Allerdings konnte die Wirtschaft nur einen Teil der Rezession aus dem ersten Corona-Jahr 2020 wieder wettmachen, als die Konjunktur um 4,6 Prozent einbrach. Das BIP liegt noch zwei Prozent unter dem Niveau des Vorkrisenjahres 2019. Zudem zeigt sich, wie anfällig der Aufschwung noch ist: Ende 2021 schrumpfte die Wirtschaft wegen der vierten Virus-Welle und weiterer Einschränkungen erneut. In diesem Jahr soll es stärker bergauf gehen - wenn nicht die Virus-Variante Omikron für größere Einbußen sorgt als ohnehin schon befürchtet.
Das exportorientierte Deutschland hinkt beim Wachstum den anderen Euro-Schwergewichten zwar deutlich hinterher. So geht die EU-Kommission in ihrer jüngsten Prognose davon aus, dass Frankreich (plus 6,5 Prozent), Italien (6,2 Prozent) und Spanien (4,6 Prozent) im Vorjahr teilweise mehr als doppelt so stark zugelegt haben. Allerdings sind diese Länder in der Rezession 2020 konjunkturell auch viel massiver unter die Räder gekommen.
WACHSTUMSMOTOR BIONTECH - IMPFSTOFF KURBELT KONJUNKTUR AN
Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft wäre ohne den geschäftlichen Erfolg von BioNTech mit seinem Covid-19-Impfstoff eine Nummer kleiner ausgefallen. Etwa 0,5 Prozent dürfte die mittlerweile weltbekannte Mainzer Firma 2021 zum BIP beigesteuert haben, schätzen sowohl das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) als auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). "Es gibt einen deutlichen BioNTech-Effekt", sagte IMK-Experte Sebastian Dullien der Nachrichtenagentur Reuters. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ein einzelnes deutsches Unternehmen jemals so stark zum Wachstum beigetragen hat." Das Statistikamt räumte ein, dass BioNTech die Konjunktur spürbar angekurbelt habe, wollte sich aber nicht konkreter dazu äußern.
Der Kampf gegen die Pandemie riss derweil das zweite Jahr in Folge ein tiefes Loch in die deutsche Staatskasse. Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherung nahmen zusammen rund 154 Milliarden Euro weniger ein als sie ausgaben. Dies ist das zweithöchste Defizit seit der deutschen Vereinigung und entspricht 4,3 Prozent des BIP. Der Staat gab wegen der Corona-Krise viel Geld für Soforthilfen an Firmen, Impfzentren, kostenlose Tests sowie zur Unterstützung der Krankenhäuser aus. Auch wurden Milliardenhilfen für Opfer der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli gezahlt.
Im vergangenen Jahr belasteten Lieferengpässe, gestiegene Preise bei Rohstoffen und Energie sowie die allgemein hohe Inflation Firmen und Verbraucher. Die dritte und vierte Corona-Welle dämpften Handel, Tourismus sowie Gastgewerbe und verhinderten eine schnellere Erholung. Bei der Baubranche lief es besser, die Investitionen stiegen hier um 0,5 Prozent. Die Industrie konnte sich zwar wieder berappeln und mehr Aufträge an Land ziehen, kämpft aber nach wie vor mit Materialknappheit und mit höheren Preisen. Die Exporte kletterten 2021 um 9,4 Prozent, während die Importe um 8,6 Prozent stiegen.
Der Konsum des Staates stieg erneut kräftig um 3,4 Prozent, während die Ausgaben der Verbraucher nur stagnierten und zum Vorkrisenjahr 2019 sogar um fast sechs Prozent sanken. Hier bremsten vor allem der lange Lockdown und weitere Einschränkungen wie 2G-Regeln im Einzelhandel und Gastgewerbe.
"KONJUNKTURKESSEL DAMPFT DANN MÄCHTIG" - RISIKEN BLEIBEN
Ende vergangenen Jahres forderte die vierte Corona-Welle mit weiteren Gegenmaßnahmen erneut Tribut: Die Wirtschaft sei zwischen Oktober und Dezember zum Vorquartal um 0,5 bis 1,0 Prozent geschrumpft, erklärte das Statistikamt in einer ersten Schätzung. "Offenbar hat der Corona-bedingte Einbruch bei den Dienstleistungen das sich abzeichnende leichte Plus in der Industrie überkompensiert", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Für das erste Quartal 2022 erwarten wir wegen der Omikron-Variante ein weiteres Minus." Danach dürfte sich die Wirtschaft stark erholen und im Gesamtjahr drei Prozent wachsen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erklärte: "Wir rechnen damit, dass das Wachstum und die Erholung sich in den nächsten Quartalen gegenüber den Prognosen verlangsamt, aber nach hinten raus dann höher wird."
Die Konjunktur steht und fällt mit dem Pandemieverlauf. "Mit der aktuellen Omikron-Virus-Welle steht der wirtschaftliche Jahresanfang 2022 unter keinen guten Vorzeichen", erklärte Christoph Swonke von der DZ Bank. Während der Industrieverband BDI dieses Jahr mit 3,5 Prozent Wachstum rechnet, erwartet das IMK-Institut sogar plus 4,5 Prozent. "Zu einem guten Wachstumsjahr wird 2022 nur dann, wenn die Corona-Pandemie und der extreme Materialmangel nachlassen", betonte Chefökonom Alexander Krüger von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe. "Unterstützt von hohen Auftragsbeständen und tiefen Realzinsen dürfte der Konjunkturkessel dann mächtig dampfen." Es bleibe zu hoffen, dass der Inflationsanstieg auf zuletzt 5,3 Prozent die Verbraucher nicht stärker verunsichere.
LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch bleibt mit Blick auf gestörte Lieferketten, hohe Energiekosten und die Unwägbarkeiten der Pandemie skeptisch: "Es gibt weiterhin viele Gründe, sich Sorgen um die Konjunktur zu machen."
rtr