Nun warnen Währungshüter verstärkt vor den Gefahren der rasanten Teuerung. Die deutsche Direktorin Isabel Schnabel rückt den durch Nullzins befeuerten Immobilienboom in den Vordergrund. Bei der Bewertung der Inflation dürfe der Anstieg der Wohnimmobilienpreise nicht ignoriert werden. Für den EZB-Rat gelte es bei der Perspektiven für eine Zinserhöhung, nicht "mechanisch" die hauseigenen Prognosen heranzuziehen, sondern sich ein eigenes Bild zu machen: "Und hier sollten die Hauspreise mit einfließen."

Schnabel äußerte sich nur wenige Stunden, bevor ein vorab veröffentlichter Fachartikel aus dem kommenden Wirtschaftsbericht der EZB diese offenbar bislang unterschätzte Gefahr mit harten Fakten allen vor Augen führte: Die Berücksichtigung von selbst genutztem Wohneigentum würde demnach die gemessene Inflationsrate zum Teil klar nach oben treiben - insbesondere, wenn dabei schwankungsanfällige Preise für Lebensmittel und Energie ausgeklammert werden. Diese sogenannte Kernrate wäre demnach im zweiten und dritten Quartal 2021 insgesamt um 0,4 bis 0,6 Prozentpunkte höher ausgefallen. Aber auch in der üblichen Messung hätte der Unterschied zwischen 2012 und 2020 immer noch in der Spitze bei bis zu 0,3 Prozentpunkten gelegen.

"Das bedeutet, dass mittelfristig die Inflation, wenn sie ohne Hauspreise bei 1,8 Prozent liegen sollte, mit Hauspreisen eher etwas über zwei Prozent liegen würde," sagte Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert. Damit läge aber die Teuerung bereits leicht über der Ziellinie der Notenbank von zwei Prozent, die sie als Optimalwert für die Wirtschaft ansieht. Eine wichtige Voraussetzung für eine Zinswende wäre damit erfüllt. Letztmalig hatte die EZB Leitzinsen im Jahr 2011 angehoben.

Für die EZB stellt sich nun die Frage, ob sie solche Gefahren womöglich nicht ausreichend auf dem Schirm hatte und bei der Zinswende zu spät kommen könnte. Die US-Notenbank hat offen eingeräumt die Inflationsgefahr lange unterschätzt zu haben. Sie dürfte im März kräftig umsteuern und mit einer Serie von Erhöhungen im laufenden Jahr der lockeren Linie der Corona-Zeit ein Ende bereiten. Der neue Bundesbankchef Joachim Nagel hat bereits eindringlich vor den Risiken gewarnt, wenn die EZB den richtigen Zeitpunkt für eine Wende verpassen sollte: "Nach meiner Einschätzung sind die ökonomischen Kosten deutlich höher, wenn wir zu spät handeln, als wenn wir frühzeitig handeln."

BALDIGES AUS FÜR ANLEIHENKÄUFE?


Schnabel räumte ein, dass die EZB die Wucht des Preisauftriebs nach dem Jahreswechsel unterschätzt hat. Es sei nun zunehmend unwahrscheinlich, dass die Teuerungsrate wie bislang angenommen vor Jahresende unter die Wunschmarke der EZB von 2,0 Prozent fallen werde. Daher sei eine Neubewertung des Inflationsausblicks nötig. Auf der Zinssitzung im März dürften die Ökonomen der EZB ihre Konjunktur-Projektionen entsprechend anpassen. Damit könnte auch der Weg für eine straffere geldpolitische Linie und letztlich die Zinswende geebnet werden. Bislang erwarten Notenbank-Volkswirte für die Jahre 2023 und 2024 jeweils eine Inflationsrate von 1,8 Prozent - für das laufende Jahr werden bislang 3,2 Prozent veranschlagt.

Der französischen Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau brachte nun ein Ende der Anleihenkäufe im Rahmen des Programms namens APP für das dritte Quartal ins Spiel. Die Beendigung der Zukäufe gilt als eine Voraussetzung für eine Zinserhöhung. Das Ende haben die Währungshüter bislang aber allerdings bewusst offen gelassen. Der EZB-Rat geht bislang in seiner Orientierungslinie für die Finanzmärkte - der sogenannten Forward Guidance - davon aus, dass die Nettoankäufe beendet werden, "kurz bevor" er mit der Erhöhung der EZB-Leitzinsen beginnt. Villeroy brachte nun die Idee auf, das Wort "kurz" zu streichen, um flexibler agieren zu können. Schnabel zufolge könnten die Käufe enden, bevor die Bedingungen der Forward Guidance erfüllt seien. Für die Volkswirte der Citibank stehen nun die Zeichen auf eher rasche Schritte. Ihr Fazit: "Die Kommentare von Schnabel und Villeroy bestärken unsere Sichtweise, dass eine Mehrheit im EZB-Rat die Nettoanleihenkäufe so schnell wie möglich beenden will."

rtr