Ein möglicher Meinungsumschwung in Großbritannien zugunsten der Brexit-Befürworter hat am Mittwoch die Stimmung der Anleger in Europa belastet. Der Dax verlor bis zum Nachmittag 0,8 Prozent auf 10.179 Punkte, der EuroStoxx50 fiel um ein Prozent auf 3033 Zähler. Bei einem Votum für den Austritt Großbritanniens aus der EU erwarten Experten ein weltweites Börsenbeben. "Daher gehen einige heute auf Nummer Sicher und nehmen die Gewinne vom Mai mit", sagte ein Händler. Der Dax hatte im vorigen Monat zwei Prozent zugelegt. Die Abstimmung findet am 23. Juni statt. Für die Wall Street signalisierten die US-Futures ebenfalls leichtere Kurse.

Am Devisenmarkt fiel das Pfund Sterling um 0,3 Prozent auf 1,4439 Dollar - dem niedrigsten Stand seit zwei Wochen. Zuletzt hatte die Währung von Umfragen profitiert, in denen die Gegner eines Brexits vorne lagen. Analysten erwarten, dass das Pfund im Falle eines Votums für den EU-Austritt abstürzen wird. "Daher reagiert die Währung auf jede Umfrage", sagte ein Börsianer.

Für Verunsicherung sorgt zudem weiter die US-Geldpolitik. Die meisten Anleger rechnen damit, dass die Notenbank Fed erst nach der Abstimmung in Großbritannien an der Zinsschraube drehen wird. Neue Daten könnten am Nachmittag mehr Aufschluss geben. Die jüngsten Statistiken waren durchwachsen ausgefallen.

Von der EZB-Ratssitzung am Donnerstag in Wien erwarteten die Anleger nur wenig Impulse. "Der Köcher ist leer, die EZB kann nicht mehr viel tun", sagte ein Händler. Die Notenbank hatte zuletzt unter anderem ein Programm zum Kauf von Firmenanleihen beschlossen, das im Juni beginnen soll.

MINISTER GABRIEL SCHÜRT ÜBERNAHMEFANTASIE UM KUKA



Europaweit standen erneut die Bankenwerte unter Druck. Die Titel der Deutschen Bank verloren rund drei Prozent. Charttechnische Verkaufssignale trieben Händlern zufolge die Talfahrt an. Auch die italienischen, französischen und spanischen Banken zählten im EuroStoxx50 zu den größten Verlierern. Der EuroStoxx-Banken-Index fiel um zwei Prozent. Börsianer fürchten, dass die ohnehin gebeutelte Branche besonders unter einem EU-Austritt Großbritanniens leiden würde.

Im Dax zählten die Versorger RWE und E.ON mit Verlusten von jeweils mehr als zwei Prozent ebenfalls zu den Schlusslichtern. Laut Insidern will die Bundesregierung den Betreibern von Atomkraftwerken bei der Finanzierung der Atom-Altlasten kein Schlupfloch lassen.

Im TecDax standen Nordex nach einer Empfehlung von Goldman Sachs mit einem Plus 6,4 Prozent auf 27,18 Euro ganz oben. Die Analysten hatten das Kursziel erhöht und die Titel in die "Conviction Buy List" aufgenommen. In Deutschland soll ab 2017 die Förderung des Ökostroms Zug um Zug umgestellt werden. Goldman Sachs erwartet vor Inkrafttreten der Änderungen einen Boom beim Bau von Windkraftanlagen.

Im MDax zählten Kuka mit einem Plus von rund einem Prozent zu den Gewinnern. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat offenbar die Unterstützung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für den Versuch, ein Alternativangebot zur chinesischen Übernahmeofferte für die Roboterfirma auf die Beine zu stellen.

Unter Verkaufsdruck gerieten dagegen die Touristik-Werte, nachdem die USA ihre Bürger wegen Anschlagsgefahren zu erhöhter Wachsamkeit bei Europa-Reisen aufgefordert hatte. Die Aktien des französischen Hotelkette Accor verloren 3,3 Prozent. Die Reiseveranstalter TUI und Thomas Cook büßten je fast zwei Prozent ein.

Reuters