Auch wenn die Börse stets für Überraschungen gut ist, folgt sie langfristig doch gewissen Gesetzmäßigkeiten. Ein Schema, das sich regelmäßig wiederholt, ist die Schwäche in den Sommermonaten, weil viele Börsianer Kasse machen, um im Urlaub einfach mal abschalten zu können. Aber auch die Wochentage folgen Mustern mit realem Hintergrund. Viele Trader - ob institutionell oder privat - gehen ungern mit offenen Positionen ins Wochenende. Denn: Kommt am Samstag oder Sonntag eine Hiobsbotschaft, wollen sie am Montag nicht voll investiert ins Verderben rennen.

Darauf hat André Stagge, ehemaliger Fondsmanager und heute Coach für Privatanleger, eine Strategie aufgesetzt, die er "Mad Monday" nennt. Sie nutzt den Effekt, dass am Freitag mehr Aktien ver- als gekauft werden und viele Daytrader erst abwarten wollen, was am Montag passiert, bevor sie wieder einsteigen.

Eine Rückrechnung bis 1999 demonstriert, wie stark dieser Effekt ist. Im US-Leitindex S & P 500 und noch deutlicher im Nasdaq-100 zeigt sich, dass die Performance eigentlich nur von Dienstag bis Donnerstag gemacht wird. In beiden US-Indizes hätte ein Engagement jeweils vom Schlusskurs am Donnerstag bis zum Handelsende am Montag Verluste gebracht - und das in 21 Jahren. Wer hingegen umgekehrt handelte - Einstieg am Montagabend und Verkauf zum Schlusskurs am Donnerstag - hat seinen Einsatz vervielfacht.

Jede Regel hat ihre Ausnahme - und die ist am Mad Monday nun schon eine ganze Weile in Kraft. Exakt seit dem Tiefpunkt des Corona-Crashs hat sich der Montagsblues ins Gegenteil verkehrt. Vergleicht man die einzelnen Wochentage seit dem 23. März 2020, ist der Montag im S & P und an der Nasdaq der mit Abstand beste Börsentag, wie auf dem unteren Chart deutlich wird.

Seit Corona ist alles anders

Warum ticken die Märkte seit Corona anders? Stagge hat eine plausible Erklärung: "Die Abweichung zur Norm und die deutlich steigenden Kurse am Montag sind den vielen neuen Marktteilnehmern geschuldet, die über gehebelte Positionen über das Wochenende und am Montag investiert sind." Mit anderen Worten: Die niedrigen Kursniveaus haben junge, unerfahrene Anleger motiviert, an der Börse ihr Glück zu versuchen. Mit Erfolg. Seither zocken sie bei Gratisbrokern wie Robinhood mit Tesla oder Wasserstoffaktien, was das Zeug hält, und scheren sich nicht um die Gesetzmäßigkeiten der Börse.

Die Kryptowährungen verstärken den Effekt noch, denn sie können auch am Wochenende gehandelt werden. Nur einmal ist Stagge bei der Auswertung von jeweils 5739 Schlusskursen im S & P 500 und an der Nasdaq auf ein ähnliches Phänomen gestoßen: zwischen 1999 und 2000, als der New-Economy-Hype ebenfalls Scharen von Börsenneulingen anlockte. Der Ausgang der Geschichte ist bekannt: Die Kurse kollabierten kurz danach und fingen sich erst drei Jahre später wieder.

Stagge ist überzeugt, dass die Märkte früher oder später wieder zu ihren gewohnten Mustern zurückkehren. "Meine Vermutung ist, dass es die Euphorie am Montag nicht mehr allzu lange geben wird", erklärt er. Ob sich daraus ein Crashszenario ableiten lässt, ist unklar. Wenigstens ist die gewohnte Schwäche am Freitag nach wie vor intakt. Aber der verrückte Montag ist ein Alarmzeichen, das man im Auge behalten sollte.