Samstag, Sonne und frühlingshafte Temperaturen, Verzögerungen im öffentlichen Verkehr und dennoch großer Andrang beim Vortrag von Vermögensverwalter Jens Erhardt, einer von Deutschland renommiertesten Fondsmanager. Zehn Minuten vor Beginn des Vortrags ist in Raum 1 kein Platz mehr - zum Glück ist der promovierte Anlageprofi in Ton und Bild in einem weiteren Raum zu sehen.

Wie geht es an den Börsen nach dem guten Start ins Jahr jetzt weiter, will das Publikum wissen. Schicksalsjahr in der EU und dank der bisher mageren Bilanz des neuen US-Präsidenten Donald Trump, auch für Amerika? Denn dort haben die Börsen seit Trump im Amt ist, neue Höchststände erreicht, schließlich stellt der US-Präsident den Unternehmen niedrigere Steuern in Aussicht, will Arbeitsplätze schaffen und für Milliardeninvestments in den Ausbau der Infrastruktur sorgen. Doch jetzt hat der Immobilien-Milliardär einen ersten Rückschlag zu verkraften. Am Freitag scheiterten Trump und die Republikaner im US-Kongress mit ihrem Versuch Barack Obamas Gesundheitsreform rückgängig zu machen.

Kein Trump-Crash



An der Börse verstärkt das die Zweifel, dass Trump seine Versprechen einlösen kann - einige befürchten deshalb einen Crash an der Wall Street. Vermögensverwalter Erhardt gehört zu den Optimisten: "Trotz der hohen Bewertung werden die Aktienkurse an der Wall Street moderat weiter zulegen. Der Treiber dafür sind die Aktienrückkäufe der US-Konzerne. Die Unternehmen sind damit, wie schon im Vorjahr, der größte Akteur im Markt", sagt Erhardt.

Das Gesamtpotenzial für den Kauf eigener Aktien taxiert Erhardt in den USA auf zwei Billionen Dollar. Statt Cashreserven verstärkt in den Ausbau des Geschäfts zu, sehen viele US-Konzerne den Kauf der eignen Aktien als bevorzugtes Investment.

Wall Street bietet wenig Kursfantasie



Damit sinkt aus Sicht Erhardt auch die Aussicht auf deutliche Kurssteigerungen auf breiter Front - der verzeichnete Anstieg der durchschnittlichen Unternehmensgewinne sei zu einem erheblichen Teil eine Folge der großen Aktienrückkäufe, sagt der Profi. Grund: die Papiere werden eingezogen, damit steigt der Gewinn pro Aktie, weil der Gesamtertrag wird auf weniger Anteilscheine verteilt.

Weitere Faktoren, das Kurspotenzial an der Wall-Steet dämpfen: nur noch bei dreißig Prozent der Dividendenzahler an der Wall Street ist Dividendenrendite höher als die Rendite ihrer Unternehmensanleihen. Für institutionelle Investoren könnte das jetzt häufiger ein Argument sein um sich für Anleihen statt Aktien zu entscheiden. Im US-Anleihenmarkt liegt die Rendite gemessen an jener der zehnjährigen US-Staatsanleihen nach dem Zinsschritten der US-Notenbank Fed inzwischen bei 2,4 Prozent und damit höher als die zwei Prozent Dividendenrendite des US-Aktienmarks.

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Dividendenstarke Aktien aus Deutschland und Europa bevorzugen



Wesentlich zuversichtlicher ist Profi Erhardt für europäische und deutsche Aktien - auch wenn das politische Jahr, mit den Wahlen in Frankeich und Deutschland an der Börse voraussichtlich Turbulenzen bringen wird. Beispiel Unternehmensgewinne und Aktienrückkäufe: Bei den Ausschüttungen bevorzugen europäische Konzerne weiterhin Dividenden gegenüber dem Kauf eigner Aktien. Unter den Dividendenzahlern liegt der Anteil der europäischen Firmen, deren Dividendenrendite höher ist als die Rendite ihrer Anleihen, deshalb bei 80 Prozent.

Das Gesamtvolumen der Aktienrückkäufe in Europa ist gering und spielt bei der Gewinnentwicklung der Unternehmen deshalb anders als in den USA eine untergeordnete Rolle. Deutsche Unternehmen sollten aufgrund ihres hohen Exportanteils und günstiger Währungsverhältnisse - starker Dollar, schwacher Euro - überdurchschnittlich profitieren.

Deutschlands Konjunktur sei robust und das Wirtschaftswachstum mit 1,9 Prozent im Vorjahr im Vergleich zu 1,6 Prozent in den USA, bisher sogar stärker als in Amerika, sagt Erhardt. Die Bauindustrie und verwandte Segmente sieht der Vermögensprofi als Favoríten. Grund: das historisch niedrigem Niveaus des Leitzins beflügelt die Branche, einschließlich des Immobiliensektors. Und anders als in Amerika dürften die Zinsen in Europa auf absehbare Zeit niedrig bleiben. Insgesamt also gute Aussichten für Aktien als Investments mit überdurchschnittlicher Rendite - in Europa vor allem bei Unternehmen, die sich nachhaltige Ausschüttungen leisten können.