Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank


"Ein Wahlergebnis von Maß und Mitte. Es sind nun weder zu starke wirtschaftspolitische Ausschläge nach links, noch deutliche Steuersenkungen zu erwarten. Mit dieser politischen Neuausrichtung können die Finanzmärkte gut leben. Das größte Risiko besteht jetzt darin, dass die Koalitionsverhandlungen sich doch im Sumpf der Details festfahren."

MICHAEL HOLSTEIN, CHEF-VOLKSWIRT DER DZ BANK


"Aus Sicht der Finanzmärkte dürfte zunächst einmal am wichtigsten sein, dass eine rot-grün-rote Regierung keine Option ist. Ohne die Linkspartei dürfte es auch keine Mehrheit für Steuererhöhungen oder für neue Regulierungen wie eine Mietpreisbremse geben, was bei vielen Investoren für ein Aufatmen sorgt."

"Dennoch sollte es auch bei der Finanzpolitik nicht einfach 'weiter so' heißen. Die Steuer- und Abgabenbelastung von Haushalten und Unternehmen in Deutschland gehört zu den höchsten in Europa. Gleichzeitig ist die Infrastruktur in zentralen Bereichen wie Bildung und öffentlicher Verwaltung auf einem unzureichenden Niveau. Das Land braucht einen Modernisierungsschub."

ANALYSTEN DER UBS-VERMÖGENSVERWALTUNG


"Fragen der Fiskalpolitik werden zu gegebener Zeit gelöst werden, wir erwarten aber eine gewisse Lockerung. Eine SPD-geführte 'Ampel-Koalition' könnte eine etwas deutlichere fiskalpolitische Lockerung bedeuten als eine CDU/CSU-geführte 'Jamaika-Koalition'".

MARCO WILLNER, CHEF-ANLAGESTRATEGE BEI NN PARTNERS


"Unter der Annahme, dass die Option der großen Koalition vorerst vom Tisch ist, werden die Märkte genau darauf achten, bei welchen Themen sich die Juniorpartner im Detail einigen werden. So stellt sich bei der FDP die Frage, ob die Schuldenbremse in einer Form aufgestellt wird, dass Investitionen und die Zustimmung bei europäischen Projekten finanziert werden können. Dies ist wichtig, um die Finanzierungskondition in der europäischen Peripherie günstig zu halten. Bei den Grünen hingegen werden sich die Fragen stellen, ob der Kohleausstieg vorgezogen wird und die Mieten stärker reguliert werden. Das Verhandlungsergebnis dürfte zu Bewegungen bei den Versorgern und den Immobilienaktien führen."

ANALYSTEN DER BAYERNLB


"Der Ausschluss eines Linksbündnisses dürfte an den Märkten zu Erleichterung führen, die Aussicht auf langwierige Sondierungs- und Koalitionsgespräche wird aber auch Unsicherheit für die nächsten Wochen bringen."

ANALYSTEN DER COMMONWEALTH BANK OF AUSTRALIA


"Die Wahrscheinlichkeit einer politischen Verschiebung nach links deutet darauf hin, dass die Fiskalpolitik in den kommenden Jahren die Konjunktur nicht so stark bremsen wird wie bislang erwartet."

ANLAGESTRATEGE MICHAEL HEWSON, CMC MARKETS


"Zieht man die Wahl von 2017 als Vergleich heran, wäre es überraschend, wenn wir vor Weihnachten eine neue Regierung bekommen. Kurzfristig wird sich in der deutschen Politik daher nichts ändern. Anleger werden ihre Aufmerksamkeit daher auf die Ereignisse in China sowie die verschiedenen Lieferengpässe richten."

DAVID FOLKERTS-LANDAU, CHEFVOLKSWIRT DEUTSCHE BANK:


"In den kommenden Jahren erfordern die Folgen des amerikanisch-chinesischen Konflikts, der Brexit und die Notwendigkeit, eine stärkere EU zu schaffen, eine stärker gestaltende Politik der nächsten Regierung. Diese neue Rolle, die von vielen internationalen Beobachtern seit Langem von Deutschland gefordert wird, kommt zu einer Zeit, in der die wirtschaftliche Position des Landes bedroht ist - durch eine ungünstige demografische Entwicklung, strukturelle Umbrüche infolge der Digitalisierung und vor allem durch die große Herausforderung, in den nächsten zwei Jahrzehnten Klimaneutralität zu erreichen.

