FRANKFURT/MAILAND (dpa-AFX) - Die Unicredit hat im Ringen um die Commerzbank den Bund als größten direkten Aktionär abgelöst. Dies gelang der italienischen Großbank durch die Ausübung von Finanzinstrumenten, über die sie die Anteile bereits kontrolliert hatte. An der direkten und indirekten Gesamtbeteiligung von knapp 30 Prozent ändert dieser Schritt nichts.

Doch die italienische Großbank zieht wieder einmal den Ärger der zweitgrößten deutschen Privatbank auf sich. "Dieser Schritt ist erneut nicht mit der Commerzbank abgestimmt", hieß es von dem Geldinstitut, das seit Monaten versucht, seine Unabhängigkeit zu wahren.

An der Börse kamen die Neuigkeiten bei Commerzbank-Investoren zum Start gut an: Die Aktie der im Dax notierten Bank legte zeitweise um zweieinhalb Prozent zu und erreichte den höchsten Stand seit 2011. Zur Mittagszeit rutschte ihr Kurs jedoch mit bis zu einem Prozent ins Minus. Das Papier war zuvor allerdings stark gelaufen.

Seit dem überraschenden Einstieg der Unicredit im September hat der Börsenwert der Commerzbank um fast 140 Prozent auf rund 35 Milliarden Euro angezogen. Die Marktkapitalisierung der Unicredit schwoll seitdem um fast 70 Prozent auf 94 Milliarden Euro an. Anders als die Papiere der Commerzbank konnten die Anteile der italienischen Bank am Mittwoch ihre deutlichen Gewinne aus dem frühen Handel halten und lagen zuletzt mit etwas mehr als drei Prozent im Plus.

Analyst Giovanni Razzoli von der Deutschen Bank sieht in der Aufstockung der direkten Anteile insgesamt eine Beschleunigung der Übernahmestrategie der Unicredit. Seine Kollegin Delphine Lee von der US-Bank JPMorgan rechnet jedoch kurz- bis mittelfristig nicht mit einem Übernahmeangebot für die Commerzbank. Die Unicredit dürfte sich vorerst auf den Kauf der Banco BPM in Italien konzentrieren, schätzt sie.

Die Unicredit hatte am Dienstagabend mitgeteilt, dass sie ihre direkte Aktienbeteiligung an der Commerzbank und damit ihre Stimmrechte von knapp unter 10 auf rund 20 Prozent verdoppelt hat. Dazu wandelte sie gut die Hälfte der von ihr gehaltenen Finanzinstrumente in Aktien um und überholte den Bund als bisher größten Commerzbank-Aktionär. Der deutsche Staat, der die Commerzbank in der globalen Finanzkrise mit Steuermilliarden vor dem Kollaps bewahrt hatte, hält noch gut 12 Prozent der Anteile.

Die Unicredit, die bereits über die Münchner Hypovereinsbank (HVB) in Deutschland präsent ist, will nicht nachlassen: Die weiteren Finanzinstrumente im Umfang von rund 9 Prozent der Aktien, auf die die Großbank Zugriff hat, will sie nach eigenen Angaben "zu gegebener Zeit" ebenfalls in Aktien umwandeln.

Kommt es zur weiteren Aufstockung der direkten Beteiligung, wäre die Unicredit nahe an der Schwelle von 30 Prozent, ab der sie gesetzlich verpflichtet wäre, den übrigen Commerzbank-Aktionären ein Übernahmeangebot zu machen.

Die Italiener waren im September nach dem Teilausstieg des Bundes im großen Stil bei der Commerzbank eingestiegen und hatten sich direkt über Aktien und indirekt über Finanzinstrumente Zugriff auf einen großen Commerzbank-Anteil gesichert. Im März hatte die Unicredit die Erlaubnis der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) bekommen, ihren Anteil an dem Dax-Konzern auf knapp unter 30 Prozent aufzustocken. Auch das Bundeskartellamt gab grünes Licht.

Bei einer Übernahmeofferte müsste die Unicredit keinen Widerstand durch Deutschlands oberste Wettbewerbshüter fürchten. Er sehe in wettbewerblicher Hinsicht keine Probleme, sagte Kartellamtschef Andreas Mundt: "Wenn es zu einer Folgeentscheidung käme, sehe ich nicht, dass wir das anders sehen würden - die Maßstäbe sind immer dieselben, das macht keinen Unterschied."

Mit einem Übernahmeangebot ist aber nicht nur nach Einschätzung von Analysten und Experten in nächster Zeit nicht zu rechnen. Unicredit-Chef Andrea Orcel selbst hatte vor Kurzem noch gesagt, die Unicredit sei "weit entfernt" von einer Offerte für die Commerzbank. Die Zukunft der Unicredit sei "sehr rosig" - mit oder ohne Übernahmen. Die Unicredit könne sich für die Entscheidung über ein formales Kaufangebot für die Commerzbank bis 2027 Zeit lassen, so Orcel.

Bei der Commerzbank stößt die Unicredit auf heftigen Widerstand. Sowohl das Management um Vorstandschefin Bettina Orlopp als auch die Arbeitnehmervertreter lehnen eine Übernahme ab. Die Commerzbank wirbt mit ehrgeizigen Renditezielen und dem Abbau Tausender Stellen immer wieder für einen unabhängigen Kurs.

"Die Anpassung der Position der UniCredit hat keine Auswirkungen auf unsere strategische Ausrichtung oder unsere Ambitionen", betont die Commerzbank nun. Die jüngsten Rekordergebnisse belegten, "dass unser eigenständiges Geschäftsmodell funktioniert".

Auch von der Politik bekommt die Commerzbank Rückendeckung. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) stellte sich in einem Brief an Commerzbank-Konzernbetriebsratschef Sascha Uebel hinter die Bank: Die Bundesregierung setze auf eine "starke und unabhängige Commerzbank".

Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums sagte, die Bundesregierung lehne das erneut unabgestimmte und unfreundliche Vorgehen der Unicredit ab. Der Bund unterstütze die Strategie der Eigenständigkeit und werde seine Beteiligung nicht veräußern.

Arbeitnehmervertreter Uebel, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Frankfurter Dax-Konzerns ist, bekräftigte seinen Widerstand: "Meine Haltung und die Haltung des Betriebsrates ändert sich dadurch nicht: Orcel soll von seiner feindlichen Übernahme Abstand nehmen."

Erst kürzlich hatte Orcel in Briefen an Merz und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) für einen Zusammenschluss geworben und Zugeständnisse in Sachen Filialnetz und Deutschland-Zentrale gemacht - war damit aber abgeblitzt./zb/als/ben/stw/stk/jha/

Quelle: dpa-Afx