FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Anleger am deutschen Aktienmarkt warten wie gebannt auf den 9. Juli. Denn am kommenden Mittwoch wird die Verhandlungsfrist für ein Handelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union ablaufen. Auch andere Staaten arbeiten bis dahin noch an einer Einigung, um hohen Strafzöllen von US-Präsident Donald Trump zu entgehen. Die Hoffnung, dass die Frist womöglich noch verlängert wird, hatte sich zuletzt zerschlagen.

"Es ist natürlich möglich, dass jetzt noch einige Last-Minute-Deals abgeschlossen werden. Viele Staaten werden sich aber schon in der kommenden Woche höheren Zöllen ausgesetzt sehen. Und Stand jetzt gehören dazu auch die Staaten der EU", fasste Analyst Thomas Altmann von QC Partners die Lage zusammen. Gerade die exportorientierte deutsche Wirtschaft würden die Strafzölle hart treffen.

Die Europäische Union hatte jüngst signalisiert, einen US-Basiszoll von zehn Prozent dauerhaft zu akzeptieren. Trotzdem werde eine Einigung mit den USA vor Mittwoch schwierig. Daher sei bereits ein möglicher grober Rahmenvertrag als Erfolg zu werten, schrieb Robert Greil, Chefstratege der Privatbank Merck Finck. Aus seiner Sicht ist wegen der anhaltenden Unsicherheit mit erhöhter Marktvolatilität zu rechnen. Katastrophale Zollentwicklungen seien aus Eigeninteresse der USA aber nicht zu erwarten.

Marktstratege Robert Halver von der Baader Bank mahnte dennoch: "Selbst wenn die Welt nicht zur Globalisierungs-Diaspora wird, am Ende wird das Zoll-Niveau auf US-Importe mindestens dreimal so hoch ausfallen wie vor Trumps Amtsantritt." Das perspektivische Gewinnwachstum von US-Unternehmen werde bereits von steigendem Kostendruck getrübt. Und an der Wall Street werde schon das Ende des Gewinnwachstumstrends diskutiert.

Trotzdem zeigten sich die Anleger in den vergangenen Tagen relativ gelassen. Die Experten von Index-Radar beobachteten eine Art "volatilen Gleichmut" an der Börse: "Die Märkte scheinen sich an Trumps Methode gewöhnt zu haben - Eskalation mit anschließendem Rückzieher." Der Dax ließ in der abgelaufenen Woche zwar ein paar Federn, bewegt sich aber weiterhin auf hohem Niveau unweit der Anfang Juni aufgestellten Bestmarke. Das erste Halbjahr fiel mit einem Kursplus von rund 20 Prozent für den Leitindex sehr stark aus.

Neuer Schwung allerdings ist vorerst nicht in Sicht, laut Analyst Markus Reinwand von der Landesbank Hessen-Thüringen droht dem Dax sogar eine kalte Dusche. "Die Börse ist mitten im Sommerloch", kommentierte Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets. Sollten Erfolgsmeldungen im Handelskonflikt ausbleiben, erwartet er erste spürbare Verkäufe - zumal die Jahreszeit eher für schwächere Kurse spreche. Auch Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets verwies darauf, dass wegen der Saisonalität nach einem zwar noch guten Juli dann aber eine Durststrecke im August und September bevorstehe.

Passend dazu hält die neue Woche neben der Zollthematik kaum spannende Termine bereit. Am Montag kommen Daten zur Industrieproduktion in Deutschland im Mai. Bei den Auftragseingängen musste die Industrie nach einer Erholung zuletzt wieder einen Dämpfer hinnehmen. Am Dienstag folgt die deutsche Handelsbilanz im Mai. Obendrein stehen am Freitag Details zur Inflationsentwicklung im Juni auf der Agenda.

International sind die Augen mal wieder auf die US-Notenbank Fed gerichtet, die am Mittwoch das Protokoll ihrer jüngsten Sitzung veröffentlicht. UBS-Analyst Jonathan Pingle geht davon aus, dass die Fed-Mitglieder auch über den Zollstreit diskutiert und erneut auf die hohe Unsicherheit hingewiesen haben dürften. Bei der Aussicht auf zwei Zinssenkungen im Restjahr werde es die Fed wohl belassen.

Unternehmensseitig dürften abermals die Autobauer im Fokus stehen, nicht nur wegen der US-Zölle. Zum Wochenstart berichtet Mercedes-Benz über die Auslieferungen im zweiten Quartal, auch in den USA. Dort war der Absatz von Volkswagen im abgelaufenen Jahresviertel eingebrochen. Weltweite Absatzzahlen präsentiert VW am Mittwoch.

Außerdem legen am Donnerstag sowohl Südzucker als auch der Pharma- und Kosmetik-Verpackungshersteller Gerresheimer Quartalszahlen vor./niw/la/jha/

--- Von Nicklas Wolf, dpa-AFX ---

Quelle: dpa-Afx