Eine gestaltende Politik ist umso wichtiger, weil diese Herausforderungen auch große Chancen bieten. Die Tatsache, dass Deutschland Herausforderungen wie den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg oder die deutsche Wiedervereinigung in großartige Erfolgsgeschichten verwandelt hat, stimmt mich zuversichtlich, dass dies wieder gelingen kann.

Beide historischen Leistungen waren nur möglich, weil die Politik klug genug war, die Soziale Marktwirtschaft ihre Wirkung entfalten zu lassen. Die neue Regierung steht also vor der doppelten Herausforderung, die neue internationale Rolle Deutschlands zu definieren und die richtige Balance zwischen Marktwirtschaft und einem starken, lenkenden Staat zu finden. Wenn uns das gelingt, könnten sich die erneuten Abgesänge einiger internationaler Beobachter einmal mehr als verfrüht erweisen."

PORTFOLIOMANAGER THOMAS ALTMANN, QC PARTNERS


"Ampel oder Jamaika? Mit beiden jetzt möglichen und wahrscheinlichen Konstellationen können die Börsen gut leben. Auch eine Fortsetzung der Groko wäre für die Börsen keine Katastrophe."

JENS-OLIVER NIKLASCH, LBBW:


"Aus Marktsicht dürfte es eine gute Nachricht sein, dass eine Linkskoalition rechnerisch unmöglich ist und folglich als Drohkulisse der Verhandlungen zwischen SPD, CDU, Grünen und FDP abgeräumt wurde. Die verbleibenden möglichen Regierungsparteien unterscheiden sich in wirtschafts- und finanzpolitischen Themen nicht so gravierend, als dass Kompromisse unmöglich werden. Möglicherweise werden auch Personen und Posten am Ende wichtiger als Programme. Wer zum Beispiel erhält das Finanzministerium? Wird es eine Art Superministerium für Wirtschaft, Klima und Umwelt geben?"

MARCEL FRATZSCHER, PRÄSIDENT DIW-INSTITUT:


"Ich hoffe, dass sich die neuen Regierungsparteien nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen, sondern die Aufgaben klug und mutig untereinander aufteilen und die notwendige Entschlossenheit zur Veränderung haben. Deutschland steht vor den schwierigsten Herausforderung seit langer Zeit. Die neue Bundesregierung muss schnell wegweisende Entscheidungen zum Klimaschutz, zur digitalen Transformation und zur sozialen Erneuerung treffen. Wenn ihr dies nicht gelingt, wird Deutschlands wirtschaftlicher Wohlstand auf dem Spiel stehen und Europa Gefahr laufen im Systemwettbewerb mit China und den USA ins Hintertreffen zu geraten.

Die neue Bundesregierung sollte sich daher schnell finden und in den ersten 100 Tagen ein überzeugendes Programm mit Schwerpunkt Zukunftsinvestitionen, Entbürokratisierung und einer stärkeren Integration Europas angehen. Wir brauchen endlich mehr Mut zur Veränderung. Dazu gehört, den mächtigen Interessensgruppen die Stirn zu bieten und die größte Hürde für Reformen - die Besitzstandswahrung in Deutschland - zu überwinden."

JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLSKWIRT:


"Viele Anleger und Unternehmer dürften erleichtert sein, dass ein rot-grün-rotes Bündnis im neuen Bundestag voraussichtlich keine Mehrheit hat. Das stärkt die Verhandlungsposition der FDP, ohne die niemand eine stabile Regierung bilden kann, wenn man von einer großen Koalition absieht. Ein wirtschaftspolitischer Linksschwenk ist damit vom Tisch. Aber auch ein marktwirtschaftliches Reformprogramm ist sehr unwahrscheinlich, weil die Grünen als unabdingbarer Partner jeder Koalition wirtschaftspolitisch anders ticken als die FDP. Eine wirtschaftspolitische Trendwende zeichnet sich damit nicht ab. Ich erwarte am Montag keine wesentlichen Marktreaktionen.

