Der WTI-Future befindet sich derzeit auf einer Achterbahnfahrt der Gefühle, während der Optimismus der Terminspekulanten in den vergangenen Wochen sukzessive zugenommen hat. Im wöchentlichen Rhythmus informiert die CFTC über die long bzw. short positionierten WTI-Futures kommerzieller Branchenangehöriger (Commercials), Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables).
Das Update vom Freitagabend wies zum vierten Mal in Folge einen Anstieg der kumulierten Netto-Long-Position (optimistische Markterwartung) großer und kleiner Spekulanten aus.
Diese kletterte in der Woche zum 15. September von 225.406 auf 238.958 Kontrakte (+6,0 Prozent), was im Wesentlichen auf die Transaktionen der Großspekulanten zurückzuführen war. Weil sie ihr Short-Exposure im Berichtszeitraum massiv reduziert haben, war bei der Netto-Long-Position ein signifikanter Zuwachs von 230.430 auf 239.386 Futures (+3,9 Prozent) registriert worden.
Dies stellte den höchsten Wert seit eineinhalb Monaten dar, liegt aber meilenweit unter dem Wert von Juni 2014. Damals waren große Spekulanten mit fast 459.000 Kontrakten netto long und somit optimistisch wie nie.
Bei den Kleinspekulanten stellt sich die aktuelle Lage etwas anders dar. Sie haben auf Wochensicht ihre Netto-Short-Position (pessimistische Markterwartung) von minus 5.024 auf minus 428 Kontrakte zurückgefahren und bewegen sich stimmungsmäßig daher eher im neutralen Bereich. Das war allerdings nicht immer so: Im Juli 2014, als die Welt bei Rohöl noch in Ordnung war, waren sie immerhin mit fast 38.000 WTI-Futures netto long. Ein Blick auf das Put/Call-Ratio von Rohöl zeigt derzeit allerdings ein hohes Maß an Pessimismus an. Dieses bewegt sich auf dem Niveau von Frühjahr 2009, als der Ölpreis seinen durch die Finanzkrise ausgelösten Kurssturz um 75 Prozent ausgestanden hatte.
Auf Seite 2: Volatilität auf Bergfahrt
Aus charttechnischer Sicht fällt bei der US-Sorte WTI vor allem eines auf: die enorm hohe Volatilität. Die Terminbörse Chicago Board Options Exchange veröffentlicht täglich einen Volatilitätsindex, der aus Optionen eines großen Rohöl-ETFs ermittelt wird und die erwartete Volatilität des Ölpreises anzeigt.
Mit aktuell 45,8 Prozent übertrifft dieser Volatilitätsindex die Pendants auf Gold (16,5 Prozent) und Silber (29,9 Prozent) recht deutlich. In den vergangenen zwölf Monaten hat sich im Zuge des Ölpreisverfalls um über 50 Prozent die "Vola" von 20 auf rund 46 Prozent mehr als verdoppelt.
Ende August gelang dem WTI-Future ein eindrucksvoller Ausbruch aus dem steilen Abwärtstrend. Nach einem Kurssprung von 29 Prozent innerhalb von lediglich fünf Handelstagen, kehrte allerdings wieder Ernüchterung ein. Ein solider Boden bildete sich dann oberhalb von 44 Dollar. Diesen hat der Ölpreis zeitweise deutlich hinter sich gelassen. Richtig spannend wird es beim Blick nach oben im Bereich von 52 Dollar.
Hier verläuft nämlich nicht nur die 100- sowie die 200-Tage-Linie, sondern auch die obere Begrenzung des seit Sommer 2014 intakten langfristigen Abwärtstrends. Ein nachhaltiges Überwinden dieser Marke lässt sich unter charttechnischen Aspekten als Trendwechselsignal interpretieren.
Die fundamentale Lage dürfte sich aber weiterhin als starker Bremsklotz erweisen. In den USA, wo der in den vergangenen Jahren zu beobachtende Produktionsboom bei Schieferöl für den Ölpreisverfall maßgeblich verantwortlich war, wird mittlerweile zwar weniger intensiv gefördert, am enormen Überangebot hat sich allerdings wenig geändert. Die Chinesen haben zwar fleißig importiert und dadurch ihre Lagerbestände nach oben gefahren, sollte die nachlassende Wachstumsdynamik der chinesischen Wirtschaft aber weiterhin anhalten, dürfte das Problem des globalen Überangebots auch in Zukunft die Perspektiven des fossilen Energieträgers belasten.
Dieses dürfte sich nur verflüchtigen, wenn Rohöl wieder verstärkt verbraucht und nicht gebunkert wird. Danach sieht es derzeit aber eher nicht aus.
Zum Commitments of Traders-Report:
Einmal pro Woche veröffentlicht die US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC) den sogenannten Commitments of Traders-Report (COT) für sämtliche US-Terminbörsen und deren angebotenen Futures. Im wöchentlichen Rhythmus wird unter anderem die Anzahl der offenen Kontrakte (Open Interest) für jeden Basiswert veröffentlicht. Sie bringt zum Ausdruck, wie sich das allgemeine Interesse auf Wochensicht entwickelt hat. < br>
Außerdem zeigt der COT-Report auf Basis der Marktdaten des jeweiligen Dienstags auf, wie sich die Marktpositionen der kommerziellen Branchenvertreter (Commercials) und der spekulativen Marktakteure - aufgeteilt in Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) - innerhalb einer Woche verändert haben.
Für jede Gruppe von Marktakteuren werden jeweils deren Long- und Short-Positionen aufgeführt. Übertrifft die Long-Seite das Short-Engagement wird von einer Netto-Long-Position gesprochen, die eine mehrheitlich optimistische Markterwartung zum Ausdruck bringt. Im anderen Fall (mehr short als long) handelt es sich um eine Netto-Short-Position, die eine tendenziell pessimistische Markterwartung anzeigt.
Für die Aktivitäten der spekulativen Marktakteure interessieren sich die Marktbeobachter normalerweise besonders stark, da ihr Handeln vor allem auf das Erzielen möglichst hoher Gewinne ausgerichtet ist und daher einen starken Einfluss auf die Preisentwicklung und das Marktsentiment ausüben kann.
Zum Autor:
Jörg Bernhard ist freier Journalist und hat sich in den vergangenen Jahren auf Zertifikate-, Rohstoff- und Edelmetallinvestments spezialisiert.