^ EQS-WpÜG: Rocket Internet SE / Befreiung Befreiung / Zielgesellschaft: Westwing Group SE; Bieter: Rocket Internet SE

21.11.2025 / 12:45 CET/CEST Veröffentlichung einer WpÜG-Mitteilung, übermittelt durch EQS News - ein Service der EQS Group. Für den Inhalt der Mitteilung ist der Bieter verantwortlich.

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Veröffentlichung des Tenors und der wesentlichen Gründe

des Bescheids der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

vom 2. Juli 2025

über

die Befreiung nach § 37 Abs. 1 WpÜG von den Verpflichtungen gemäß § 35 Abs.1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG

in Bezug auf die Westwing Group SE, Berlin

Mit Bescheid vom 2. Juli 2025 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ("BaFin") auf den Antrag von der Rocket Internet SE mit Sitz in Berlin (nachfolgend, die "Antragstellerin") die Antragstellerin gemäß § 37 Abs. 1 WpÜG von den Pflichten befreit, nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG die Kontrollerlangung an der Westwing Group SE mit Sitz in Berlin zu veröffentlichen und nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG der BaFin eine Angebotsunterlage zu übermitteln und diese nach § 35 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zu veröffentlichen.

Der Tenor des Bescheids der BaFin lautet wie folgt:

1. Die Rocket Internet SE, Berlin, wird für den Fall der Erlangung der Kontrolle über die Westwing Group SE, Berlin, durch Einziehung von eigenen Aktien seitens der Westwing Group SE, Berlin, gemäß § 9 Satz 1 Nr. 5 WpÜG-AngebV, § 37 WpÜG von den Verpflichtungen befreit, nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG die Kontrollerlangung über die Westwing Group SE, Berlin, zu veröffentlichen und gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG innerhalb von vier Wochen nach der Veröffentlichung der Kontrollerlangung über die vorgenannte Gesellschaft der BaFin eine Angebotsunterlage zu übermitteln und diese gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zu veröffentlichen.

2. Die Befreiung ergeht unter dem Vorbehalt des Widerrufs (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG) für den Fall, dass die Antragstellerin eigene oder ihr nach § 30 WpÜG zuzurechnende Stimmrechte von 30 % oder mehr an der Westwing Group SE, Berlin ausübt.

3. Die Befreiung ergeht unter dem Vorbehalt des Widerrufs (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG) für den Fall, dass die Antragstellerin so viele Aktien an der Westwing Group SE hält oder ihr nach § 30 WpÜG zugerechnet werden, dass trotz einer Ausübung von Stimmrechten von 30 % minus einer Aktie am jeweils ausstehenden Grundkapital der Westwing Group SE unter Abzug der Stimmrechte, die die Antragstellerin gemäß Ziffer 2 des Tenors nicht ausüben darf, dies dazu führt, dass die Antragstellerin 50 % plus einer Aktie des stimmberechtigten Kapitals an der Westwing Group SE vertritt.

4. Die Befreiung ergeht ferner mit der Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG), dass die Antragstellerin der BaFin das Eintreten folgenden Umstandes unverzüglich mitzuteilen hat:

* die Erlangung der Kontrolle im Sinne von § 29 Abs. 2 WpÜG an der Westwing Group SE, Berlin, durch die Antragstellerin.

5. Die Befreiung ergeht mit der weiteren Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG), dass die Antragstellerin ab dem Erlangen der Kontrolle i.S. von § 29 Abs. 2 WpÜG an der Westwing Group SE, Berlin, nach jeder Hauptversammlung der Westwing Group SE, Berlin, die Hauptversammlungsanmeldungen für alle

* eigenen oder ihr nach § 30 WpÜG zuzurechnenden Stimmrechten,

* sowie Stimmrechte, zu deren Ausübung die Rocket Internet SE, Berlin, bevollmächtigt wurde und

* die Stimmrechte, deren Anmeldung von der Rocket Internet SE, Berlin, veranlasst wurden,

soweit in den vorgenannten Fällen Anmeldungen zur Hauptversammlung der Zielgesellschaft erfolgt sind, bei der BaFin vorlegt.

Diese Auflage wird beendet, wenn der Stimmrechtsanteil der Antragstellerin an der Westwing Group SE, Berlin, die Kontrollschwelle im Sinne von § 29 Abs. 2 WpÜG wieder unterschreitet.

