Die Griechenland-Krise ist seit Wochen, wenn nicht sogar seit Monaten, das bestimmende Thema an den Finanzmärkten. Jede größere Kursbewegung wird von den Marktakteuren unter Verweis auf die neuesten Wasserstandsmeldungen zu Griechenland erklärt. Zwar stellt sich die Frage, ob das wirklich immer stichhaltig ist. Schließlich war lange genug Zeit, sich auf alle möglichen Krisenlösungen einstellen und die rund 1.000 Euro, mit denen alle Deutschen Berechnungen zufolge bei einer Pleite Griechenlands haften müssten, klingt nicht danach, als ob deswegen die Welt einbrechen würde.

Aber Fakt ist, dass es sich bei der Griechenland-Krise um das Gesprächsthema Nummer eins handelt. Auch in der laufenden Woche wird sich daran nichts ändern, zumal gleich am Montag dazu ein weiterer Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der Euroländer auf der Agenda steht. Weil dem so ist, und weil es für Erfolg an den Finanzmärkten auch mit darauf ankommt zu beurteilen, was die anderen Marktteilnehmer mehrheitlich denken, macht es Sinn, sich mit der Frage zu beschäftigten, was das Griechenland-Drama unter der Annahme verschiedener Szenarien für Folgen für das Land selbst, für Europa, für Deutschland sowie für Aktien, Anleihen und Devisen haben könnte.

Auch die Analyseabteilungen der Banken zerbrechen sich darüber die Köpfe. Das lässt sich auch an den zahlreichen Studien erkennen, die täglich zu diesem Thema im Email-Fach von Finanz-Journalisten aufschlagen. Zwei davon stammen von der NordLB und der WGZ Bank. Auf den nachfolgenden Seiten sind die darin gemachten Schlussfolgerungen nachzulesen. Auch jeder Anleger sollte sich überlegen, wie er mit der Thematik in seinem eigenen Portfolio umgeht. Die Zeit, das gegebenenfalls zu tun, läuft langsam aus. Denn wenn auch auf dem regulären EU-Gipfel am kommenden Donnerstag und Freitag kein Durchbruch erzielt wird, dann wird es mit Blick auf das am 30. Juni auslaufende Hilfsprogramm und einem dann fälligen IWF-Kredit über rund 1,5 Milliarden Euro eng.

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Szenario 1: Griechenland wurstelt sich weiter durch

Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Ausgangsszenarien bei den Verhandlungen. Nummer eins ist die Option eines Status Quo. Das heißt, es geht unter Einigung auf einen Minimalkonsens weiter wie bisher und es wird versucht, Griechenland mit Flickschusterei bei den Finanzhilfen wirtschaftlich am Leben zu erhalten. Allgemein wird das nach wie vor von Marktteilnehmern als das wahrscheinlichste Szenario gesehen.

Dieser Glaube basiert auch auf der Annahme, dass für beide Seiten ein Euro-Austritt Griechenlands negative Folgen hätte und deshalb noch eine Vernunftlösung gefunden wird. Die NordLB beziffert die Wahrscheinlichkeit hierfür sogar auf hohe 85 Prozent. Im Einzelnen wird dabei die Auszahlung der noch verbliebenen 7,2 Milliarden Euro sowie gegebenenfalls auch der für die Rekapitalisierung der griechischen Banken vorgesehenen 11,0 Milliarden Euro aus dem bisherigen Rettungspaket noch bis zum 30. Juni unterstellt. Außerdem wird anschließend ein neues Rettungspaket von voraussichtlich rund 50 Milliarden Euro angenommen.

Im Basisszenario der NordLB soll sich die von dem Schuldenstreit getriebene Nervosität und Volatilität an den Finanzmärkten sehr rasch verflüchtigen. In den Fokus rücke dann vorrangig wieder die geldpolitische Ausrichtung von EZB und Federal Reserve. Der Euro wird dann in drei Monaten bei 1,09 Dollar gesehen und die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen bei 0,70 Prozent.



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Szenario 2: Zahlungsausfall im Euro

Die Wahrscheinlichkeit für das zweite Szenario, einem Zahlungsausfall des griechischen Staates bei gleichzeitigem Verbleib in der Eurozone, wird auf zehn Prozent beziffert. Unterstellt werden hierbei nur begrenzte makroökonomische Folgewirkungen sowie ausbleibende Kollateralschäden für die gesamtwirtschaftliche Konstellation und die Refinanzierungsposition etwa in Italien und Spanien. Für die Richtigkeit dieser Annahme spreche auch, dass ein Ansteckungsrisiko auf andere Länder, abgesehen von einer gewissen Verunsicherung, anders als in den Jahren 2011 und 2012 derzeit nicht eingepreist werde.

