Die Bundesregierung bereitet Deutschland auf einen möglichen Stopp russischer Erdöl-Lieferungen vor. Die große Raffinerie in Schwedt wurde unter eine Treuhand-Verwaltung gestellt und der russische Betreiber Rosneft entmachtet. Unterdessen fallen die Rohölpreise. Der Preis für ein Barrel Brent notiert  wieder an der 90-Dollar-Marke, doch Heizöl ist weiterhin teuer.

Dreieinhalb Monate vor dem EU-weiten Öl-Embargo gegen Russland macht sich Deutschland immer unabhängiger von den Energie-Lieferungen des unberechenbar gewordenen Vertragspartners. Zum Unmut Russlands. Der Staatskonzern Rosneft will gegen die jüngste Entscheidung der Bundesregierung, den Öl-Konzern zu entmachten, vorgehen. Welche Folgen die Treuhandlösung haben könnte, ist noch ungewiss.

Russland hat bereits seine Gas-Lieferungen nach Deutschland eingestellt, niemand weiß, ob sie je wieder aufgenommen werden. "Und genauso bereiten wir uns jetzt darauf vor, dass eine ähnlich schwierige Situation entstehen kann für die beiden ostdeutschen Raffinerien, die an der Druschba-Pipeline hängen", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz.

Russland will vor Gericht ziehen

Gemeint sind die PCK-Raffinerie in Schwedt an der Oder in Brandenburg und die Raffinerie in Leuna in Sachsen-Anhalt. Beide erhalten über die Druschba-Pipeline russisches Öl. Die Anlage in Schwedt hatte bisher zudem ein besonderes Problem: Ihre Mehrheitseigner waren zwei Töchter des russischen Staatskonzerns Rosneft. Seit Freitag stehen die beiden Firmen unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur – "Zwangsenteignung" nannte der staatliche russische Mutterkonzern den Schritt und kündigte an, vor Gericht dagegen vorzugehen.

Ob sich Russland für das Eingreifen des deutschen Staates nun mit einem Öl-Lieferstopp revanchiert, weiß niemand. Auch der Kanzler hatte am Freitag eingeräumt: "Wir wissen nicht, was jetzt passiert."

Rosneft habe bis zuletzt Rohöl aus Russland importiert und einen Anteil von 12 Prozent am deutschen Rohölmarkt. "Für die 12 Prozent von Rosneft musste eine Lösung gefunden werden. Dies ist mit der Treuhandschaft passiert", erklärte das das Wirtschaftsministerium BMWK.

Deshalb hat sich das Ministerium vorbereitet. Man habe bereits vor Monaten die Mineralölwirtschaft aufgefordert, "Vorkehrungen für einen kurzfristigen Öl-Lieferstopp Russlands zu treffen". Deutschland hat bestimmte Ölspeicher, die als strategische Reserve dienen und immer gefüllt sind, "um etwaige Notstände ausgleichen zu können".

Pipeline ab Rostock wird ausgebaut

Außerdem soll die Pipeline von Rostock nach Schwedt in den kommenden Monaten für 400 Millionen Euro ausgebaut werden, damit sie mehr Öl in die dortige Raffinerie transportieren kann. Um die Anlage zu erhalten, "sorgen wir dafür, dass es jetzt auch Importmöglichkeiten zusätzlich aus Polen gibt, vielleicht sogar aus Kasachstan", sagte Scholz am Samstag in einem Deutschlandfunk-Interview. Es würden zudem die finanziellen Hilfsmittel organisiert, um die Arbeitsplätze in Schwedt zu erhalten. 

Bisher wurde die Raffinerie in der brandenburgischen Stadt an der Grenze zu Polen über die Öl-Pipeline Druschba mit russischem Öl versorgt. Anders als im Fall der Raffinerie Leuna hatte man sich in Schwedt wegen Rosneft nicht um eine alternative Versorgung bemüht. Rosneft hält einen Mehrheitsanteil von gut 54 Prozent an der PCK Raffinerie, Shell rund 37 Prozent. 

Die Ölpreise zeigen sich zum Wochenstart abgeschwächt. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete am Vormittag zeitweise nur noch gut 90 Dollar (siehe Chart). Der Preis für ein Barrel der US-amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) schwächte sich auf gut 83 Dollar ab.

TradingView
12-Monats-Chart Brent-Öl (Barrel-Preis in US-Dollar, Spotmarkt)

Als Belastungsfaktor für die Ölpreise gilt vor allem der entschiedene Kampf vieler Notenbanken gegen die vielerorts sehr hohe Inflation. Die steigenden Zinsen lasten auf der Konjunktur und damit auf der erwarteten Erdölnachfrage. Da weitere Konjunktursorgen bestehen, etwa aufgrund des nach wie vor stockenden Welthandels, sind die Ölpreise über die Sommermonate deutlich gesunken. Charttechnisch bewegen sie sich in einem Abwärtstrend-Kanal. Allerdings befinden sie sich immer noch auf vergleichsweise hohem Niveau.

Heizöl immer noch teuer

Das spüren außer den Autofahrern in Deutschland vor allem die Heizöl-Käufer. Zwar ist der Heizöl-Preis vom Höchststand Ende August bei etwa 171 Euro (pro 100 Liter inkl. MwSt.) wieder um rund 20 Euro zurück gekommen. Doch angesichts des knapper werdenden Öl-Angebots bei gleichzeitig steigender Nachfrage vor der Winterzeit, erscheint das Abwärtspotenzial begrenzt.

Heizöl orientiert sich vor allem an der Preisentwicklung für Gasöl. Dieses sogenannte Mitteldestillat, das zu den Raffinerie-Pauptprodukten gehört, ist die Basis für Diesel- und Kerosinkraftstoff, sowie Heizöl. Aktuelle Heizölpreis-Tendenzen und Übersichten nach Bundesländern bieten übrigens unter anderem esyoil.com und fastenergy.com.  (Mit Material von dpa-AFX)