Die Befreiung beruht im Wesentlichen auf den folgenden Gründen:

A. Sachverhalt I. Zielgesellschaft

Zielgesellschaft ist die Westwing Group SE mit Sitz in Berlin, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg unter HRB 239114 B (nachfolgend "Zielgesellschaft").

Das Grundkapital der Zielgesellschaft beträgt EUR 20.903.968 und ist eingeteilt in 20.903.968 nennwertlose Stückaktien (mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von je EUR 1,00 je Aktie) (nachfolgend "Westwing-Aktien"), die jeweils eine Stimme gewähren.

Die Aktien der Zielgesellschaft sind unter der ISIN: DE000A2N4H07 zum Handel im regulierten Markt an der Frankfurter Wertpapierbörse (Prime Standard) zugelassen.

Die Zielgesellschaft hat in der Vergangenheit verschiedene Aktienrückkaufsprogramme durchgeführt, wobei sie zuletzt am 20.12.2024 eine Stimmrechtsmitteilung für den Erwerb eigener Aktien im Jahr 2024 abgab. Dieser Rückerwerb eigener Aktien ist aufgrund eines Aktienrückkaufangebots der Zielgesellschaft erfolgt, welches mit Ad-hoc-Mitteilung vom 08.11.2024 angekündigt wurde.

Die Durchführung des Aktienrückkaufangebots ist aufgrund einer am 19.06.2024 gefassten Abstimmung über die Erteilung einer Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien, einschließlich der Ermächtigung zur Einziehung erworbener Aktien in der Hauptversammlung der Zielgesellschaft durchgeführt worden.

Ausweislich der letzten Stimmrechtsmitteilung vom 20.12.2024 hält die Zielgesellschaft gegenwärtig 2.085.661 eigene Westwing-Aktien (entspricht rund 9,98 % des Grundkapitals der Zielgesellschaft).

II. Antragstellerin

Antragstellerin ist die Rocket Internet SE mit Sitz in Berlin eingetragen im Handelsregister des Amtsgericht Charlottenburg unter HRB 165662 B.

Die Antragstellerin hält gegenwärtig unmittelbar und mittelbar 6.261.768 Westwing-Aktien (entsprechen rund 29,95 % des Grundkapitals und der Stimmrechte).

III. Antrag

Mit auf den 18.03.2025 datierenden Schreiben beantragt die Antragstellerin Folgendes:

"Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht befreit die Rocket Internet SE von den Verpflichtungen zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG, die ihr voraussichtlich dadurch entstehen, dass die Westwing Group SE, zur Ermöglichung der Durchführung eines Aktienrückkaufprogramms, Aktien der Westwing Group SE einzieht".

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von den Verpflichtungen gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG die Kontrollerlangung über die Zielgesellschaft zu veröffentlichen und innerhalb von vier Wochen nach der Veröffentlichung der Kontrollerlangung über die vorgenannte Gesellschaft der BaFin eine Angebotsunterlage zu übermitteln, vorliegen.

Sofern die Zielgesellschaft zur Ermöglichung der Durchführung des bestehenden Aktienrückkaufprogramms eigene Westwing-Aktien einziehen sollte, wäre aufgrund der mit der Einziehung einhergehende Verringerung der Grundkapitalziffer und damit der Gesamtzahl der Stimmrechte zu erwarten, sodass der Kapital- und Stimmrechtsanteil der Antragstellerin von gegenwärtig rund 29,95% auf bis zu rund 33,27% ansteigen könnte und damit die Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG überschritten wird.

Die Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 11.06.2025 zu den Nebenbestimmungen gemäß Ziffern 2 bis 5 des Tenors dieses Bescheids angehört. Sie hat mit Schreiben vom 16.06.2025 insbesondere zu den Nebenbestimmungen Stellung genommen.

B. Rechtliche Würdigung

Der Antrag auf Befreiung von den Verpflichtungen der §§ 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG ist zulässig und begründet.

I. Zulässigkeit des Antrags

Der Antrag ist zulässig.

Der Antrag wurde mit Schreiben vom 18.03.2025, eingegangen bei der BaFin über das Melde- und Veröffentlichungssystem der BaFin am 18.03.2025, formgemäß gestellt (§ 45 WpÜG).

Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist ebenfalls gegeben.

