"Der rasche Energiepreisanstieg führt zu steigenden Kosten für die Unternehmen, die diese an ihre Kunden weitergeben", sagte Volkswirt Bert Colijn von der ING Bank. Die Inflation in der Euro-Zone stieg im Mai überraschend stark auf ein Rekordhoch von 8,1 Prozent. Größere Zinsschritte der EZB von einem halben Prozentpunkt schienen nicht mehr unmöglich, sagte Commerzbank-Analystin You-Na Park-Heger. Allerdings sei dies nicht ihr Basis-Szenario.
EU VERFÜGT IMPORTSTOPP FÜR GROSSTEIL RUSSISCHEN ÖLS
Börsianer gehen angesichts weiter steigenden Energiepreise nicht davon aus, dass der Teuerungsdruck seinen Höhepunkt bereits erreicht hat. Unter anderem wegen des EU-Embargos für einen Großteil russischer Ölimporte stieg der Preis für die Sorte Brent aus der Nordsee um bis zu zwei Prozent auf ein Drei-Monats-Hoch von 124,10 Dollar je Barrel (159 Liter). "Der Bann wird vor dem Hintergrund der bereits hohen Inflation und der Lieferketten-Probleme die Euro-Zone in eine Rezession stürzen", warnten die Analysten der Rabobank.
Gleichzeitig zog der europäische Erdgas-Future um fünf Prozent auf 91 Euro je Megawattstunde an. Es fließe weniger russisches Gas auf Russland durch die Pipelines nach Westen, sagten Börsianer. Grund sei offenbar der Lieferstopp des Konzerns GazpromGAZP.MM an den niederländischen Gashändler GasTerra, weil dieser Zahlungen nicht wie gefordert in Rubel geleistet habe.
Vor diesem Hintergrund griffen Investoren bei europäischen Öl- und Gaswerten zu. Der Index dieser Branche stieg um bis zu zwei Prozent auf ein Dreieinhalb-Jahres-Hoch von 356,13 Punkten. Aus den Depots flogen dagegen Airlines, für die Treibstoff ein wichtiger Kostenfaktor ist. Die Aktien der LufthansaLHAG.DE und der British Airways-Mutter IAG sowie der Billig-Flieger EasyJet und Ryanair fielen um bis zu vier Prozent.
LANXESS PUNKTET MIT ZUKAUF - DSM MIT MILLIARDEN-FUSION
Titel von Lanxess steuerten dagegen mit einem Plus von bis zu 14 Prozent auf den größten Tagesgewinn seit mehr als zwei Jahren zu. Der Spezialchemiekonzern übernimmt gemeinsam mit dem Finanzinvestor Advent das Kunststoffgeschäft des niederländischen Rivalen DSM. Die Lanxess-Sparte, die die Deutschen in dieses Joint Venture einbrächten, werde deutlich höher bewertet als von ihm erwartet, kommentierte Analyst Chris Counihan von der Investmentbank Jefferies. Außerdem erhalte der Konzern die Option, seine Anteile an der Gemeinschaftsfirma binnen drei Jahren loszuschlagen.
In Amsterdam winkte DSM mit einem Plus von zeitweise fast 13 Prozent der größte Tagesgewinn der Firmengeschichte. Parallel zum Lanxess-Deal kündigte das Unternehmen eine milliardenschwere Fusion mit dem Schweizer Duft- und Aromen-Hersteller Firmenich an. Damit entstehe einen neue Supermacht der Branche, schrieben die Analysten der Citibank. Dies drückte die Kurse der Firmenich-Rivalen Givaudan und Symrise jeweils mehr als 2,5 Prozent ins Minus.
Stark gefragt waren auch Unilever, die sich um 6,5 Prozent verteuerten. Der Einzug des Milliardärs und aktivistischen Investors Nelson Peltz in den Verwaltungsrat erhöhe den Druck auf das Management des Konsumgüter-Anbieters, die verschiedenen Geschäftsfelder auf Linie zu bringen, sagte Finanzmarkt-Experte Russ Mould vom Brokerhaus AJ Bell.
rtr