Wegen der hohen Preissteigerungen bei Immobilien müssten zudem Grund- und Grunderwerbssteuer überarbeitet werden. Das Land stehe vor "wirtschaftspolitischen Weichenstellungen", sagte der Chef der fünf Top-Ökonomen, Christoph Schmidt, in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte zu, sich mit Fragen der internationalen Besteuerung intensiv auseinanderzusetzen. Die Ökonomen befürchten, dass Deutschland im Standortwettbewerb sonst den Kürzeren ziehen könnte: "Die Bundesregierung muss relativ rasch handeln, bevor wir wieder in größere Schwierigkeiten geraten", mahnte der Freiburger Wirtschaftsweise Lars Feld.

Die Ökonomen sehen auch deshalb Handlungsbedarf, weil die Konjunktur "in der längsten Aufschwungphase der Nachkriegszeit" an Tempo zu verlieren droht. Für 2018 veranschlagen sie nur noch ein Wachstumstempo beim Bruttoinlandsprodukt von 1,6 Prozent und für 2019 von 1,5 Prozent. Sie sind damit pessimistischer als die Bundesregierung und führende Forschungsinstitute. Schmidt sieht einen der Gründe darin, dass der Sachverständigenrat die absehbare Konjunkturdelle im dritten Quartal bereits in seinen Prognosen berücksichtigt hat.

Die Probleme der Autobranche mit dem neuen Abgastest WLTP bremsten demnach die Entwicklung im Sommer. Die Ökonomen gehen davon aus, dass die Wirtschaftsleistung im dritten Quartal leicht zurückgegangen sein dürfte: "Und das kann auch nicht aufgeholt werden. Die Kapazitäten sind ausgereizt", so Schmidt.

"DIE LUFT WIRD DÜNNER"



DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sieht eine wichtige Botschaft im Gutachten der Weisen: "Die Luft wird dünner. Der Sachverständigenrat verweist zu Recht auf die aktuellen Risiken für die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Landes." Schmidt sagte, es sei wahrscheinlich, dass die Vereinigten Staaten nach den Steuersenkungen für Investitionen attraktiver würden. Auch Länder wie Frankreich und Belgien hätten bereits reagiert. "Darauf sollte die Bundesregierung eine Antwort haben."

Der deutsche Außenhandel sieht dies ähnlich: Die Steuerbelastung für die Unternehmen rangiere international bereits heute im oberen Drittel. Strukturreformen bei der Firmenbesteuerung seien überfällig, so Verbandspräsident Holger Bingmann.

Dabei hat der Fiskus derzeit relativ viel Spielraum: Hierzulande sprudeln die Steuerquellen kräftig. Spitzenverbände der Wirtschaft fordern daher Entlastungen. Der DIHK dringt wie die Wirtschaftsweisen auf den vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags, den die Koalition bislang ab 2021 nur für 90 Prozent der Steuerpflichtigen abschaffen will. Bundesfinanzminister Olaf Scholz verweist aber auf den Koalitionsvertrag, in dem die Komplett-Abschaffung nicht vorgesehen ist, und betont: "Dabei wird es auch bleiben."

Auf Kritik trafen die Empfehlungen der Ökonomen bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Der CDU-Politiker plädiert - anders als die Wirtschaftsweisen - im Einzelfall für staatliche Eingriffe in die Industrie, etwa bei der Batteriezellfertigung. Die Batterie stehe für rund 40 Prozent der Wertschöpfung im Bereich der Elektromobilität. "Hier dürfen wir uns nicht damit abfinden, dass diese Wertschöpfung in der Zukunft allein in Asien und den USA stattfindet." Es sei die Aufgabe des Staats, die deutsche und europäische Industrie dabei zu unterstützen, schnell aufzuholen und wettbewerbsfähig zu werden. Die Wirtschaftsweisen halten dem entgegen, dass der Staat "möglichst technologieoffen" sein sollte und sich somit nicht auf eine "spezielle Förderung" einer Energieform bei der Mobilität der Zukunft festlegen sollte.

rtr