Der Zulässigkeit des Antrags steht auch nicht entgegen, dass er schon vor Erlangung der Kontrolle über die Zielgesellschaft gestellt worden ist. § 8 Satz 2 WpÜG-AngVO lässt es ausdrücklich zu, dass der Antrag bereits vor Kontrollerlangung gestellt wird. Das für eine Bescheidung erforderliche Sachbescheidungsinteresse liegt in diesem Fall aber nur vor, wenn die Kontrollerlangung vorhersehbar (vgl. Begr. RegE, BT- Drucks. 14/7034 v. 05.10.2001, S. 81), d. h. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Diekmann in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, § 12 Rn. 137). Dies ist vorliegend der Fall.

Für die hier einschlägige Fallgruppe der Kontrollerlangung infolge einer Verringerung der Aktienanzahl nach § 9 Satz 1 Nr. 5 WpÜG-AngebV, ist es von entscheidungserheblicher Bedeutung, ab welchem Zeitpunkt beim Rückerwerb eigener Aktien durch die Zielgesellschaft mit anschließender Einziehung die Möglichkeit der Kontrollerlangung durch die Antragstellerin hinreichend konkret ist, um das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers bejahen zu können.

Dabei ist zu unterscheiden zwischen den materiellen Voraussetzungen einer positiven Befreiungsentscheidung und der Frage nach dem Rechtsschutzbedürfnis infolge einer Konkretisierung des Rückerwerbs- und Einziehungsvorhabens.

Der bloße Umstand, dass die Hauptversammlung der Zielgesellschaft eine Ermächtigung zum Rückerwerb eigener Aktien erteilt hat, ist ebenso wenig ausreichend für die Bejahung des Rechtsschutzbedürfnisses, wie der Umstand, dass die Zielgesellschaft den Rückerwerb eigener Aktien durchgeführt hat.

Eine mögliche Kontrollerlangung der Antragstellerin setzt eine Einziehung von Westwing-Aktien voraus und hängt überdies von den konkreten Umständen des Einzelfalles, vor allem der Ausgestaltung des Rückerwerbsprogrammes, sowie den aktienrechtlichen Wirksamkeitserfordernissen ab. Erfordert etwa die konkrete Einziehungsentscheidung eine Beschlussfassung des Aufsichtsrates über die vom Vorstand bereits beschlossene Einziehung, so ist ein Antrag frühestens dann zulässig, wenn zu einer Aufsichtsratssitzung, auf der über die Einziehung entschieden werden soll, eingeladen wurde.

Anders verhält es sich, wenn die Einziehung zwar noch nicht vom Vorstand beschlossen wurde, jedoch nach dessen Beschluss auch von keiner weiteren Handlung Dritter abhängig ist, also insbesondere auch nicht von der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängt.

Die Ermächtigung zur Einziehung von erworbenen Aktien richtet sich nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1, 6 AktG an den Vorstand der Aktiengesellschaft, der über Einziehung eigenverantwortlich und im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens entscheidet. (Bezzenberger in Schmidt/Lutter AktG, Band 1, 5. Auflage, § 71 Rn. 24).

Wie auch sonst im Rahmen des § 76 Abs. 1 AktG, setzen Maßnahmen der Geschäftsführung nur bei einem entsprechenden Vorbehalt die Zustimmung des Aufsichtsrates voraus (vgl. Bezzenberger in Schmidt/Lutter AktG, Band 1, 5. Auflage, § 71 Rn. 23f). Die spezielle Regelung der Einziehung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1, 6 AktG geht den allgemeinen Regeln über die Einziehung nach § 237 AktG vor (Veil in Schmidt/Lutter, AktG, Band 2, § 237 Rn. 4).

Eine Zustimmung des Aufsichtsrates kann notwendig sein, wenn die Hauptversammlung eine solche im Ermächtigungsbeschluss vorgesehen hat. Dies ist für den Hauptversammlungsbeschluss der Zielgesellschaft vom 19.06.2024 nicht der Fall.

Anhaltspunkte für weitere Zustimmungsvorbehalte die sich beispielsweise aus der Satzung der Zielgesellschaft oder aus einer Geschäftsordnung für den Vorstand der Zielgesellschaft ergeben könnten, sind nicht ersichtlich.

Damit besteht für die Antragstellerin ein hinreichend konkretes Rechtsschutzbedürfnis. Denn einerseits ist eine Einziehung ohne weitere, von der Antragstellerin in zumutbarer Weise zur Kenntnis zu nehmende, Zwischenschritte möglich und zum anderen sind die (Aktien-)Besitzverhältnisse derart ausgestaltet, dass eine Kontrollerlangung im Falle einer Einziehung wahrscheinlich, jedenfalls nicht ganz fernliegend ist (siehe hierzu unter nachstehenden Ziffer 2.).

