Klingbeil kündigte ebenso inhaltliche Konsequenzen an wie auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und CSU-Chef Markus Söder - Umweltthemen sollen ernster genommen werden. Das gemeinsame Signal war aber auch, dass die große Koalition erst einmal nicht infrage gestellt wird. "Stabilität" sei das Gebot der Stunde, hieß es in der Union.

ÜBERLEBT NAHLES - WAS MACHT DIE SPD?
Schon vor der Wahl war spekuliert worden, ob sich SPD- und Fraktionschef Andrea Nahles bei einem schlechten Ergebnis würde halten können. Mögliche Aufstandsberichte wurde zwar dementiert. Aber der Frust über die Verluste in Europa, Bremen und wohl auch bei den Kommunalwahlen sitzt tief. "Das Ergebnis kann nicht ohne Folgen bleiben", kündigte der SPD-Generalsekretär an. Nur will er den Frust in eine programmatische Debatte lenken - nicht in eine Personaldiskussion um Nahles. "Die Groko ist durch kein Ergebnis gefährdet", hatte die SPD-Chefin selbst vor einer Woche betont.

Möglicherweise, so heißt es in der Partei, würde sich der Frust neutralisieren. Denn zum einen wird auch Juso-Chef und Groko-Kritiker Kevin Kühnert mit seiner Kollektivierungsdebatte eine Mitschuld am schlechten Wahlergebnis gegeben - das schützt Nahles und die große Koalition. Zum anderen dringen wichtige SPD-Ministerpräsidenten wie Niedersachsens Stephan Weil eher auf einen Kurswechsel weg von der vor allem auf soziale Themen zielenden Politik auf Bundesebene. Am Abend war jedenfalls die überwiegende Haltung unter befragten SPD-Politikern, dass keine Revolte bevorstehe. Ohnehin will man abwarten, ob die SPD in Bremen es schafft, an der Landesregierung beteiligt zu bleiben.

WIE BESCHÄDIGT IST KRAMP-KARRENBAUER?
Bei der Union ist die Lage eine andere - die ebenfalls nicht auf eine Gefährdung der großen Koalition hinausläuft. Schon vor den Wahlen waren Spekulationen über eine vorzeitige Ablösung Kanzlerin Angela Merkels abgeräumt worden. Auch die Spekulationen über eine Kabinettumbildung versandeten zunächst. Das liegt nach Angaben aus der Parteispitze auch daran, dass nicht klar ist, ob Manfred Weber Kommissionspräsident wird oder nicht. Denn wenn er scheitern sollte, würde Deutschland einen EU-Kommissar benennen können - wofür wiederum Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier infrage käme. Doch eine Entscheidung in Brüssel kann Monate dauern.

Heikler ist das schlechte Abschneiden für die CDU-Chefin selbst. Denn das Ergebnis ist kein guter Einstand für Kramp-Karrenbauer in ihrem ersten selbstverantworteten Wahlkampf. Aber wie in der SPD wurden noch am Abend auch in der Union mehrere Schuldige ausgemacht: Kramp-Karrenbauer selbst werden intern Fehler im Wahlkampf vorgeworfen, Kanzlerin Merkel aber ein zu geringes Engagement. Die CDU-Chefin räumte am Abend selbst vorsichtshalber Defizite ein - etwa dass man keine angemessene Antwort auf das Video des Youtubers Rezo gefunden hatte, der die "Zerstörung der CDU" angekündigt hatte.

KLIMATHEMA RÜCKT NACH VORNE
Da die Grünen sowohl in Europa als auch Bremen erhebliche Zugewinne hatten, gilt der Umweltschutz dagegen als klarer Sieger des Super-Wahltages. "Dies ist auch ein Signal für die große Koalition", sagte Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner im ZDF. "Klimaschutz ist jetzt Priorität Nummer eins, Schluss mit dem parteischädigenden Gerede vom Rechtsruck", twitterte in der CDU die parteiinterne Gruppierung Union der Mitte mit Blick auf das unter den Erwartungen gebliebene Abschneiden des Angstgegners AfD.

Sowohl CSU-Chef Markus Söder als auch Kramp-Karrenbauer betonten noch am Abend, man werde sich stärker um Umweltschutz kümmern. Und auf SPD-Seite analysierte auch Generalsekretär Klingbeil, dass der Klimaschutz nun das dominante Thema sei. "Da ist die SPD nicht auf dem Platz", fügte er selbstkritisch hinzu.

EINEN SIEGER GIBT ES AUF JEDEN FALL - DIE DEMOKRATIE
Es gibt aber noch einen klaren Sieger sowohl in Deutschland wie auch den meisten anderen EU-Staaten. Denn die Wahlbeteiligung ist fast überall deutlich gestiegen - in Deutschland sogar erheblich von 48,1 Prozent in 2014 auf 60 Prozent. Das lag nicht nur an dem Zusammentreffen der Europawahl mit der Bremer Landtagswahl und den Kommunalwahlen in gleich zehn Ländern. Es lag auch an einer ungewöhnlichen Mobilisierung der Wähler. Die Forschungsgruppe Wahlen sieht dabei eine besondere Mobilisierung bei den unter 30-Jährigen, von denen mehr als 30 Prozent für die Grünen gestimmt haben. Offenbar haben dafür sowohl die "Friday for Future"-Bewegung als auch das Anti-CDU-Video einen Beitrag geleistet - zulasten der Groko-Parteien.

rtr