Bei Szenario zwei würde sich die Kapitalbasis der EZB durch den mindestens teilweisen Ausfall von Forderungen aus dem Security Markets Programme, den Target 2 Salden sowie der Emergency Liquidity Assistance zunächst verschlechtern. Die EZB müsste deswegen letztlich durch die nationalen Notenbanken des Eurosystems gemäß den jeweiligen Anteilen sowie unter Rückgriff auf Mittel aus den öffentlichen Haushalten rekapitalisiert werden. Neben dem volkswirtschaftlichen Schaden wäre diese Konstellation nach Einschätzung der NordLB auch politisch hochbrisant, weil beispielsweise aus deutschen Steuergeldern ein Großteil der Ausfälle zu refinanzieren wäre.

An den Finanzmärkten sei bei dieser Konstellation mit einer erheblichen Flucht in so genannte sichere Anlagehäfen zu rechnen. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen könnte diese deutlich unter die Marke von 0,50 Prozent drücken. Der Wechselkurs des Euro gegenüber dem Dollar sollte sich in diesem Szenario kurzfristig in Richtung Parität bewegen. Die EZB bleibe in diesem Umfeld unbeschadet der Eigenkapitalerosion nach erfolgter Rekapitalisierung bei ihrer ultraexpansiven Geldpolitik, möglicherweise auch über den bislang angedachten Zeithorizont hinaus.



Anschließend könnte sich dann aber recht bald eine merkliche Stabilisierung der Marktverfassung mit Renditen und Wechselkursen in der Nähe der Niveaus der vergangenen Wochen einstellen. In einem Zeithorizont von drei Monaten wird deshalb mit einer Rückkehr der Bundrenditen auf ein Prozent gerechnet und mit einem Euro knapp unterhalb von 1,10 Dollar. Möglich sei das, weil der Zahlungsausfall Griechenlands weit überwiegend nur zu Lasten der Portfolien öffentlicher Institutionen gehe und weil ich diesen Szenario die Annahme nur begrenzter Ansteckungsrisiken für andere Volkswirtschaften in der Eurozone zugrunde liege.

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Szenario 3: Austritt Griechenlands aus dem Euro, Einführung einer nationalen Währung inklusive eines Zahlungsausfalls

Variante drei, die neben einem Zahlungsausfall auch einen Euro-Austritt Griechenlands inklusive der Einführung einer nationalen Währung beinhaltet, wird eine nur geringe Wahrscheinlichkeit von fünf Prozent zugemessen. Bei diesem als sehr unwahrscheinlich eingestuften Fall dürften die Rekapitalisierungserfordernisse bei der EZB laut NordLB in ähnlicher Weise zutage treten wie bei Szenario zwei. Doch sei dabei mittelfristig mit einem festeren Euro oberhalb von 1,20 Dollar zu rechnen. Denn bei diesem Szenario hätten die Marktteilnehmer nach erfolgreicher Absolvierung der erforderlichen Anpassungsmaßnahmen gegenüber einer Eurozone ohne Griechenland plausiblerweise eine sehr viel geringere Risikowahrnehmung.

Deutsche Staatsanleihen dürften zunächst von ihrer Funktion als sicherer Hafen profitieren, was die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen auf das Niveau von Anfang Mai und damit auf 0,40 Prozent drücken könnte. Nach einer zunächst deutlichen Reaktion könnte es anschließend aber bald zu einer Normalisierung kommen. Sollte die Eurozone langfristig sogar gestärkt aus einem schmerzhaften Ende der Schuldenkriese hervorgehen, werde die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen nach drei Monaten auf über ein Prozent steigen.

Für die Aktienmärkte werden im Falle eines Zahlungsausfalls, ähnlich wie bereits 2010 im Rahmen der ersten Griechenlandkrise, deutliche, jedoch nur temporäre Kurskorrekturen prognostiziert. Gemessen an den jüngsten Höchstständen könnte es für den Dax begleitet von einer kurzfristig stark steigenden Volatilität um etwa 25 Prozent auf 8.600 Punkte nach unten gehen und für den Euro STOXX 50 Index um 33 Prozent. Risikoorientierte Anleger dürften dann aber ein Dax-Niveau von 8.600 Punkten und ein damit einhergehendes KGV von elf für 2015 und von zehn für 2016 zu einem erneuten Einstieg nutzen. Bessert sich die Nachrichtenlage, sei deshalb mit einer Gegenbewegung nach oben von 25 Prozent beim DAX auf 10.800 Punkte und von 30 Prozent auf 3.380 Punkte beim Euro STOXX 50 möglich. Auch wenn Versicherungen und Banken meist über recht geringe bis gar keine Investments in griechischen Staatsanleihen mehr verfügen, dürften diese jedoch vor dem Hintergrund nicht auszuschließender Diskussionen um Ansteckungsgefahren auf weitere Euroländer zumindest kurzfristig stärker unter Druck kommen.



