Erfolgreich geklagt hat eine Frau, die beim Inhaber einer Anlagefirma in Lauf bei Nürnberg einen hohen fünfstelligen Betrag investiert hatte. Insgesamt geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der Firmeninhaber zwischen Januar 2009 und Juni 2013 mittels eines Schneeballsystems über 600 Anleger um insgesamt rund 56 Millionen Euro geprellt hat. Die Anlegerin wehrte sich gegen einen Steuerbescheid des zuständigen Finanzamts Stadthagen, nachdem der fiktive - nie erwirtschaftete - Erlös aus den Aktiengeschäften des Schneeballsystems in Höhe von 26.858 Euro der Einkommensteuer zu unterwerfen sei.

Das Niedersächsische Finanzgericht hatte die Klage gegen den Steuerbescheid des Finanzamts abgewiesen (Az. 10 K 190/16). Mit der Revision beim Bundesfinanzhof - die erst auf Beschwerde zugelassen wurde - hatte die Anlegerin nun Erfolg. Die fiktive Steuerzahlung entfaltet eine abgeltende Wirkung - analog zur Steuerlast auf die fiktiven Gewinne, urteilten die obersten Finanzrichter. Auch in einem weiteren Fall, in dem das Finanzgericht Nürnberg bereits zugunsten eines geschädigten Ehepaars entschieden hatte und das Finanzamt in Revision gegangen war, urteilten die Münchner Richter zugunsten der geschädigten Anleger (Az. VII R 17/17).

Opfer von Schneeballsystemen werden häufig nicht nur durch den Anlagebetrug geschädigt. Denn die sogenannten Scheingewinne, die von Anlagebetrügern ausgewiesen werden, sind steuerpflichtig. Das gilt bislang unabhängig davon, ob die Gewinne ausgeschüttet oder reinvestiert wurden. Mehrfach hat der Bundesfinanzhof klargestellt, dass es alleine darum geht, ob der Finanzdienstleister zum Zeitpunkt der angeblich erwirtschafteten Gewinne in der Lage gewesen wäre, die fiktiven Scheingewinne an den Anleger auszuzahlen. Mit den jetzt ergangenen Urteilen führen die Richter eine Wende herbei, wenn die Betrüger gegenüber den Anlegern angegeben haben, Kapitalertragsteuer auf die Gewinne an den Fiskus abgezogen, angemeldet und abgeführt zu haben. Diese fiktive Steuerzahlung entfaltet dann eine abgeltende Wirkung - analog zur Steuerlast auf die fiktiven Gewinne.

"Es ist konsequent, dass die Bundesfinanzrichter nicht nur Scheingewinne, sondern auch Scheinsteuerzahlungen von Schneeballsystemen anerkennen und steuerlich gleich behandeln, - zumindest wenn fingierte Steuerbescheinigungen von Anlegerbetrügern vorliegen. Das begrenzt den Schaden der betrogenen Anleger", erklärt Rechtsanwalt Rüdiger Hitz von der Kanzlei Brandi Rechtsanwälte in Hannover, der die Anlegerin vor Gericht vertreten hat. "Die doppelte Schädigung, dass nicht nur das investierte Anlagekapital verloren, sondern am Ende noch Steuerzahlungen auf nie erzielte Gewinne fällig sind, ist evident ungerecht. Hier besteht jetzt zumindest die Möglichkeit, die geschädigten Anleger etwas zu entlasten."

Die Entscheidung könnte auch Auswirkungen auf ähnlich liegende Fälle haben. " Es bestehen gute Chancen , dass nun weitere Anleger vom Finanzamt geforderte Steuern auf Scheingewinne nicht bezahlen müssen", meint Steuerstrafrechtsexperte Hitz. "Fingierte Steuerbescheinigungen über angeblich abgeführte Kapitalertragsteuer sind bei Schneeballsystemen gang und gäbe. Bundesweit sind unzählige Verfahren zu Steuerbescheiden anhängig, bei denen die abgeltende Wirkung der Scheinsteuerzahlungen nicht anerkannt wurde."

Mit der nun geänderten Rechtsprechung des BFH können Tausende geschädigte Anleger mit Berufung auf das Urteil das Blatt zu ihren Gunsten wenden. Die Finanzämter müssten dann die Steuerbescheide in allen offenen sowie zukünftigen Fällen ändern und die abgeltende Wirkung bei der Einkommensteuer berücksichtigen.