Er zählt zu den schillerndsten Persönlichkeiten der Automobilindustrie: André Gustave Citroën, Sohn des Diamantenhändlers Louis Bernard Citroën, wurde am 5. Februar 1878 in Paris geboren. Zusammen mit seinen vier Geschwistern wuchs er in wohlhabenden Verhältnissen auf. Der Vater starb, als André sechs Jahre alt war. Citroën besuchte ab 1898 die Ingenieurschule École polytechnique, eine der angesehensten Elitehochschulen Frankreichs. Ein Jahr zuvor hatte er auch seine Mutter verloren, die bis dahin die Diamantengeschäfte ihres verstorbenen Mannes weitergeführt hatte.

Die ersten Berührungspunkte mit der Autobranche hatte Citroën 1908, als er von den Mors-Autowerken berufen wurde, die Produktion zu sanieren. Im Jahr 1914, wenige Monate vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, heiratete er Giorgina Bingen, die Tochter eines genuesischen Bankiers. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. Noch im selben Jahr wurde er als Reserveleutnant der Artillerie einberufen.

Als er feststellte, dass Munitionsknappheit herrschte, gründete er 1915 in Paris eine Fabrik zur Herstellung von Granaten und belieferte in großem Umfang das französische Militär. Nach Kriegsende begann er mit der Herstellung von Automobilen. Schon bei der Entwicklung des ersten Autos wusste Visionär André Citroën, was er konstruieren wollte: ein günstiges Fahrzeug mit geringen Unterhaltskosten.

Diese Grundsätze führten zum Typ A 10 HP, der am 4. Juni 1919 in Paris auf den Champs-Élysées präsentiert wurde. Nach dem Vorbild Henry Fords wandte André Citroën die Methoden der modernen Industrieproduktion an, die die Herstellung robuster und sparsamer Autos in Großserie ermöglichten. Der Preis von 7950 Franc war für die Zeit außergewöhnlich niedrig.

Vor allem sein technisches Verständnis war die Basis seines späteren Schaffens. In jungen Jahren besuchte er die Firma seines Onkels in Warschau und lernte dort das Prinzip der Kraftübertragung durch Winkelverzahnung kennen. Citroën ließ sich eine Maschine patentieren, die in der Lage war, Verzahnungen in Form von Doppelwinkeln herzustellen. Daraus leitet sich auch das Logo der Marke ab. Kurz darauf begann er mit der Produktion von winkel- und spiralverzahnten Rädern und Untersetzungsgetrieben aus Stahl unter anderem für Automobile. So erhielt der Citroën Typ B12 als erstes europäisches Serienauto 1925 eine Ganzstahlkarosserie. Dieses Modell verfügte zudem als erster Großserienwagen über eine Vierradbremse, die zuvor nur bei teuren Luxuswagen zum Einsatz gekommen war.

Innovative Werbeideen


André Citroën wusste genau, wie er sein Unternehmen öffentlich ins Licht rücken konnte. Dafür nutzte er jede sich bietende Gelegenheit. So erhielt er gleich zweimal die Chance, seinen Namen in die Lüfte zu "schreiben". Im Jahr 1922 malte erstmals ein Flugzeug mit einer Rauchfahne das Wort "Citroën" kilometerhoch in den Himmel. Am Tag zuvor hatten Zeitungsanzeigen die Pariser neugierig gemacht: "Wenn morgen schönes Wetter ist, schauen Sie in den Himmel."

Als 1925 der Ingenieur Fernand Jaco­pozzi anbot, den Eiffelturm mit einer riesigen Leuchtreklame verzieren zu lassen, griff Citroën erneut zu. In den folgenden Jahren erstrahlte der Name Citroën, aus über 250 000 Glühbirnen gebildet, am Pariser Nachthimmel. Zur Installation der Anlage wurden Hochseilakrobaten und Zirkusartisten engagiert, die das Gestell in luftiger Höhe montierten. So hell und so weit war die Werbung zu sehen, dass sie Charles Lindbergh bei dessen Pionierflug über den Atlantik den Weg zum Flughafen Le Bourget wies.

Um Interesse für die im Jahr 1922 vorgestellten Halbkettenfahrzeuge zu wecken, durchquerten vom 17. Dezember 1922 bis zum 7. März 1923 fünf Modelle des Typs B2 10 HP die Sahara. Start war in Touggourt bei Algier. Von dort ging es problemlos durch das Ahaggar-Gebirge bis nach Timbuktu und wieder zurück.

Beschilderung der Straßen


1921 lancierte der Firmengründer ein aufwendiges Projekt, um die unzureichende Straßenbeschilderung in Frankreich zu verbessern. Er stiftete in ganz Frankreich sogenannte Plaques Citroën, die im Straßenverkehr als Hinweis- und Gefahrenschilder dienten. Die Blechschilder verfügten über den Zusatz "Don de Citroën" (auf Deutsch: "gestiftet von Citroën"). Dass sie zugleich als Werbetafeln für die Marke dienten, belegt die Kreativität und Innovationskraft, mit der Citroën auch in Sachen Werbung zu überraschen wusste.

Auch in Deutschland wurden in den Vorkriegsjahren die heute als Sammlerstücke begehrten "Plaques Citroën" aufgestellt. Abgesehen von den vielen Logos der Firma auf der Hohenzollernbrücke in Köln fuhren auch mehrere Werbeflotten der neuesten Citroën-Modelle durchs ganze Land. Da­runter war auch der in Köln-Poll gefertigte Typ B14, liebevoll "der Poller" genannt.

Kurz vor dem Tod André Citroëns stand sein Lebenswerk allerdings am Abgrund. Hätte der Reifenhersteller Michelin 1934 nicht die Führung übernommen, wäre der Traction Avant wohl nie so erfolgreich geworden. 40 Jahre später stand Citroën abermals an einem Scheideweg. Erfolg­lose Firmenbeteiligungen im Ausland, ein teures neues Werk außerhalb von Paris und hohe Entwicklungskosten trieben den Autobauer in Richtung Ruin. Peugeot erwarb 1974 die Aktienmehrheit und 1976 die restlichen Anteile. Daraus entstand die Groupe PSA, die bis heute tätige Firmengruppe mit den Marken Citroën, DS Automobiles und Opel, Peugeot und Vauxhall.

Am 3. Juli 1935 starb André Citroën in Paris. Dass fünf Monate nach seinem Tod das 1927 gegründete Werk in Köln-Poll aus politischen Gründen zwangsweise geschlossen wurde, musste er nicht mehr miterleben.