Während die Angst vor weiteren Terrorakten und einem Streikchaos die Debatten bestimmt, hoffen viele Franzosen auf Ablenkung durch eine erfolgreiche EM des heimischen Teams, das als einer der Topfavoriten gilt. Dessen erste Bewährungsprobe war das Eröffnungsspiel am Abend gegen Rumänien im Stade de France, vor dessen Toren sich vor neun Monaten während des Länderspiels gegen Deutschland Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt hatten.

Bereits vor Turnierbeginn kam es in Marseille zu Ausschreitungen. Polizeiangaben zufolge lieferten sich rund 100 Engländer und etwa 50 Franzosen eine Prügelei. Zwei Engländer und vier französische Polizisten wurden verletzt. In der südfranzösischen Hafenstadt tritt am Samstag England gegen Russland an. Dann würden dort strengste Sicherheitsvorkehrungen getroffen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums.

Rund 90.000 Polizisten und Sicherheitskräfte sollen die Stadien sichern. Zu der bis zum 10. Juli dauernden Großveranstaltung werden 1,5 Millionen Fans aus dem Ausland und mindestens eine Million aus Frankreich erwartet. Eine besondere Herausforderung wird auch der Schutz der zahlreichen Fan-Meilen sein, wo sich Tausende die Begegnungen auf riesigen TV-Bildschirmen anschauen wollen. Hauptattraktion ist die Meile am Fuße des Eiffelturms, wo am Donnerstagabend ein Großkonzert offenbar reibungslos über die Bühne ging. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo sprach von fast 90.000 Zuschauern. "Alles lief wunderbar", sagte sie. "AKTION GEGEN DAS VOLK" Erhebliche Bauchschmerzen bereiten den Behörden aber die Streiks im öffentlichen Dienst. Beschäftigte der Staatsbahn SNCF ließen den zehnten Tag in Folge die Arbeit liegen. Verkehrsminister Alain Vidalies drohte den Lokführern damit, sie notfalls zur Beförderung der Zuschauer zu zwingen. Außerdem warnte er die Gewerkschaften davor, Zugverbindungen zu Spielorten zu blockieren. Die Regierung werde solch illegale Formen von Protest nicht dulden. "Das ist eine Aktion gegen Frankreich und das französische Volk", sagte Vidalies dem Sender Europe 1. Streitpunkt ist die Arbeitsmarktreform von Präsident Francois Hollande, gegen die Demonstranten seit Wochen auf die Straße gehen. Der kommende Dienstag wurde zu einem Tag des nationalen Protests ausgerufen. Drei Tage später trifft sich Gewerkschaftschef Philippe Martinez, dessen CGT die Speerspitze der Arbeitskämpfe bildet, nach eigenen Angaben mit Arbeitsministerin Myriam El Khomri. "Das fordern wir schon seit Monaten. Es ist höchste Zeit", sagte Martinez der Nachrichtenagentur Reuters. Piloten von Air France planen aus Protest gegen das Gehaltssystem einen viertägigen Ausstand ab Samstag. Nach Angaben des Unternehmens sollen rund 80 Prozent der Flüge starten. Probleme gibt es zudem mit der Abfallentsorgung, weil die Müllabfuhr streikt. In Paris türmten sich die Abfälle bereits in den Straßen. Sie sollen nun von privaten Dienstleistern abgeholt werden. "Das wird natürlich ein paar Tage dauern", sagte Bürgermeisterin Hidalgo.