Der Markt boomt. Zertifikate sind börsennotierte Wertpapiere, deren Preise aus den Kursen anderer Vermögenswerte - etwa Aktien, Anleihen, Rohstoffe und eine Vielzahl von Indizes - abgeleitet werden. Es sind strukturierte Produkte, die mehrere Komponenten enthalten, die die Rendite bestimmen. Bei den Banken, die die Papiere herausgeben, brummt das Geschäft. Nach Daten der im Deutschen Derivate Verband (DDV) zusammengeschlossenen Emittenten lag das Marktvolumen in Deutschland Ende November bei 66 Milliarden Euro - rund ein Prozent mehr als im Vorjahr.
Etwa 1,7 Millionen verschiedene solcher derivativen Wertpapiere sind in Deutschland derzeit im Umlauf. Die größte Auswahl finden Anleger bei Hebelprodukten wie Knock-outs und Optionsscheinen. Sie stellen 70 Prozent aller Zertifikate, sind aber vor allem für diejenigen etwas, die schnell kaufen und verkaufen. Das zeigt sich an den Umsätzen. Mit den tendenziell risikoreicheren Hebelprodukten, bei denen potenziell hohen Gewinnen extreme Risiken bis hin zum Totalverlust gegenüberstehen, setzten 2018 die Börsen Frankfurt und Stuttgart 22 Milliarden Euro um - 55 Prozent des gesamten Ordervolumens.
Die zweite Gruppe innerhalb der Zertifikate-Welt sind die Anlageprodukte - wie Discount-, Bonus-, Index- und Expresszertifikate -, zudem Kapitalschutz-Zertifikate und strukturierte Anleihen. Dort sind Anleger deutlich langfristiger investiert, was die im Vergleich niedrigeren Ordervolumina von insgesamt 17,5 Milliarden Euro im Jahr 2018 erklärt.
Zugleich nehmen die Anleger für jede Transaktion von Zertifikaten wesentlich mehr Geld in die Hand als von Hebelprodukten. Während die durchschnittliche Ordergröße bei Langfristpapieren im Dezember 2018 bei mehr als 36 000 Euro lag, waren es bei Knock-outs und Co nur gut 4200 Euro. Unterm Strich wurde 30-mal mehr in Anlageprodukte investiert. Deren Kapitalisierung erreichte Ende des Jahres 64 Milliarden Euro; die der Hebelprodukte dagegen nur zwei Milliarden Euro.
Die gefragtesten Zertifikate. Am beliebtesten unter den Anlageprodukten waren laut DDV 2018 Discountzertifikate mit einem Anteil am Ordervolumen von 38 Prozent, knapp vor Bonuspapieren mit 35 Prozent. Auf Rang 3 folgen Indexzertifikate mit zehn Prozent. Bezogen auf das investierte Kapital liegen strukturierte Anleihen vorn. Dort waren Ende des Jahres 19,5 Milliarden Euro investiert - 30 Prozent des Gesamtvolumens. Dabei handelt es sich meist um schwer zu durchschauende Konstruktionen aus Zinskomponenten. Zusammen mit Kapitalschutz-Zertifikaten bildeten strukturierte Anleihen einst zwei Drittel des Markts. Doch weil solche Produkte vor zehn Jahren die Finanzkrise ausgelöst hatten, machen viele darum einen Bogen. Das hat mit dazu beigetragen, dass sich das Zertifikatevolumen in Deutschland seit 2007, als es mit 140 Milliarden Euro einen Höchststand erreichte, in etwa halbiert hat.
Anders als beim Kauf von Aktien und Anleihen investieren Anleger bei Zertifikaten nicht direkt in die zugrunde liegenden Wertpapiere. Sie sind vielmehr Schuldverschreibungen der Emittenten. Das heißt, dass Anleger - unter anderem - keinen Anspruch auf Dividenden haben. Zudem besteht das Risiko, dass Anleger bei einer Pleite des Emittenten ihr Geld verlieren können - unabhängig von der Wertentwicklung des Basiswerts. Die Bonität des Emittenten ist daher von großer Bedeutung.
Auf Seite 2: Discountzertifikate
Discountzertifikate
Bei Discountzertifikaten erhalten Käufer einen Rabatt auf den aktuellen Kurs des Basiswerts, sodass sie diesen günstiger kaufen als beim direkten Erwerb. Heißt: Der Basiswert kann zum Ende der Laufzeit sogar um ein paar Prozent fallen, und der Käufer macht dennoch Gewinn. Dadurch bietet der Discountschein auch einen Puffer gegen Verluste. Dieser Vorteil wird mit einer Begrenzung des möglichen Gewinns auf einen Höchstbetrag erkauft - definiert durch die Obergrenze (Cap). Steigt der Basiswert darüber, nimmt der Discounter nicht mehr an dieser Wertsteigerung teil.
