FRANKFURT/LONDON (dpa-AFX) - Im sich erholenden Gesamtmarkt haben Anleger am Dienstag trotz skeptischer Analystenkommentare auch zu Aktien von stationären Einzelhandelsunternehmen gegriffen. Die heftigen Verluste - insbesondere seit Ende des vergangenen Jahres - lassen sie für so manche inzwischen wieder attraktiv erscheinen. Dennoch bleiben die Experten von JPMorgan und Oddo BHF vorsichtig. Sie warnen vor zunehmenden Auswirkungen von Preissteigerungen und anziehenden Zinsen.

Adidas stiegen zur Mittagszeit um ein halbes Prozent. Puma SE und Hugo Boss legten überdurchschnittlich zu mit jeweils 1,9 Prozent. Abwärts ging es dagegen für Online-fokussierte Händler wie Zalando oder Asos , die um jeweils rund drei Prozent fielen.

Zudem gaben hierzulande auch Westwing und Home24 nach, indem sie zwischen einem und etwas mehr als zwei Prozent verloren. Die About You -Aktie sackte im SDax um drei Prozent ab. All diese Aktien haben im bisherigen Jahresverlauf nach Hoch-Zeiten oder Rekordläufen im vergangenen Jahr kräftig Federn gelassen.

Der europaweite Branchenindex Stoxx 600 Retail stieg zuletzt um 0,3 Prozent. Er war am vergangenen Donnerstag, als nach der US-Notenbank auch die Schweizerische einen überraschend großen Zinsschritt bekannt gegeben hatte, auf den tiefsten Stand seit März 2020 gefallen. Außerdem ist er in der Sektortabelle des Stoxx Europe 600 der größte Verlierer seit Jahresbeginn. Mit minus 35 Prozent liegt die Einzelhandelsbranche noch vor dem Technologiesektor , der bislang rund 32 Prozent eingebüßt hat.

JPMorgan-Analystin Georgina Johanan sieht angesichts steigender Preise für Wesentliches wie Lebensmittel und Benzin den Anfang einer "Lebenshaltungskosten-Krise" gekommen. Die Ausgabenspielräume der Verbraucher sänken, was sich nicht zuletzt in den "mindestens 15 Gewinnwarnungen aus dem europäischen Einzelhandel im vergangenen Monat" widerspiegele.

Aktuell noch holten Verbraucher zwar die wegen der Lockdowns entgangenen Gelegenheiten für Einkäufe auf, etwa im Bereich Bekleidung. "Wir erwarten aber, dass sich dies im zweiten Halbjahr rapide verschlechtert, da der Aufholeffekt nachlassen wird und die Auswirkungen auf das verfügbare Einkommen allmählicher stärker belasten werden", fuhr Johanan fort.

Sie stufte daher die Aktien des deutschen Online-Modehändlers About You, aber auch die der beiden britischen Wettbewerber Asos und Boohoo auf "Neutral" ab und geht nun davon aus, dass sich diese Werte in den kommenden sechs bis zwölf Monaten nurmehr im Gleichklang mit dem jeweiligen Sektor entwickeln werden. Zu About You verwies sie darauf, dass jegliche Wachstumsschwäche den Weg zum Erreichen eines positiven operativen Ergebnisses verlangsamen könnte.

Andreas Riemann von Oddo BHF nahm heben Asos die Papiere der deutschen Sportartikelhersteller Adidas und Puma genauer unter die Lupe sowie auch die von Hugo Boss und Zalando. In den vergangenen Monaten seien die Aktienkurse in den Bereichen Konsumgüter und Onlinehandel enorm gesunken. Die hohe Inflation und steigende Zinsen drückten stark auf die Bewertungen, schrieb er.

"Nach der Gewinnwarnung von Asos in der vergangenen Woche, sehen wir nun ebenfalls die Risiken für die Ergebnisentwicklung bei Adidas und Zalando", betonte Riemann. Hugo Boss und Puma dagegen seien besser aufgestellt, um in einem inflationären Umfeld zurecht zu kommen. Puma schlage sich dabei besser als der Wettbewerber Adidas, für den er seine bisher optimistische Haltung aufgab./ck/tih/men

Quelle: dpa-Afx