Der Markt für Rohöl ist wieder in Bewegung. Ab sofort ist ein weitgehendes Embargo der EU auf russisches Erdöl in Kraft getreten. Zudem soll eine Preisobergrenze für russisches Erdöl durchgesetzt werden. Ob diese Maßnahmen wirksam sind, müssen die kommenden Wochen zeigen. Die Beschlüsse der Opec+ auf dem Treffen vom Wochenende lassen die Ölpreise steigen.

Das Konzept mutet zunächst etwas verwegen an: Die Europäische Union und ihre Partner wie die G7 und Australien wollen dem Gegner Russland vorgeben, zu welchem Preis es sein Erdöl auf dem Weltmarkt verkaufen darf. Der Preisdeckel soll zunächst bei 60 US-Dollar je Barrel liegen. Das haben die EU-Staaten am Freitagabend nach langem Hin und Her vereinbart. In der Nacht zum Samstag kündigten auch die sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte und Australien ihre Beteiligung an.

Das Ziel ist, die russischen Einnahmen aus dem Ölgeschäft zu drücken und so die Finanzierung des Kriegs gegen die Ukraine schwieriger zu machen. Andererseits soll Russland durchaus weiter Öl vermarkten. Sonst würde die wertvolle Ressource auf dem Weltmarkt noch knapper, und die Preise würden auch im Westen deutlich steigen. Also: Bitte verkaufen, aber nur billig, zu einem vom Westen diktierten Preis. Kann das funktionieren? Es ist ein Experiment mit vielen Unbekannten, das auch die Verbraucher in Deutschland berühren könnte.

So soll der Preisdeckel für russisches Öl funktionieren

Für den Preisdeckel setzt die EU den Hebel bei den Transporten per Schiff und den dafür nötigen Dienstleistungen wie Versicherungen an. Denn europäische Reedereien betreiben nach Angaben von Brüsseler Beamten mehr als die Hälfte aller Tanker auf der Welt. Das Prinzip lautet: Fuhren mit russischem Öl in Drittstaaten sind verboten – es sei denn, der Preis für die Ladung liegt nicht höher als der Deckel.

Anders gesagt: Wird die Preisgrenze eingehalten, können westliche Reedereien mit ihren Schiffen weiter russisches Öl nach Indien, China oder in andere Länder bringen. Dieselbe Regelung soll für Dienstleistungen wie Versicherungen, technische Hilfe sowie Finanzierungs- und Vermittlungsdienste gelten.

Die Hoffnung ist, dass die Preisobergrenze zu einer Entspannung an den Energiemärkten führt und Drittländer entlastet. Sie soll auch dafür sorgen, dass Russland nicht mehr von Preisanstiegen für Öl profitiert und damit seine Kriegskasse füllen kann. Nach Angaben von Estlands Regierungschefin Kaja Kallas könnte jeder Dollar weniger pro Barrel (159 Liter) die russischen Einnahmen aus dem Ölverkauf um zwei Milliarden Dollar pro Jahr drücken.

Wie reagiert Russland?

Ob die Rechnung aufgeht, lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. Die Auswirkungen hängen auch von der Reaktion Russlands und anderer großer Länder ab. Schon die die Aussicht auf eine Preisobergrenze setzte die Rohölpreise unter Druck. Doch sagt Russland, es wolle kein Rohöl an Länder verkaufen, die sich an den Preisdeckel halten. Hielte Moskau das durch, könnte es zu einer Verknappung und damit steigenden Preisen führen. Es kommt daher stark darauf an, wie sich etwa China, Indien oder Ägypten verhalten, die derzeit einen großen Teil des russischen Erdöls kaufen.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher befürwortet jedenfalls den Preisdeckel westlicher Staaten für russischen Öl. Dies sei "ein Experiment mit guten Chancen auf Erfolg", sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) der Nachrichtenagentur Reuters. Zwar habe Russland angekündigt, den Preisdeckel nicht zu akzeptieren, doch hielten Marktakteure diese Drohung nicht für realistisch. "Der Ölpreis ist in den vergangenen Monaten gesunken und auch trotz dieser Androhung nicht merklich gestiegen", sagte Fratzscher. "Somit dürfte der Preisdeckel für russisches Öl sich als erfolgreiches Instrument erweisen, globale Preise zu stabilisieren."

Ölpreise steigen leicht

Die Ölpreise steigen am Montag. Am Vormittag kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent am Terminmarkt 86,70 US-Dollar. Das waren etwa zwei Prozent mehr als am Freitag. Der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg ähnlich stark auf gut 81 Dollar.

Öl (Brent) (ISIN: FTREFF000001)

Opec+ ändert reduzierte Fördermenge vorerst nicht

Am Wochenende hat der von Saudi-Arabien und Russland angeführte Ölverbund Opec+ beschlossen, seine Förderung zunächst unverändert zu belassen. Russland drohte allerdings unilateral mit einer Kürzung seiner Produktion. Seit Anfang November fördern die rund 20 Staaten deutlich weniger Erdöl, daran soll festgehalten werden. Die Entscheidung war am Markt erwartet worden.

Die Ölförder-Staaten dürften die Auswirkungen der EU-Maßnahmen genau beobachten und bei zu starken Preisrückgängen an den Förderquoten schrauben. Eine weitere Öffnung der Covid-Beschränkungen in China könnte dort die Nachfrage wieder beleben, so dass allein dadurch eine weitere Rohöl-Preisstabilisierung eintreten könnte.

Spritpreise dürften aktuelles Niveau zunächst halten

An den Tankstellen freuen sich Kraftfahrer derzeit über gesunkene Spritpreise. Und der ADAC-Kraftstoffmarktexperte Christian Laberer erwartet kurzfristig keine gravierende Auswirkung des Ölpreisdeckels auf Benzin und Diesel. "Letztlich kommt es darauf an, ob der Deckel die Ölpreise drückt oder im Gegenteil zum Steigen bringt", sagt er. In beiden Fällen würden aber andere Faktoren wie die Entwicklung der globalen Konjunktur oder das Embargo gegen russisches Öl wohl stärker auf den Ölpreis wirken. "Zuletzt haben die Spritpreise wieder auf den Ölpreis reagiert. Ganz grundsätzlich sind sie aber immer noch zu hoch – insbesondere bei Diesel."