir momentan auch nicht riskieren", sagte Braun im ARD-Morgenmagazin. "Und deshalb müssen die großen Geschäfte, die häufig die Publikumsmagneten sind, noch eine Weile geschlossen bleiben."

Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau warnte im Deutschlandfunk vor einer zu "kreativen Auslegung" der Regeln durch den Handel, was man auch in vergangenen Tagen erlebt habe. So habe es etwa Eisdielen gegeben, die "durch das Aufstellen auf dem Parkplatz plötzlich zu einer Drive-in-Lösung" werden wollten.

rtr