Zwar kann im vorliegenden Fall bis zum heutigen Zeitpunkt keine Aussage zur möglichen Einziehung von Aktien und dem Umfang einer etwaigen Einziehung getroffen werden. Denn die Ermächtigung der Hauptversammlung lässt auch zu, die erworbenen Aktien zu anderen Zwecken zu verwenden. Von diesen Anwendungsfällen kann nach heutigem Stand keiner ausgeschlossen werden. Jedoch lässt TOP 8. lit. d) des Hauptversammlungsbeschlusses eine Einziehung von Aktien auch ohne Zustimmung des Aufsichtsrates der Zielgesellschaft zu.

Gleichwohl würde der Raum für auf Rechtsschutz angelegte Handlungen der Antragstellerin ohne Not und damit übermäßig eingeengt, wenn von ihr in der soeben geschilderten Situation erwartet würde, ihren Befreiungsantrag erst dann zu stellen, wenn der Vorstand eine Einziehung beschlossen hat und den Aktionären darüber eine Mitteilung macht. Es ist angesichts der vom Verordnungsgeber eröffneten Möglichkeit der Antragstellung vor Kontrollerlangung nach § 8 Satz 2 WpÜG-Angebotsverordnung nicht erforderlich, der Antragstellerin eine höchstens siebentägige Reaktionsfrist abzuverlangen.

Machte die Zielgesellschaft von der Möglichkeit der Einziehung der 2.085.661 eigenen Westwing-Aktien vollständig Gebrauch, sänke die Gesamtzahl an stimmberechtigten Aktien von 20.903.968 Westwing- Aktien auf 18.818.307 Westwing-Aktien. Bereits ab einer Absenkung der Gesamtaktienanzahl auf 20.872.560 würde die Antragstellerin die Kontrolle erlangen, vorausgesetzt, ihr Aktienbestand von 6.261.768 Westwing-Aktien bliebe gleich oder sänke zumindest nicht ab. Nach dem Vortrag der Antragstellerin ist davon auszugehen, dass diese ihren Aktienbestand nicht verringern möchte. Sänke die Aktienanzahl auf den derzeit niedrigsten durch Einziehung erzielbaren Wert von 18.818.307 Stück ab, hielte die Antragstellerin einen Stimmrechtsanteil von rund 33,27% an der Zielgesellschaft.

Dieser Umstand genügt, um eine hinreichend konkrete Möglichkeit der Kontrollerlangung zu bejahen.

II. Begründetheit des Antrags

Der Antrag ist auch begründet.

1. Kontrollerwerb der Antragstellerin

Die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes nach § 9 Satz 1 Nr. 5 WpÜG-AngebV sind erfüllt.

Die Antragstellerin würde bei Durchführung der oben unter Ziffer B. I. 2. geschilderten Einziehung die Kontrolle infolge einer Verringerung der Gesamtzahl der Stimmrechte an der Zielgesellschaft erlangen. Für solche, unter dem Oberbegriff der Kontrollerlangung durch Kapitalherabsetzung erfassten Fälle kann eine Befreiung von der Angebotspflicht erteilt werden, wenn passende Nebenbestimmungen erlassen werden (vgl. Meyer in Geibel/Süßmann WpÜG, 2. Auflage, § 37 Rn. 46; Krause/Pötzsch/Seiler in Assmann/Pötzsch/Schneider WpÜG, 4. Auflage, § 37 Rn. 85.)

Das ist vorliegend der Fall.

Die Einziehung von eigenen Aktien der Zielgesellschaft würde zu einer Verringerung der Gesamtzahl der Aktien führen, gleich aus welchem Aktienrückkaufprogramm die einzuziehenden Aktien stammen. Dies kann bei entsprechendem Volumen der Einziehung zu einer Kontrollerlangung durch die Antragstellerin führen (siehe hierzu Ziffer B. I. 2.).

2. Nebenbestimmung und Ermessen

Mit dem Befreiungsgrund gemäß § 9 Satz 1 Nr. 5 WpÜG-AngebV wollte der Verordnungsgeber sicherstellen, dass Angebote nicht bloß deshalb unterbreitet werden müssen, weil es ohne Zutun des Aktionärs zu einer Kontrollerlangung durch diesen kam.

