Das Barometer für die Erwartungen in den nächsten sechs Monaten fiel im Juli um 26 Punkte auf minus 6,8 Zähler und damit auf den niedrigsten Stand seit November 2012, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag unter Berufung auf seine Umfrage unter 220 Analysten und Anlegern mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang auf plus 9,0 Punkte gerechnet.

"Das Brexit-Votum hat die Finanzmarktexperten mehrheitlich überrascht", sagte ZEW-Präsident Achim Wambach. Die deutliche Eintrübung der Indikators sei "maßgeblich auf die ungewissen Folgen des Votums für die deutsche Volkswirtschaft zurückzuführen". Vor allem die Sorge um die Absatzmöglichkeiten für Unternehmen und die Stabilität des europäischen Banken- und Finanzsystems dürften den Konjunkturausblick belasten, betonte Wambach. Ob es bereits im laufenden Jahr zu größeren Bremsspuren kommt, wird sich zeigen, nachdem die ersten Wogen geglättet sind, wie der Chefökonom der Liechtensteiner VP Bank, Thomas Gitzel, sagte. "Es ist durchaus denkbar, dass die bundesdeutsche Konjunktur mit einem blauen Auge davon kommt."

Die ZEW-Daten sind der erste größere Index für die deutsche Konjunktur seit dem Referendum Ende Juni. Die Briten haben in der Volksabstimmung für einen Austritt aus der Europäischen Union votiert. Ökonomen gehen davon aus, dass ein solcher Brexit die britische Wirtschaft an den Rand der Rezession bringen könnte. Zuletzt trübte sich bereits die Stimmung der Industriebetriebe ein.

Auch die hiesige Konjunktur dürfte die Folgen zu spüren bekommen. So rechnet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) mit einem kräftigen Rückgang der Exporte nach Großbritannien. Das Berliner DIW-Institut macht für 2017 Bremsspuren beim Bruttoinlandsprodukt von 0,5 Prozentpunkten aus. Die Bundesbank erwartet für 2016, dass sich das Wirtschaftwachstum in der Bundesrepublik von 0,7 Prozent zu Jahresanfang im Frühjahr verlangsamt hat. Für das laufende Sommerquartal sagen die Währungshüter wieder einen "deutlichen Anstieg voraus". Die Folgen des Brexit-Votums seien bisher kaum einzuschätzen, dürften "zumindest kurzfristig aber begrenzt bleiben".