Bewegt die US-Notenbank früher als gedacht? Warum die Märkte plötzlich auf eine Zinssenkung im Juli hoffen. Daten entscheiden bis zur nächsten Fed-Sitzung.
In einer überraschenden Wendung hat Christopher Waller, Gouverneur der amerikanischen Notenbank, am Freitag signalisiert, dass die Federal Reserve (Fed) bereits auf ihrer nächsten Sitzung Ende Juli 2025 Zinssenkungen in Betracht ziehen könnte. Diese Aussage, die in einem Interview mit CNBC getätigt wurde, markiert einen deutlichen Bruch mit der bisherigen Zurückhaltung der Fed und könnte weitreichende Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben.
Die Federal Reserve hat die Zinssätze in den letzten vier Sitzungen unverändert gelassen, da sie die Inflation unter Kontrolle bringen wollte, ohne die Wirtschaft in eine Rezession zu stürzen. Nach Jahren hoher Inflation scheint die Lage jedoch entspannter. Waller betonte, dass die Inflation nicht länger eine akute Bedrohung darstelle und die Fed nun den Fokus auf die Stabilität des Arbeitsmarktes legen könne. „Warum sollten wir warten, bis der Arbeitsmarkt zusammenbricht, bevor wir die Zinsen senken?“ fragte er rhetorisch.
Zinssenkung schon Ende Juli?
Wallers Kommentare stehen im Kontrast zu den vorsichtigeren Tönen anderer Fed-Mitglieder, einschließlich Vorsitzendem Jerome Powell, der noch am Mittwoch betonte, dass die Fed datenabhängig handle und keine überstürzten Entscheidungen treffen werde. Die Märkte hatten bislang eine Zinssenkung im September erwartet, doch Wallers Aussage hat die Spekulationen über einen früheren Schritt angeheizt.
Waller argumentierte, dass die jüngsten Daten eine Abkühlung der Inflation zeigen, während der Arbeitsmarkt erste Anzeichen von Schwäche offenbart. „Wir befinden uns in einer Position, in der wir handeln können, und das könnte schon im Juli sein“, sagte er. Er betonte jedoch, dass die Fed behutsam vorgehen werde, um die wirtschaftliche Stabilität nicht zu gefährden. Zudem wies er darauf hin, dass potenzielle Handelszölle unter einer neuen Administration – ein Thema, das in den USA angesichts der anstehenden Wahlen heiß diskutiert wird – die Inflationsdynamik nicht wesentlich verändern dürften.
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Reaktion der Märkte
Die nächste Sitzung des Federal Open Market Committee (FOMC) findet am 29./30. Juli 2025 statt. Sollte die Fed tatsächlich die Zinsen senken, wäre dies die erste Zinssenkung seit über einem Jahr und ein klares Signal, dass die Notenbank ihre restriktive Politik lockern will.
Die Finanzmärkte reagierten prompt auf Wallers Äußerungen. Anleger erhöhten ihre Wetten auf eine Zinssenkung im Juli, wenngleich die Wahrscheinlichkeit einer Senkung im September nach wie vor höher eingeschätzt wird. Der Dow Jones schloss gestern daraufhin leicht im Plus, während der US-Dollar gegenüber anderen Währungen an Wert verlor. Anleihenrenditen sanken marginal, da die Aussicht auf niedrigere Zinsen die Nachfrage nach Staatsanleihen steigerte.
Kontroverse in der Fed
Wallers Haltung zeigt eine Spaltung innerhalb der Fed. Während einige Mitglieder weiterhin eine „abwartende“ Haltung bevorzugen, drängt Waller auf proaktives Handeln, um einem möglichen Abschwung des Arbeitsmarktes zuvorzukommen. „Ich bin dafür, jetzt über Zinssenkungen nachzudenken“, sagte er und fügte hinzu, dass die Fed die jüngsten Inflationsdaten „durchschauen“ solle, anstatt sich ausschließlich auf sie zu stützen.
Kritiker innerhalb und außerhalb der Fed warnen jedoch, dass eine zu frühe Lockerung der Geldpolitik die Inflation wieder anfachen könnte, insbesondere in einem Umfeld geopolitischer Unsicherheiten und möglicher Handelskonflikte. Ron Insana, Kolumnist bei CNBC, merkte etwa an, dass Wallers Hoffnungen auf eine Zinssenkung durch unvorhergesehene externe Faktoren wie neue Zölle durchkreuzt werden könnten.
Märkte preisen Zinssenkungen noch nicht ein
Wallers Kommentare haben die Debatte über den richtigen Zeitpunkt für Zinssenkungen neu entfacht. Anleger und Analysten werden die kommenden Wirtschaftsdaten – insbesondere zu Inflation und Arbeitsmarkt – genau beobachten, um Hinweise auf die Richtung der Fed zu erhalten. Eine Zinssenkung im Juli könnte die Finanzbedingungen lockern und Unternehmen wie Verbrauchern mehr Spielraum geben, würde aber auch die Risiken einer überhitzten Wirtschaft mit sich bringen.
Für die Märkte bleibt die Unsicherheit hoch. Während Wallers Worte Hoffnung auf eine baldige Erleichterung wecken, bleibt die Fed gespalten, und die endgültige Entscheidung wird von den Daten abhängen. Bis zur nächsten FOMC-Sitzung Ende Juli werden die Augen der Finanzwelt auf jede neue Veröffentlichung gerichtet sein.
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