Diese ist aber regelmäßig nur dann gerechtfertigt, wenn der Antragsteller trotz Aufrechterhaltung der eigenen Beteiligungshöhe keinen weiteren unternehmerischen Einfluss gewinnen wollte (vgl. Schmiady in Steinmeyer WpÜG, 4. Auflage, § 37 Rn. 33). Aus diesem Grund kann eine Befreiung nur insoweit erteilt werden, als durch geeignete Nebenbestimmungen sichergestellt werden kann, dass der Aktionär entweder die Kontrollstellung alsbald wieder verlässt, ohne aus der zwischenzeitlich inne gehabten Kontrolle Vorteile gezogen zu haben oder durch andere, im Wesentlichen gleichwertigen Maßnahmen sichergestellt ist, dass der Aktionär nicht auf die Vorteile einer Kontrolle über einer Aktiengesellschaft zugreift.

Vortragsgemäß möchte die Antragstellerin die eigene Beteiligungshöhe aufrechterhalten aber keinen weiteren Einfluss gewinnen wollen.

a. Zunächst erfordert dies, dass die BaFin die Befreiung widerrufen kann, wenn die Antragstellerin trotz Befreiungsbescheides die Kontrolle ausüben sollte. Insoweit gilt es zu verhindern, dass die Antragstellerin Stimmrechte im Umfang von 30% oder mehr ausübt. Dies kann mit einer Beschränkung der ausübbaren Stimmrechte erreicht werden.

Hierzu war ein Widerrufsvorbehalt zu wählen, damit die Befreiung nur nach Bewertung der dann anstehenden Einzelfallsituation durch die BaFin und Ausübung des Ermessens beseitigt wird. Dies gewährt die infolge ungewisser zukünftiger Entwicklungen bei den Stimmrechtsanteilen an der Zielgesellschaft notwendige Flexibilität und vermeidet gleichzeitig übermäßige Härten. Andererseits ist eine Beschränkung der von der Antragstellerin ausübbaren Stimmrechtsmacht an der Zielgesellschaft auf den unterhalb der Kontrollschwelle liegenden Stimmrechtsanteil geboten und angemessen. Etwaigen unvorhergesehenen oder unvorhersehbaren Entwicklungen kann die BaFin im Rahmen ihres Ermessens Rechnung tragen. Da die Antragstellerin die Stimmrechte bis unter 30 % auch ohne Befolgung der Pflichten nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG ausüben kann, war die Beschränkung der Stimmrechtsausübung auf diesen Stimmrechtsanteil ausreichend und angemessen.

b. Ferner ist es erforderlich, einen weiteren Widerrufsvorbehalt aufzunehmen, um sicherzustellen, dass die Antragstellerin auch mit einer stimmberechtigten Beteiligungshöhe von unter 30% dauerhaft keine Kontrollposition in der Zielgesellschaft einnimmt. Eine solche dauerhafte Kontrollposition der Antragstellerin könnte sich sukzessive verdichten, wenn die Zielgesellschaft weitere Einziehungen von Aktien durchführt, sodass der verbleibende Aktienbesitz der außenstehenden Aktionäre trotz Anmeldung der Antragstellerin zur Hauptversammlung mit 30% minus einer Aktie über keine Stimmrechtsmehrheit in der Hauptversammlung der Zielgesellschaft verfügt.

Im Rahmen des Tenors unter Ziffer 3 ist die Zahl der Aktien, aus denen die Antragstellerin unter Berücksichtigung der Beschränkungen des Tenors unter Ziffer 2 das Stimmrecht ausüben darf, in das Verhältnis zu der Gesamtzahl der Aktien zu setzen, aus denen das Stimmrecht - wiederum unter Berücksichtigung des Tenors unter Ziffer 2 - ausgeübt werden darf. Das heißt, die Anzahl der Aktien, aus denen die Antragstellerin unter Berücksichtigung des Tenors unter Ziffer 2 ihre Stimmrechte nicht ausüben darf, werden weder im Zähler noch im Nenner berücksichtigt.

