Am Donnerstag hatte die Europäische Zentralbank (EZB) für Juli die erste Anhebung seit elf Jahren angekündigt und den Dax.GDAXI damit ordentlich ins Wanken gebracht. Bis Freitagmittag verlor er auf Wochensicht mehr als drei Prozent. Auch die kommenden Handelstage könnten turbulent werden, weil viele Anleger die Auswirkungen der Zinserhöhungen dies- und jenseits des Atlantiks auf die Konjunktur fürchten.

"Zinserhöhungen bringen ein erhöhtes Rezessionsrisiko mit sich, da es für die Zentralbanken schwierig ist, die Politik wirksam zu straffen, ohne zu weit zu gehen", sagt Eric Winograd von AllianceBernstein. Die schrittweise Politik der großen Zentralbanken und das niedrige Ausgangsniveau der Zinssätze seien für ihn allerdings ein Trost, erklärt der Experte. "Wir rechnen damit, dass sich die Weltwirtschaft verlangsamen kann, ohne zum Stillstand zukommen."

KOMMT DIE ZINSPAUSE DER FED NACH DEM SOMMER?


Für Investoren gilt eine Anhebung des US-Leitzinses um einen halben Prozentpunkt am kommenden Mittwoch als gesetzt. Für die Sitzung im Juli erwarten sie einen weiteren Schritt in dieser Größenordnung. Wie es jedoch nach der Sommerpause weitergeht, sind sie sich uneins. Einige tippen auf geringere Anhebungen um jeweils einen Viertel Prozentpunkt oder gar eine Pause. Aus Sicht von John Vail, Chef-Anlagestratege des Vermögensverwalters Nikko, ist dies jedoch unwahrscheinlich, da sich hierfür die Inflation mehrere Monate in Folge entspannen müsste.

Einen Tag nach der Fed wird die BoE ihren Schlüsselsatz den Prognosen zufolge ebenfalls anheben, allerdings nur um einen Viertel Prozentpunkt. "Die Gemengelage an den globalen Aktienmärkten bleibt herausfordernd", sagt Analyst Frank Wohlgemuth von der National-Bank in Essen. "Der unheilvolle Mix aus Ukraine-Krieg und sehr restriktiver chinesischer Corona-Politik mit seinen negativen Implikationen insbesondere hinsichtlich der Lieferketten wird seine Wirkung erst im zweiten Quartal voll entfalten."

KONJUNKTURDATEN TRETEN IN DEN HINTERGRUND


Wegen der Notenbank-Sitzungen spielen Konjunkturdaten in der neuen Woche nur eine untergeordnete Rolle. In den USA stehen wenige Stunden vor dem Fed-Entscheid am Mittwoch die US-Einzelhandelsumsätze auf dem Programm. Experten erwarten eine Verlangsamung des Wachstums im Mai auf 0,2 Prozent. Die Kauflaune der US-Verbraucher gilt als Hauptstütze der weltgrößten Volkswirtschaft und lässt Rückschlüsse auf die US-Geldpolitik zu. Sollten diese Zahlen besser ausfallen als gedacht, könnte es den Aktienmarkt allerdings belasten, gibt Natalia Bucci, Managerin bei Vermögensverwalter Lomard Odier, zu bedenken. Denn sie würden Spekulationen auf unverändert rasche Zinserhöhungen schüren.

Diesseits des Atlantik richtet sich die Aufmerksamkeit auf den ZEW-Index, der die Stimmung der deutschen Börsenprofis widerspiegelt und am Dienstag veröffentlicht wird. Commerzbank-Analyst Christoph Balz geht davon aus, dass das Barometer für die Einschätzung zur deutschen Konjunktur in den nächsten sechs Monaten im Juni den zweiten Monat in Folge gestiegen ist, mit minus 25 Punkte aber immer noch tief im negativen Bereich liegt. "Inzwischen scheint die Zuversicht wieder zuzunehmen, wohl auch weil bisher Risikoszenarien wie ein vollständiger Stopp der russischen Energielieferungen ausgeblieben sind", schreibt der Analyst in einem Kommentar.

rtr