"Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten." Helmut Kohl hat dieses Zitat in einer Rede im Deutschen Bundestag 1995 genutzt. Halten wir uns also an den verstorbenen Altkanzler - blicken wir zurück in die 1970er-Jahre, um den Mechanismus von steigenden Preisen zu verstehen und für die Zukunft eine Vorstellung zu bekommen.

Die Inflation kommt häufig in Wellen. In der letzten Hochinflationsphase gab es insgesamt drei, wobei die nachfolgende jeweils ein höheres Hoch markierte als die vorherige: 6,4 Prozent im Februar 1970, 12,2 Prozent im November 1974 und 14,6 Prozent im März 1980. Ausgelöst wird die Inflation in der Regel durch externe Preisschocks: In den 1970er-Jahren war es die Ölkrise, heute sind es die Lieferkettenprobleme und der Ukraine-Krieg. Bleibt die Frage: Wovon hängt es ab, wie die Inflation sich entwickelt? Der jährliche "In Gold we trust"-Report des Analysehauses Incrementum führt dafür im wesentlichen vier Faktoren auf: den Geldüberhang, die Währung, den Arbeitsmarkt, die Zinsen. Vier Faktoren, vier Vergleiche mit den 1970er-Jahren.

Als Geldüberhang bezeichnet man eine Situation, bei der die gesamtwirtschaftliche Geldmenge die gesamtwirtschaftliche Gütermenge übersteigt. Das wirkt natürlich inflationstreibend. In den 1970er-Jahren lag der Geldüberhang maximal bei 4,9 Prozent. 2020 lag er bei 21,3 Prozent. Intuitiv klar ist auch der Einfluss der Währung. Eine schwache Währung verteuert die Einfuhren aus dem Ausland, eine starke Währung verbilligt sie. In den 1970er-Jahren hatten wir die starke D-Mark, heute den schwächelnden Euro. Zwei zu null für die Inflation in den 2020er-Jahren.

Der Arbeitsmarkt ist zwiegespalten: Einerseits hatten die Gewerkschaften in den 1970er-Jahren mehr Macht. Andererseits herrscht heute aufgrund der Demografie Fachkräftemangel. Hinzu kommt: In den 1970er-Jahren war die internationale Arbeitsteilung auch in der Krise weitgehend stabil. Heute droht nach Jahrzehnten der Globalisierung die Deglobalisierung: Die Billigimporte werden weniger.

Gestoppt wurde die Inflation damals durch drastische Zinserhöhungen. Die konnten sich die Staaten auch halbwegs leisten. Die bundesdeutsche Staatsverschuldung lag 1982 bei 36,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, Ende 2021 lag sie in Deutschland bei knapp 70 Prozent, in Frankreich bei 112 Prozent und in Italien sogar bei 150 Prozent. Schwer vorstellbar, dass auch diesmal die Inflation durch Zinserhöhungen beseitigt werden kann.

"Es gibt vier Arten, Geld auszugeben", meinte einmal der Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman zum Thema Staatsverschuldung. "Erstens: Man gibt sein Geld für sich selber aus. Dabei ist man besonders sparsam. Zweitens: Man gibt sein Geld für andere aus. Da werden die Menschen bereits großzügiger. Drittens: Man gibt fremdes Geld für sich aus. Da fallen schon die meisten Schranken. Und viertens: Man gibt fremder Leute Geld für andere aus. Da gibt es kein Halten mehr." Das ist die Wurzel allen Übels und der Grund für das andauernde Inflationsgespenst.

Ihr Frank Pöpsel