Das ist eigentlich ein gutes Zeichen: Die "Abwahl" der Regierung in Rom hat der Börse so rein gar nichts ausgemacht. Das zuletzt von manchen herbeigeredete Börsenbeben - es blieb aus. Was ja nicht selbstverständlich war: Nach dem Brexit-Entscheid hatte es ja noch richtig gerumpelt, nach dem Sieg Donald Trumps wenigstens noch ein wenig gewackelt. Und jetzt? No stress! Oder in Börsianersprache ausgedrückt: Vermutlich war die Ablehnung des Referendums nach der recht schwachen Börsenvorwoche bereits an den Märkten "eingepreist".

Und sonst? Alle Augen auf Amerika! Der Dow Jones beispielsweise erreichte ein neues historisches Hoch. Als Kurstreiber wurde unter anderem der weiter steigende Ölpreis ausgemacht. Dazu kamen positive Nachrichten von einigen Konjunkturindikatoren, etwa aus dem Servicesektor. Der entsprechende Index des Institute for Supply Management (ISM) stieg auf den höchsten Stand seit gut einem Jahr.

Klar, dass in den USA angesichts der doch besser als erwarteten Wirtschaftsentwicklung die Zinspolitik der Notenbank Fed immer stärker in den Fokus rückt. Zwar sagte der US-Notenbanker William Dudley, dass die Wahl von Trump zum US-Präsidenten "eine politische Unsicherheit" schaffe und es deshalb zu früh sei, um zu entscheiden, ob der Plan "gradueller Zinserhöhungen angepasst" werden müsse. Dennoch ist wohl klar, dass es zu einem ersten Zinsschritt bei der anstehenden Fed-Sitzung am 14. Dezember kommen wird. Und auch der ist wohl bereits an den Märkten "eingepreist".

Und die EZB? Wie geht es weiter in Europa? Die Europäische Notenbank tagt ja parallel zum Erscheinungstag dieser Ausgabe von BÖRSE ONLINE. Jedenfalls scheint es so, dass die fehlende Börsenreaktion auf das "Nein" in Italien wohl auch damit zusammenhängt, dass man sich an den Märkten eine weiterhin sehr lockere Geldpolitik der EZB erhofft.

Ob sie das liefern kann? Bislang war das nicht so recht klar. Die Notenbank hat sich in den vergangenen Wochen verbal sehr stark zurückgehalten. Es gibt kaum Hinweise, wie man mit dem Anleihekaufprogramm fortfahren will. Ist ja auch nicht einfach: Strukturreformen können kaum umgesetzt werden - siehe das Beispiel Italien. Also hält man durch das Kaufprogramm den Zins überall künstlich niedrig. Weil gleichzeitig aber die Konjunkturindikatoren und Inflationsraten in fast allen Ländern der Währungsunion ansteigen, sind zusätzliche geldpolitische Maßnahmen eigentlich nicht möglich.

Was also tun? Die EZB muss sich wohl darauf einstellen, dass sie vermutlich länger als Käufer von Staatsanleihen aktiv sein muss als bisher gewollt. Gleichzeitig darf sie aber nicht aus dem Vollen schöpfen, um keinen sprunghaften Anstieg der Inflation zu riskieren.

Das ist ein Spagat für die EZB. Allerdings muss sie damit ja schon länger klarkommen. Durchaus mit Erfolg. Fällt der EZB-Entscheid also auch dieses Mal wieder "Spagat-gerecht" aus, sollte der Aufwärtstrend an den Börsen weitergehen. DAX und Euro Stoxx dürften die Jahresendrally fortsetzen. Selbiges gilt für die US-Indizes. Oder besser ausgedrückt: Es gilt vor allem für die US-Indizes. Hier sind die Dinge klarer. Im Gegensatz zu Europa stimmt die Gemengelage: Die Notenbankpolitik passt zur konjunkturellen Entwicklung und wird ergänzt durch eine gewisse Aufbruchstimmung seit der Präsidentschaftswahl.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com