Auf eine neue Bundesregierung kommt viel zu. Anders als Angela Merkel im Jahr 2005 übernimmt eine neue Regierung keine Volkswirtschaft mit einer herausragenden Standortqualität. Gemessen an Faktoren wie der Länge von Genehmigungs- oder Gerichtsverfahren, Steuersätzen etc., die für eine konkrete unternehmerische Tätigkeit wichtig sind und von der Weltbank erhoben werden, ist Deutschland innerhalb der EU nur noch ein mittelmäßiger Standort. Vor gut zehn Jahren lag Deutschland noch im vorderen Drittel."

GABRIEL FELBERMAYR, PRÄSIDENT INSTITUT FÜR WELTWIRTSCHAFT (IFW):


"Es wird vermutlich nicht für einen Rot-Rot-Grüne-Koalition reichen, damit ist nicht mit einer extremen Umstrukturierung der Wirtschaftspolitik in Deutschland zu rechnen. Aus wirtschaftlicher Sicht, ist dies zunächst eine gute Nachricht.

Deutschland steht nun aber eine schwierige Regierungsbildung ins Haus, die sich über Monate ziehen könnte. Ob Ampel, Jamaika oder Minderheitsregierung: Man muss damit rechnen, dass die zukünftige Regierung relativ schwach sein wird, weil sich ideologisch stark unterschiedlich positionierte Parteien auf ein Programm einigen müssen. Eine länger andauernde Lähmung und politische Unsicherheit bedeuten wirtschaftlich nichts Gutes, vor allem angesichts der enormen anstehenden Zukunftsaufgaben. Weil ohne die Grünen gar nichts geht, ist mit einer starken Ausrichtung auf Klimapolitik zu rechnen. Für andere Themen, zum Beispiel das Thema Rentenreform, wird wohl wenig Energie bleiben. Vermutlich wird in jeder Koalition ohne neue Schulden gar nichts gehen, weil man Geld für die Umsetzung wenigstens einiger der Lieblingsprojekte der Koalitionspartner brauchen wird, es aber immer bei einem Partner Widerstand für Strukturreformen geben wird."

THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:


"An den Finanzmärkten wird der Wahlausgang gelassen aufgenommen werden. Zu einem Linksbündnis wird es mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht kommen. Damit ist das größte Risiko aus Finanzmarktsicht ausgeräumt. Damit steht aber auch fest: Mit einem deutlichen Bruch der bisherigen Regierungsarbeit ist nicht zu rechnen. Auch der Einzug der SPD ins Bundeskanzleramt würde Kontinuität bedeuten. Olaf Scholz sind solide Staatsfinanzen wichtig, alleine das wirkt für die Finanzmärkten beruhigend. Und zunächst gilt: Solange die Regierungskoalition noch offen ist, gibt es ohnehin keinen Grund Finanzwetten abzuschließen. Der Euro wird auf die Bundestagswahl keine größeren Reaktionen zeigen."

ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT BANKHAUS LAMPE:


"Nachdem ein Linksrutsch offenbar vom Tisch ist, sind rechnerisch mehrere Koalitionen möglich, die neben Klimapolitik auch andere wichtige Themen vorwärtsbringen können. Dazu sollte vor allem auch eine Wachstumsagenda zählen, über die im Wahlkampf viel zu wenig gesprochen wurde. Vieles deutet allerdings auf schwierige und eventuell auch langwierige Koalitionsverhandlungen hin, vor allem im Falle eines Dreierbündnisses. Um den Kanzler zu stellen, werden CDU und SPD wohl zu den größten Zugeständnissen bereit sein. Aktieninvestoren dürften sich über das vertriebene rot-grün-rote Schreckgespenst erleichtert zeigen. Unabhängig vom künftigen Politikkurs bleiben Sachwertanlagen zentral, da sich an der Nullzinspolitik der EZB in der kommenden Legislaturperiode nichts ändern wird."

rtr