Kursrutsch beim einst wertvollsten Konzern Europas: ASML-Aktien verloren gestern in der Spitze mehr als 10 Prozent an Wert. Eine Kaufchance?

Die Aktie von ASML hat nach den neuesten Quartalszahlen und dem vorsichtigen Ausblick für 2025 gestern einen herben Rückschlag erlitten. An der Heimatbörse in Amsterdam fiel das Papier in der Spitze um 11 Prozent auf 625 Euro, ehe im späten Handel Schnäppchenjäger die Verluste auf 8 Prozent begrenzten.

Die Zahlen selbst? Über den Erwartungen. Der Ausblick? Gedämpft. Hinter der nervösen Reaktion der Märkte verbirgt sich eine komplexe Gemengelage: aus geopolitischer Unsicherheit, zyklischer Zurückhaltung und einem Unternehmen, das technologisch in einer ganz eigenen Liga spielt.

Starkes Quartal, schwacher Ausblick 

ASML meldete für das zweite Quartal einen Umsatz von 7,7 Milliarden Euro und einen Gewinn von 2,3 Milliarden Euro – beides über den Erwartungen. Die Bruttomarge stieg auf 54 Prozent, der Auftragseingang von 5,5 Milliarden Euro zeugt von robuster Nachfrage. Das niederländische Unternehmen bleibt der zentrale Lieferant für die modernste Chipproduktion weltweit. 

Doch für das dritte Quartal erwartet der Konzern nur noch 7,4 bis 7,9 Milliarden Euro Umsatz, weniger als die zuvor veranschlagten 8,3 Milliarden Euro. Auch die Jahresprognose wurde enger gefasst. CEO Christophe Fouquet warnte zusätzlich, dass 2026 kein garantiertes Wachstumsjahr werde – eine Aussage, die an den Kapitalmärkten als Vertrauensbruch empfunden wurde.

Ein Monopol mit Preissetzungsmacht

Was bei aller Nervosität nicht übersehen werden darf: ASML ist ein Monopolist. Das Unternehmen mit Sitz im niederländischen Veldhoven ist der einzige Hersteller weltweit von EUV-Lithografiemaschinen; ohne diese Technik können keine Chips auf 3- oder 2-Nanometer-Niveau produziert werden. Die Tech-Giganten Nvidia, Apple, AMD, Intel, TSMC, Samsung sind allesamt auf diese Maschinen angewiesen. 

Der Preis einer einzigen EUV-Anlage liegt bei über 300 Millionen Dollar. Und da es keine Alternative gibt, kann ASML seine Preise durchsetzen – und steigern. Diese technologische Vormachtstellung ist kurzfristig kaum zu kopieren. Wettbewerber aus China oder den USA mögen Milliarden investieren – doch das Zusammenspiel aus Photonik, Materialwissenschaft und Präzisionsoptik, das ASML über Jahrzehnte aufgebaut hat, bleibt unerreicht.

Boom-Branchen als Treiber der Zukunft vs. politisches Damoklesschwert

Die strukturelle Nachfrage nach Halbleitertechnologie ist intakt. Der KI-Boom, der Ausbau von Cloud-Infrastrukturen, autonomes Fahren, Robotik und das Internet der Dinge (IoT): All das verlangt nach immer leistungsfähigeren Chips – und leistungsfähigere Chips erfordern ASML-Maschinen. Zudem entsteht gerade eine geopolitisch motivierte Neuverortung globaler Chip-Produktionsstandorte. Ob in Arizona, Dresden oder Hsinchu: Überall entstehen neue Halbleiterfabriken, finanziert mit staatlichen Subventionen in Milliardenhöhe; keine davon kommt ohne ASML aus.

Doch diese langfristigen Wachstumstreiber kollidieren aktuell mit kurzfristigen politischen Risiken. Die anhaltende Zoll-Unsicherheit bleibt ein Damoklesschwert – insbesondere gegenüber China, wo ASML einen bedeutenden Umsatzanteil erzielt. Aktuell  darf ASML wegen der US-Exportbeschränkungen keine EUV-Maschinen mehr nach China liefern. Drohende Ausweitung dieser Restriktionen trifft nicht nur das Geschäft, sondern erschwert auch den Ausblick für 2026.

Wachstumsmaschine unter Druck – Einstiegschance oder Warnsignal?

ASML bleibt technologisch unersetzlich. Kaum eine andere Firma auf der Welt kontrolliert ein vergleichbares Nadelöhr in der globalen Halbleiterproduktion. Doch der jüngste Kursrückschlag zeigt, wie schnell sich Marktstimmung drehen kann, wenn operative Exzellenz und geopolitische Unsicherheit aufeinandertreffen. 

Tatsächlich ist die ASML-Aktie seit einem Jahr ein deutlicher Underperfomer an den europäischen Börsen. Seit dem Allzeithoch bei 1000 Euro im vergangenen Juli, als ASML kurzzeitig gar vor SAP, Novo Nordisk und LVMH zum wertvollsten Konzern Europas aufstieg, befinden sich die Anteilsscheine im Sinkflug und um 35 Prozent im Minus. Seit Jahresbeginn beträgt das Minus 9 Prozent.

Für langfristige Investoren mit einem Horizont über 2026 hinaus könnte der Rücksetzer durchaus eine Gelegenheit sein, bei einem der strukturellen Gewinner der kommenden Jahrzehnte günstiger einzusteigen. Kurzfristig allerdings müssen Anleger mit erhöhter Volatilität und geopolitischen Störfeuern rechnen – selbst bei einem Monopolisten. Die Kursentwicklungen der vergangenen europäischen Champions Novo Nordisk und LVMH sind zudem ein mahnendes Beispiel: Aktien, die sich einmal im Abwärtstrend befinden, können sich durchaus weiter verbilligen. 

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ASML (WKN: A1J85V)