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WGZ: Kurzfristig Zurückhaltung bei Aktien, langfristig kaufen

Die Analysten der WGZ Bank sehen in einer Verschärfung der Lage in Griechenland einen grundsätzlich unterstützenden Faktor für Bundesanleihen. Bei den anderen Staatsanleihen aus dem Euroraum stelle sich die Lage dagegen differenzierter dar. Ein Zahlungsausfall Griechenlands sollte, wenn ein Verbleib des Landes in der Währungsunion glaubwürdig gelingt, nur moderate bzw. kurzfristige Belastungen für die Anleihen der übrigen Eurostaaten zur Folge haben. Ein Ausscheiden aus der Währungsunion würde aber das grundsätzliche Umfeld für die Bewertungen der Anleihen ändern und die Risikoprämien müssten höher ausfallen. Risiken bestünden hier vor allem für die Anleihen aus Portugal, gefolgt von denen aus Spanien und Italien. Gegebenenfalls stehe hier die EZB aber mit ihrem OMT-Programm bereit, um zu deutlichen Spreadausweitungen zu begegnen.

Bei den Unternehmensanleihen dürften bei jenen Gesellschaften ohne wesentliche Geschäftsaktivitäten in Griechenland die direkten Folgen überschaubar bleiben. Allerdings könnten sie über indirekte Kanäle betroffen werden, etwa falls der mit einer Stressphase einhergehende Anstieg der Unsicherheit für eine merklich erhöhte Spreadvolatilität sorgen sollte. Neben hybriden Nachranganleihen und Bonds aus dem Hochzinsbereich könnten vor allem Unternehmensanleihen aus der Euro-Peripherie betroffen sein, da die Ansteckungseffekte hier sicherlich am größten eingeschätzt würden. Neben diesem übergeordneten "Risk Off"-Modus am Sekundärmarkt dürfte zudem der Primärmarkt zumindest kurzfristig als Refinanzierungsquelle versiegen. Weniger eindeutig seien die Implikationen für die Gemeinschaftswährung, allerdings erscheint der WGZ Bank eine vorübergehende Euro-Schwäche am wahrscheinlichsten. Zumindest hier würde sich somit ein positiver Effekt für (exportorientierte) europäische Unternehmen ergeben.

Nachdem europäische Banken in den vergangenen Jahren ihre Gewichtung gegenüber Griechenland deutlich Reduziert hätten, dürften direkten Auswirkungen eines Zahlungsausfalls bzw. eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone begrenzt bleiben. Allerdings dürfte das Vertrauen in den gesamten Währungsraum sinken, wodurch auch die Spreads auf Bankanleihen europäischer Banken unter Druck geraten könnten. Hiervon wären dann aus Sicht der WGZ Bank insbesondere Bankanleihen aus der Euro-Peripherie betroffen.

Auf der Aktienseite habe die Situation um Griechenland die hauseigenen Analysten bereits vor Wochen dazu veranlasst, zu einer gewissen Zurückhaltung zu raten. Sollte es wider Erwarten zu einem Grexit kommen, sei kurzfristig mit negativen Implikationen für die Aktienmärkte zu rechnen. Diese sollten aber eher temporärer Natur sein. Der Aktienmarkt dürfte sich dann relativ schnell der Frage zuwenden, welchen Einfluss ein solches Ereignis auf die Gewinnaussichten der Unternehmen der Eurozone hat. Diesbezüglich könne das Ergebnis nur lauten: Einen sehr geringen, so dass die Kapitalmarktteilnehmer sich dann eher wieder zur fundamentalen Seite des Aktienmarktes orientieren sollten. Diese sehe mit einem erwarteten 2015er DAX-KGV von 14,1 (historischer Durchschnitt: 14,5) - bei einem vollkommen anderem Zinsumfeld - attraktiv aus. Die WGZ Bank rät daher kurzfristig zur weiteren Zurückhaltung, bei einem sich aufklärenden Bild im griechischen Drama aber zu Käufen.