Die auf Holz angewiesenen Dachdecker sind besonders hart getroffen: Die Preise für Latten zum Aufbau von Dachstühlen seien seit Februar explodiert, beklagt Dirk Bollwerk, Präsident des Dachdeckerverbands ZVHD und Chef eines mittelständischen Betriebes in Nordrhein-Westfalen, im Gespräch mit Reuters. "Und dabei muss man Glück haben, überhaupt etwas zu kriegen." In seiner Handwerkszunft mehrten sich Berichte über Baustopps. "Die Holzkrise hat uns im Dachdeckerhandwerk kalt erwischt."
Mit den Problemen sind die Dachdecker nicht allein: 39,4 Prozent der Baufirmen gaben in der Mai-Umfrage des Ifo-Instituts an, dass sie Probleme bei der Materialbeschaffung haben. Die Politik hat die Brisanz des Problems erkannt, das im heraufziehenden Wahlkampf auch ein Thema werden dürfte. Denn der Traum von den eigenen vier Wänden könnte für manchen platzen. Bauherren müssen fürchten, bei laufenden Projekten wegen der enormen Kostensteigerungen in die Bredouille zu geraten. Die seit Anfang des Jahres aufgelaufenen Mehrkosten beim Material können sich beim Dach und den übrigen Gewerken bei einem Einfamilienhaus kräftig summieren. "Da kommen über alle Positionen 15 bis 20 Prozent zusammen. Holz schlägt dabei bisweilen mit dem doppelten bis dreifachen Preis ziemlich ins Kontor", rechnet Verbandspräsident Bollwerk vor.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat bei einem Runden Tisch mit der Bau- und Holzbranche Erleichterungen angedeutet, will aber von Exportbeschränkungen nichts wissen. Denn diese könnten einen Bumerang-Effekt auslösen, wenn andere Länder sich ebenso abschotten würden: "Damit wäre niemand auf dem Weltmarkt geholfen", so eine Sprecherin des Ressorts von Altmaier. Dieser sieht laut dem Dachdeckerverband allerdings Handlungsbedarf beim Verzicht auf Konventionalstrafen bei lieferbedingten Bauzeitverzögerungen. Zudem wird die verstärkte Nutzung von sogenannten Preisgleitklauseln diskutiert: "Diese führen dazu, dass Anbieter oder Lieferanten höhere Preise einfacher weitergeben oder durchreichen können", erläutert Bollwerk. Der Präsident des Handwerksverbands ZDH, Hans Peter Wollseifer, sieht öffentliche Auftraggeber in einer Vorbildfunktion: Sie müssten die Klauseln zum Standard machen.
PANDEMIE WIRBELT LIEFERKETTEN DURCHEINANDER
Die Ursachen der Lieferprobleme liegen in der Corona-Pandemie begründet: "Mit dem Wiedererstarken der Volkswirtschaften in den USA und in China wurden die internationalen Lieferketten durcheinander gewirbelt", erläutert der Bauverband ZDB. Die hohe internationale Nachfrage nach Holz, der Schädlingsbefall von Wäldern in Europa und Kanada sowie Exportbeschränkungen führten zu steigenden Preisen und Holzknappheit auch in Deutschland - zumal andere Länder deutlich mehr für Schnittholz zahlten. Mit Blick auf den Materialmangel, der auch Kunststoffe betrifft, warnte ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa jüngst: "Die Engpässe haben das Potenzial, die Baustellen im Sommer zum Erliegen zu bringen."
Verschärft wird das Problem dadurch, dass 2020 einige Sägewerke hierzulande in der Corona-Krise dichtmachten. Die verbliebenen Betriebe werden der sprunghaft gewachsenen Nachfrage nicht Herr. Bundesgeschäftsführer Markus Jerger vom Mittelstandsverband BVMW schlägt dem Landwirtschaftsministerium vor, die Einschlagbeschränkungen für Fichtenholz im laufenden Wirtschaftsjahr aufzuheben. Hintergrund der Begrenzung sind jedoch extreme Waldschäden durch Dürre, Stürme und Borkenkäfer. Mit Blick auf den Materialmangel auf den Baustellen hofft Dachdecker-Präsident Bollwerk, dass sich die Lage in den kommenden Monaten ein wenig entspannen wird. "Aber es kann auch sein, dass es nur bei der Hoffnung bleibt."
rtr