Privatanleger in Deutschland haben im ersten Halbjahr 2022 mehr Vermögen eingebüßt als jemals zuvor. Die Finanzverluste beliefen sich in Summe auf 213 Milliarden Euro. Selbst 2008, als die globale Finanzkrise ihren Höhepunkt erreicht hatte, waren im Gesamtjahr nur Verluste in Höhe von 115 Milliarden Euro angefallen. Von Carl Batisweiler
„Die Zahlen führen uns die Dramatik der Entwicklungen im bisherigen Jahresverlauf nochmals drastisch vor Augen“, erklärt Salome Preiswerk, Gründerin und CEO des Robo Advisers Whitebox, der das Whitebox Rendite Radar auf Basis von Daten des Analysehauses Barkow Consulting durchgeführten Studie veröffentlicht. „Der Angriff auf die Ukraine, die hohe Inflation und die drohende Rezession haben deutliche Spuren an den Kapitalmärkten hinterlassen – und eben auch bei den Vermögen von Privatanlegern.“ Das Rekordminus folgt auf einen Rekordgewinn, denn im Jahr 2021 hatten deutsche Privatanleger erstmals mehr als 300 Milliarden Euro an Finanzerträgen erzielt.
Nun aber ließen Kursverluste in Höhe von 267 Milliarden Euro die Gesamterträge abstürzen. Daran konnten auch laufende Erträge aus Dividenden, Zinsen und anderen Ausschüttungen in Höhe von 54 Milliarden Euro nichts ändern. Entsprechend lag die Rendite privater Anleger im 1. Halbjahr 2022 über alle Anlageklassen hinweg bei minus 2,8 Prozent oder annualisiert bei minus 5,5 Prozent. Die annualisierte Realrendite, die auch die Inflation berücksichtigt, lag sogar bei minus 12,2 Prozent. Auch dies ist der niedrigste Wert seit Beginn der Datenerfassung.
Die Verluste lagen zudem im zweiten Quartal 2022 mit einem Minus von 131 Milliarden Euro nochmals deutlich höher als im ersten Quartal (minus 82 Milliarden Euro). Interessant: Es ist das erste Mal überhaupt seit dem Jahr 2009, dass Anleger in zwei aufeinander folgenden Quartalen Verluste verzeichneten. Selbst 2020, im ersten Jahr der Corona-Pandemie, gab es nur ein Verlustquartal. „Das sollte Investoren trotz der weiterhin schwierigen wirtschaftlichen und politischen Gesamtsituation Mut machen“, erläutert Salome Preiswerk. „Die Aktienkurse steigen in aller Regel schon, bevor sich die Lage in der realen Wirtschaft wirklich bessert – und gerade Verlustphasen bieten oft die besten Einstiegsgelegenheiten, weil Anleger dann gute Unternehmen zu niedrigen Preisen erwerben können.“