€uro am Sonntag: Für wie wahrscheinlich halten Sie derzeit eine Stagflation, also dass die Wirtschaft nicht wächst und gleichzeitig Inflation herrscht?


Monika Schnitzer: Das hängt sehr von der Entwicklung in der Ukraine und der Pandemie ab. Wir gehen für Deutschland und den Euroraum für 2022 und 2023 noch von positivem Wachstum aus. Wenn der Krieg andauert, die Energiepreise hoch bleiben und es zum Stopp russischer Energielieferungen kommt, rechnen wir mit einer deutlichen Rezession, was eine Stagflation wahrscheinlicher macht.

Was ist für Sie die größere Gefahr: eine ­ausufernde Inflation oder eine stagnierende Wirtschaft, gar eine Rezession?


Eine anhaltende Inflation ist deswegen so problematisch, weil sie die Erwartungen verändert, das heißt, die Inflationserwartungen sind dann nicht mehr verankert. Das macht es für die EZB noch schwerer, die Inflation einzudämmen. Aber auch eine Rezession wäre problematisch, weil dann die Mittel fehlen, um Krisenfolgen, Energiewende und Digitalisierung zu bewältigen. Das wiederum verschärft die Gefahr einer länger anhaltenden Stagnation.

Was kann die Politik tun?


Die Regierung hat rasch und richtig gehandelt, um Alternativen für russische Energie aufzutun und Vorkehrungen für Lieferstopps zu treffen. Beim Entlastungspaket gab es eine Reihe zielführender Maßnahmen, etwa Einmalzahlungen an Bedürftige, um höhere Energiepreise abzufedern. Dazu zählt auch die Unterstützung für Unternehmen wie erweiterte Verlustverrechnung oder verlängerte degressive Abschreibung. Weniger zielführend ist hingegen die pauschale Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe, weil damit die Lenkungswirkung des Preises und Einspar­anreize reduziert werden - und weil davon auch Menschen profitieren, die die Last höherer Preise tragen können.

fp