Am Ende der Laufzeit wird der Höchstbetrag ausgeschüttet, sofern der Basiswert auf oder über dem Cap notiert. Ansonsten entspricht der Wert des Discounters dem Basiswert.
Die Höhe des Discounts ist von Faktoren wie der Laufzeit und dem gewählten Cap abhängig. Grundsätzlich gilt: Je länger die Laufzeit, desto höher ist der gewährte Abschlag. Ein hoher Cap geht umgekehrt mit einem niedrigen Discount einher.
Diese Zertifikate eignen sich für Anleger, die weder erwarten, dass der Basiswert stark fällt, noch, dass er massiv steigt, also für Seitwärtsbewegungen mit tendenziell aufwärts gerichteter Tendenz. Je nach Markterwartung können Discount und Höchstbetrag gegeneinander abgewogen werden.
Auf Seite 3: Bonuszertifikate
Bonuszertifikate
Bonuszertifikate bieten unter bestimmten Bedingungen einen Extragewinn (Bonus) auf den Basiswert. Voraussetzung ist, dass der Kurs des Basiswerts während der Zertifikatelaufzeit eine zuvor definierte untere Kursschwelle (Barriere) nicht berührt. Der Bonus entspricht einem Kurs oberhalb der aktuellen Notierung. Der Bonus verfällt, sobald die Barriere berührt wurde, selbst wenn der Kurs am Laufzeitende wieder höher sein sollte. Dann wird das Zertifikat analog zum Basiswert abgerechnet.
Der Bonus begrenzt jedoch das Kurspotenzial nach oben nicht. Selbst wenn der Kurs des Basiswerts über das Bonuslevel steigt, partizipiert das Zertifikat eins zu eins an der Wertentwicklung. Das gilt auch, wenn der Basiswert die Barriere während der Laufzeit verletzt haben sollte.
Bei der Auswahl von Bonus und Barriere gilt: Je höher die Bonusschwelle vom aktuellen Kursniveau entfernt ist, desto geringer ist die Sicherheitszone zur Barriere. Damit bieten sich Anlegern interessante Justierungsmöglichkeiten. Mit einer tiefen Barriere können sich Anleger zum Beispiel schon kleine Gewinne absichern. Auch das Aufgeld spielt für die Rendite eine Rolle. Je mehr der Anleger für einen Schein zu zahlen gewillt ist - gemessen am Kurs des Basiswerts -, desto höher ist der Bonus. Wird in dem Fall aber die Barriere gerissen, fällt auch der Verlust höher aus.
Auf Seite 4: Indexzertifikate
Indexzertifikate
Indexzertifikate sind Derivate, die einem Index eins zu eins folgen. Die Auswahl ist groß. Anleger können gezielt und einfach in einzelne Märkte und Branchen investieren. Etwa in große Börsenindizes wie DAX, Dow Jones oder FTSE, aber auch in asiatische, afrikanische und regionale Aktienmärkte sowie in viele Nebenwerte-Indizes. Weitere Bausteine sind spezielle Branchenbarometer, die gezielte Investments in bestimmte Themen und Technologien ermöglichen. Viele solcher Kursbarometer werden von den Emittenten eigens zum Investieren mit Zertifikaten und anderen Papieren konzipiert.
Ein wichtiger Aspekt bei der Auswahl der Zertifikate ist - insbesondere bei großen Aktienindizes - die Frage nach Preis- oder Performance-Barometer. Ein reiner Preisindex berücksichtigt keine Dividenden. Die Ausschüttungen sind aber für die langfristige Wertentwicklung einer Aktie mitentscheidend. Der Deutsche Derivate Verband rät Anlegern deshalb, sich vor der Transaktion in ein Indexzertifikat zu informieren, welche Indexkonzeptionen zur Verfügung stehen. Viele Aktienindizes werden in beiden Varianten berechnet.
Bei Zertifikaten auf Performance-Indizes können allerdings Verwaltungsgebühren anfallen, da dem Emittenten die Dividenden zur Finanzierung des Produkts nicht zur Verfügung stehen.
Sie wollen weitere Artikel aus dem aktuellen €uro Magazin lesen? Hier kommen Sie zur Digital-Ausgabe.