Die Ausgestaltung als Widerrufsvorbehalt stellt im Vergleich zu einer Ausgestaltung als auflösende Bedingung ein milderes Mittel dar, da im Falle der Entscheidung über die Ausübung des Widerrufsermessens, die konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden können. Denkbar ist beispielsweise, dass die außenstehenden Aktionäre über eine Stimmrechtsmehrheit in der Hauptversammlung verfügen, da sich die Antragstellerin mit einem deutlich unter 30 % liegenden Anteil von gehaltenen und zugerechneten Stimmrechten zur Hauptversammlung anmeldet. Ein solcher Widerrufsvorbehalt ist auch geboten und angemessen, da die Antragstellerin trotz Erlangung einer formalen Kontrollposition weiterhin ihre unternehmerische Beteilung an der Zielgesellschaft aufrechterhalten kann, ohne sukzessive ihre Beteiligung reduzieren oder eine Pflichtangebot abgeben zu müssen.

c. Weiter ist erforderlich, dass die Antragstellerin die BaFin über eine etwaige Kontrollerlangung unverzüglich informiert. Dies ist geboten, damit die BaFin die Einhaltung des o.g. Zweckes der Befreiung sicherstellen kann. Als Maßstab für die Information war unverzüglich zu wählen, denn ein konkreter zeitlicher Rahmen konnte hier angesichts der Ungewissheit der Umstände im Zeitpunkt der nicht als sicher absehbaren Kontrollerlangung nicht sinnvoll gewählt werden.

d. Um sicher zu stellen, dass die Antragstellerin nicht 30 % oder mehr der Stimmrechte auf einer Hauptversammlung ausübt, ist die Vorlage der jeweiligen Stimmrechtsanmeldungen erforderlich. Das gilt sowohl für die unmittelbare Stimmrechtsausübung durch die Antragstellerin selbst als auch für die mittelbare Stimmrechtsausübung, also für solche Stimmrechte, die im Auftrag oder im Namen der Antragstellerin ausgeübt werden sollen, wie auch solche Stimmrechte, welche die Antragstellerin im Namen oder im Auftrag von Dritten ausüben würde. Mit der Auflage unter Ziffer 5 des Tenors kann kontrolliert werden, ob die Antragstellerin die Bestimmungen dieses Bescheides einhält.

Aufgrund der Widerrufsmöglichkeit nach § 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG ist es entbehrlich einen selbständigen Widerrufsvorbehalt für den Fall der Nichterfüllung von Auflagen in den Tenor aufzunehmen.

e. Bei Einhaltung der zuvor geschilderten Bestimmungen überwiegt das Interesse der Antragstellerin an einer Befreiung vom Pflichtangebot das Interesse der anderen Aktionäre an dem Unterbreiten eines Pflichtangebotes. Bei einem eher zufälligen, nicht in der Hand des Bieters liegenden Überschreiten der Kontrollschwelle kann das Interesse der anderen Aktionäre daran, dass ihnen zu ihrem Schutz vor den Plänen des Bieters ein Pflichtangebot zu unterbreiten sei, generell nicht hoch bewertet werden. Jedenfalls solange sich der Bieter mit der zufällig gewonnenen Kontrolle nicht anfreundet, haben die anderen Aktionäre wenig bis nichts zu befürchten was eine Angebotspflicht rechtfertigen würde.

Der Absicherung gegen zwischenzeitliche Eingriffe des Bieters dienen die Widerrufsvorbehalte. Sie kommen einerseits funktional einem Stimmrechtsverbot für den die Kontrollschwelle überschreitenden Teil der Stimmrechte der Antragstellerin gleich und andererseits dienen sie dazu eine neue Bewertung des Einzelfalls durchführen zu können, wenn die Beteiligung der Antragstellerin dazu führt, dass die Antragstellerin in der Hauptversammlung dauerhaft 50% plus eine Aktie am stimmberechtigten Kapital an der Zielgesellschaft vertritt. Damit wird gleichermaßen den Interessen der Aktionäre an einem Schutz vor Missbrauch Rechnung getragen wie dem Interesse des Bieters, die einmal erlangte Anzahl an Aktien nicht oder zumindest nicht schnell abbauen zu müssen. Der nicht nach Kontrolle strebende Bieter hat aus dem teilweisen "Stimmrechtsausübungsverbot" keinen, zumindest keinen schwerwiegenden Nachteil.

Infolge des Umstandes, dass sämtliche Nebenbestimmungen nur dem Zweck dienen, die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Befreiungsbescheid sicher zu stellen, sind diese notwendig, geeignet und angemessen.

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Ende der WpÜG-Mitteilung

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Quelle: dpa-Afx