Dr. Jens Ehrhardt ist Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender der DJE Kapital AG. Nach dem wirtschaftswissenschaftlichen Studium war er zunächst Partner beim damals größten deutschen Vermögensverwalter Portfolio Management. Im Anschluss promovierte er 1974 über "Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt". Noch in dem Jahr legte er den Grundstein für die heutige DJE Kapital AG.

BÖRSE-ONLINE.de: Nach dem BWL-Studium in Hamburg und München wurden Sie zunächst Partner in der Vermögensverwaltungsgesellschaft Portfolio Management und gründeten im Anschluss die Dr. Jens Ehrhardt Vermögensverwaltung. Weshalb haben Sie sich damals für den Schritt in die Selbständigkeit entschieden?
Jens Ehrhardt: Da in meiner damaligen Gesellschaft unter den sechs Partnern die Hälfte des Umsatzes und der gesamte Gewinn auf meine Tätigkeit entfielen, wagte ich die Selbständigkeit. Mein Vater war ein selbständiger Filmproduzent. Das unternehmerische Risiko kannte ich also schon von zuhause.

Falls es nicht die Vermögensverwaltung geworden wäre: Welche Karriere hätten Sie sich alternativ vorstellen können?
Die Filmproduktion meines Vaters lief gut, so dass viele nicht verstanden, dass ich hier nicht einstieg. Aber einerseits hatte ich von meiner Mutter, die aus einer alten Hamburger Kaufmanns- und Schiffseigner-Familie stammte, viel Kaufmännisches geerbt und andererseits war mein Vater zu dominant. Das versuchte ich mit meinem Sohn in unserer Firma anders zu machen, indem ich ihm rechtzeitig Kompetenzen übertragen habe.

Wie sieht ein typischer Tag bei Ihnen aus? Gibt es Routinen, auf die Sie großen Wert legen?
Mein Tag läuft recht strukturiert ab. Morgens um 7 Uhr sehe ich mir die Asien-Aktienkurse an, dann geht es um 8 Uhr ins Büro. Dort kümmere ich mich um die täglichen Aufgaben beim Fondsmanagement und bereite die Redaktion der Finanzwoche vor. Mittags gehe ich nach Hause und bin dann den Nachmittag bis etwa 19 Uhr im Büro. Zuhause nach dem Abendessen arbeite ich dann noch bis Punkt 0 Uhr.

Auf welchen Meilenstein Ihrer Karriere sind Sie besonders stolz?
Die Vorsicht, die ich bei der Internet-Blase um das Jahr 2000 walten ließ, war in vielerlei Richtung in Deutschland einmalig. Während die Indizes (Neuer Markt) weit über 90 Prozent fielen, haben wir gewonnen. Das Umschwenken von Wachstumswerten auf Value-Titel war richtig.

Sie gründeten die DJE Kapital vor fast 50 Jahren. Was hat sich an der Branche seither verändert und was würden Sie sich wünschen?
Ich bin seit über einem halben Jahrhundert in der Vermögensverwaltungsbranche aktiv. Ich kenne kein einziges Unternehmen, das damals bekannt war und das es heute noch gibt. Die damals Großen haben alle wegen schlechter Wertentwicklung der verwalteten Gelder aufgeben müssen. Sich heute neu selbständig zu machen, ist wegen der diversen Regulierungen äußerst schwierig. Ich fing damals mit einer Sekretärin an und heute haben wir 180 Mitarbeiter. Ich würde mir wünschen, dass die Regulierung und vor allen Dingen die Bürokratie abgebaut werden. Beides ist heute übermäßig groß und verursacht einen zu hohen Kostenanteil.

Was war der größte Börsencrash, den Sie miterlebt haben?
Der Herbst 1987 war zweifellos der größte Börsencrash, an den ich mich wie gestern erinnere. So etwas prägt und brachte mein ohnehin vorsichtiges Naturell noch mehr zum Tragen.

Wie ordnen Sie den Corona-Crash in diesem Kontext ein?
Der Corona-Crash war in Geschwindigkeit und Ausmaß ähnlich wie der Börsencrash 1987 mit seinem damals fast 40 Prozent Rückgang. Ich war aber - anders als 1987 - sofort der Meinung, dass sich darauf kein wirklicher Crash oder eine Bankenkrise entwickeln würde. Der Grund: Seit der Finanzkrise standen die Notenbanken bei Gefahr sofort mit ausreichender Liquidität zur Verfügung. Auch der Einsatz von fiskalpolitischen Maßnahmen wird heute wesentlich schneller und großzügiger vorgenommen als in früheren Krisen.

Was würden Sie an der deutschen Aktienkultur verändern, wenn das möglich wäre?
Ich habe mein gesamtes Berufsleben - sowohl in der Vermögensverwaltung wie auch journalistisch - der breiteren Akzeptanz der Aktienanlage in der deutschen Bevölkerung gewidmet. Hätte man in Deutschland beispielsweise einen Aktienfonds zur Absicherung der Rentenzahlungen aufgelegt, so wäre die Rentenproblematik in Deutschland wesentlich geringer. Ich finde es schade, dass viele Politiker es offensichtlich für eine große Tugend halten, wenn sie in der Öffentlichkeit verkünden, dass sie keine Aktien, aber ein Sparbuch besitzen würden. Die Deutschen sparen mehr als andere Nationen, legen das Geld aber am schlechtesten unter allen Ländern an.

