Der einstige Investmentbanker und langjährige Allianz-Finanzvorstand, im Mai 2012 mit großen Erwartungen als mächtiger Wächter bei Deutschlands größtem Geldhaus inthronisiert, muss sich von den Investoren zunehmend unangenehme Fragen stellen lassen. Hat er zu spät erkannt, dass die Deutsche Bank unter dem Führungsduo Anshu Jain und Jürgen Fitschen in die falsche Richtung steuert? Hätte Achleitner den Schaden früher begrenzen können? Wäre der Scherbenhaufen, den der neue Bankchef John Cryan zusammenkehren muss, dann nur halb so groß? Und hat er dafür gesorgt, dass die Affäre um manipulierte Zinsen schnell aufgeklärt wird? Im Frühjahr 2017 läuft Achleitners Vertrag an der Spitze des Kontrollgremiums aus - bis dahin muss er nun beweisen, dass er das Ruder noch rechtzeitig herumgerissen hat. Ein Jahr Bewährung.

"Wenn die Fehler jetzt nicht schnell korrigiert werden, gibt es keine Vertragsverlängerung", warnt einer der Top-10-Investoren hinter vorgehaltener Hand. "Noch steht Achleitner für uns aber nicht auf der Abschussliste." Offene Kritik am Aufsichtsratschef wagt derzeit niemand. Die Deutsche Bank sei ohnehin schon angezählt, da werde man nicht noch nachtreten. Auch ein anderer Großaktionär plädiert dafür, der Führungsspitze - noch einmal - Zeit zu geben. "Wir trauen dem Gespann Achleitner/Cryan einiges zu." Wichtig sei aber, dass jetzt bald Erfolge präsentiert würden.

Das gilt vor allem für das Thema Kostensenkungen, wo die Bank bislang viel versprochen und wenig geliefert hat. Mit dem anlaufenden Abbau von 9000 Stellen im Konzern könnten nun Tatsachen geschaffen werden. Die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten wird das Institut dagegen noch lange beschäftigen, daraus macht die Führungsriege keinen Hehl. Anleger machen deshalb einen großen Bogen um die Deutsche-Bank-Aktie. Zur Wochenmitte fielen die Titel zeitweise auf 14,61 Euro. Das ist der niedrigste Stand seit sieben Jahren. Rechnet man den Effekt der Kapitalerhöhung von 2014 heraus, notierten die Papiere sogar so tief wie seit mindestens einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Seit Achleitners Amtsantritt ist der Kurs um rund 45 Prozent gefallen. Der Börsenwert der Frankfurter liegt noch bei rund 20 Milliarden Euro - Erzrivale Goldman Sachs in den USA ist fast drei Mal so viel wert. Selbst Hoffnungsträger Cryan, der im Juli vergangenen Jahres die Nachfolge von Jain antrat, konnte der Aktie bislang kein Leben einhauchen. Nach einem Rekordverlust von fast sieben Milliarden Euro hat er die Dividende für mindestens zwei Jahre gestrichen.

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FEINES GESPÜR


Achleitner kann sich zugute halten, den Sanierer Cryan rechtzeitig an Bord geholt zu haben, um einen "Plan B" für Jain zu haben. Der war vor einem Jahr bei Anlegern und Regulierern gleichermaßen in Ungnade gefallen und spätestens mit dem noch recht frischen Geldwäsche-Skandal in Russland nicht mehr zu halten. Vertraute beschreiben den Aufsichtsratschef als gewieften Strategen und jemanden, der ein feines Gespür dafür habe, wenn sich die Stimmung drehe. In einem Kontrollgremium, wo sich schnell wechselnde Mehrheiten bilden, ist das Gold wert. "Umso erstaunlicher war es dann zu sehen, wie lange Achleitner trotzdem noch an Jain festgehalten hat", berichtet ein Insider.

Die obligatorischen Investorenbesuche im Vorfeld der Hauptversammlung im Mai dürfte Achleitner denn auch dazu nutzen, Werbung in eigener Sache zu machen. Schon jetzt ist der Österreicher derjenige, der die Bank verstärkt in der Öffentlichkeit vertritt, während Cryan sich im Tagesgeschäft vergräbt. So saß Achleitner beim Neujahrsempfang der Deutschen Börse am Promi-Tisch mit EZB-Chef Mario Draghi und Börse-Chef Carsten Kengeter. Bislang deutet nichts darauf hin, dass Achleitner, der in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag feiert, keine zweite Amtszeit als Chefkontrolleur anstrebt, sagen Mitarbeiter. Allerdings hat sich zuletzt ein weiterer Stolperstein aufgetan: In einem Medienbericht wurden Vorwürfe laut, die Rekordstrafe gegen die Bank im Zinsskandal sei auch deshalb so hoch ausgefallen, weil Achleitner mit dafür verantwortlich sei, dass der Konzern bei der Aufklärung der Affäre nicht ausreichend kooperiert habe. Die Deutsche Bank hat diese Darstellung und die konkreten Vorwürfe gegen Achleitner zurückgewiesen. Cryan äußerte sich auf der Bilanzpressekonferenz vor wenigen Tagen indes schon vorsichtiger: Ja, das Institut schaue sich derzeit noch einmal grundsätzlich an, welche "Umstände" zu dem hohen Bußgeld geführt hätten, räumte er auf Nachfrage ein. Dabei gehe es auch um die Rolle des Aufsichtsrats.

rtr