Was bedeutet Geld beziehungsweise Vermögen für Sie?
Geld und Vermögen bedeuten für mich persönliche Freiheit, aber auch die Möglichkeit, etwas Gutes zu tun. So verwalte ich zum Beispiel das Geld der Welt-Pfadfinder, die etwa 60 Millionen Mitglieder zählen. Außerdem habe ich mehrere Stiftungen gegründet.

Sie und Ihr Sohn verbindet die Leidenschaft für Aktienmärkte. War schon immer klar, dass er ebenfalls in der Vermögensverwaltung und im Fondsmanagement durchstarten würde?
Ich habe meinen Sohn schon früh an die Aktienmärkte herangeführt und hatte deshalb die Hoffnung, dass er in meine Fußstapfen treten wird. Druck habe ich jedoch keinen ausgeübt. Vielmehr habe ich gehofft, dass für ihn Beruf und Hobby, wie bei mir, zusammenfallen. Ich habe bald gemerkt, dass ihm der Beruf sehr viel Freude macht. Er hat aber mehr Hobbys als ich und ist vielseitiger interessiert.

Ein Blick in Ihr privates Depot: Was war Ihr erstes Wertpapier?
Mein erstes Wertpapier als Student war der Kauf einer Anleihe im Nominalwert von 200 Deutsche Mark. Schon als Student habe ich mich intensiv der Aktienanlage gewidmet und auch hier angelegt. Ich habe mir mein Studium damals ohne Stipendium mit einem Ausfahrjob bei Dallmayr über fünf Jahre selbst finanziert. Von meinem Vater gab es damals 200 Deutsche Mark im Monat. Deshalb waren es immer nur winzige Beträge, die ich investiert habe. Manche Aktien, wie den Düngemitteltitel Kali + Salz, habe ich damals jahrelang gehalten. Meist ging die Haltefrist aber nicht über ein Jahr hinaus. Das Startkapital für DJE Kapital habe ich 1973/74 mit Leerverkäufen in IOS-Aktien verdient. IOS war ein Finanzkonzern, der damals pleitegegangen war. Heute investiere ich nur in unsere hauseigenen Aktienfonds, die im Wesentlichen von meinem Sohn gemanagt werden.

Mit welchem Wert haben Sie die größten Verluste eingefahren?
Ohne die Wahrheit zu verfälschen, erinnere ich mich an keinen Titel, mit dem ich einen extremen Verlust erlitten hätte. Meistens wandte ich Stoppkurse an. Meist sogar etwas zu früh.

Wenn Sie für einen Tag alle Verpflichtungen rund um Arbeit und Finanzen beiseiteschieben würden, wie sähe dieser Tag?
Am liebsten gehe ich auf mein Segelboot. Aber sonst gefallen mir auch kurze Städtereisen nach London oder Italien.

Als gebürtiger Hamburger haben Sie schon früh zum Segeln gefunden. Kommen Sie dem Sport trotz Ihrem Umzug nach München noch nach?
Ich habe mir schon als Junge in Hamburg mit selbst verdientem Geld Segelboote gemietet. Mein Vater hat mich finanziell immer extrem kurz gehalten, obwohl er nicht unvermögend war. Ich fuhr dann mit dem Fahrrad viele Kilometer an die Alster zu einem Bootsverleih und in der Regel klatschnass zurück. Segeln tue ich heute nur im Mittelmeer. Als ich jünger war, hatte ich auch einen Katamaran auf dem Starnberger See.

Mit der "Sylvia" sind Sie Eigner einer historischen Segelyacht. Nutzen Sie das Schiff auch für private Törns?
Am Steuer der Sylvia bei stärkerem Wind fühle ich mich extrem gut. Aber ich nutze die Sylvia auch in den Sommerferien als Hotel auf dem Wasser, weil ich sehr gerne schwimme.

Welche Reise hat Sie nachhaltig beeindruckt?
Eine Reise mit der Sylvia auf die Andamanen, einer Inselgruppe im Indischen Ozean, mit ihrem Fischreichtum war wahrscheinlich der schönste Törn.

Fährt die Arbeit mit, wenn Sie im Urlaub sind, oder bleibt das E-Mail-Postfach in der Zeit geschlossen?
Die Arbeit fährt mit und das funktioniert ja heute extrem gut mit Videokonferenzen und Ähnlichem. Bei größeren Törns habe ich immer ein Satellitentelefon dabei.

Welchen Titel würden Sie einem Buch über Ihr Leben geben?
Überschrift: "Leben auf zwei Beinen: Börse und private Partnerschaft". Untertitel: "Stabilität durch Halten eines labilen Gleichgewichts".